Astronomie:Fraglicher Schutz des Jupiters

Bislang galt die Annahme, dass sich auf Planeten nur Leben entwickeln kann, wenn ein großer Bruder sie vor Kometen und Asteroiden beschützt. Doch stimmt das?

Thomas Bührke

Im Juli 1994 schlugen im Verlaufe mehrerer Tage etwa 20 Bruchstücke des Kometen Shoemaker-Levy 9 mit enormer Wucht in die Atmosphäre des Planeten Jupiter ein und explodierten. Wochenlang konnten die Auswirkungen beobachtet werden und vermittelten einen Eindruck von der Gewalt solch himmlischer Bomben.

Astronomie: Wie wichtig ist die Rolle Jupiters als Beschützer der Erde?

Wie wichtig ist die Rolle Jupiters als Beschützer der Erde?

(Foto: Foto: AP)

Im selben Jahr wies ein amerikanischer Planetenforscher in einer Veröffentlichung nach, dass Jupiter als größter Planet im Sonnensystem mit seiner Schwerkraft wie ein Magnet auf Kometen und Asteroiden wirkt und bereits in der Vergangenheit einen Teil dieses Schwarms von Himmelskörpern von der Erde ferngehalten hat.

Seitdem gilt unter Astronomen: Auf erdähnlichen Planeten kann sich nur Leben entwickeln, wenn ein großer Bruder sie vor einem allzu heftigen Bombardement beschützt.

Neue Computersimulationen deuten jetzt darauf hin, dass dies nicht stimmt. Wie Jonathan Horner von der Open University in Milton Keynes, Großbritannien, auf der Tagung Europlanet in Potsdam gerade berichtet hat, erhöht ein Riesenplanet in vielen Fällen sogar die Einschlagswahrscheinlichkeit.

Nach heutigem Wissen gibt es in unserem Sonnensystem drei Reservoirs, aus denen kosmische Projektile stammen. Das größte bildet die Oortsche Wolke, ein riesiger kugelschalenförmiger Bereich, der das gesamte Sonnensystem umgibt.

Wenn dort ein Körper aus seiner Bahn abgelenkt wird, kann er ins innere Sonnensystem vordringen und mit der Erde kollidieren. Diese Eindringlinge fängt wohl wirklich, wie bisher vermutet, Jupiter zum Teil ein oder lenkt sie um. Das zweite Reservoir befindet sich jenseits der Neptunbahn im sogenannten Kuiper-Ring. Die dort umlaufenden Centauren-Asteroiden etwa können ebenfalls in Richtung Erde abgelenkt werden.

"Die Ergebnisse haben uns sehr überrascht"

Horner und sein Kollege Barrie Jones haben nun in einem Computermodell die Wege von 100.000 Centauren über einen Zeitraum von zehn Millionen Jahren verfolgt. In einer Simulation entfernten sie Jupiter, in vier weiteren veränderten sie seine Masse.

"Die Ergebnisse haben uns sehr überrascht", sagt Horner. In den beiden Läufen mit und ohne Jupiter blieb die Anzahl der erdbedrohenden Asteroiden unverändert. Der Grund hierfür ist, dass Jupiter zwar einen Teil der Centauren ins äußere Sonnensystem schleudert, aber einen ebenso großen Teil ins innere und damit auch in Richtung Erde. "Jupiter gibt mit der einen Hand und nimmt mit der anderen", sagt Horner.

Noch überraschender waren die drei Simulationen, in denen die Forscher Jupiters Masse auf ein Viertel, ein Halb und drei Viertel verringerten. In diesen Fällen katapultierte der Planet sogar mehr Asteroiden nach innen als nach außen, wodurch sich das Einschlagsrisiko für die Erde erhöhte.

Bleibt noch das dritte Reservoir: der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Die Bahnen der dort herumschwirrenden Körper wollen Horner und Jones als nächstes simulieren. Auch hier deutet sich vorab schon ein qualitatives Ergebnis an: "Je massereicher ein Jupiter ist, desto mehr Asteroiden schleudert er ins innere Sonnensystem und umso mehr Einschläge gibt es auf der Erde", so Horner.

Auch wenn dieses Ergebnis noch mit Rechnern überprüft werden muss, ist bereits jetzt klar: Ein mächtiger Jupiter wirkt nicht unbedingt als Schutz für unseren Planeten.

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