Astronomie:Delle in der Raumzeit

Gravitationswellen

Ein Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik in Potsdam erläutert die Ausbreitung von Gravitationswellen.

(Foto: dpa)
  • Zum vierten Mal haben Physiker Gravitationswellen gemessen. Die jüngste Messung ist äußerst präzise.
  • Das Signal ist vor etwa 1,8 Milliarden Jahren entstanden, als zwei Schwarze Löcher miteinander verschmolzen.
  • Gravitationswellen bieten Astronomen zahlreiche neue Möglichkeiten. Die erste Messung war im Februar 2016 bekanntgeworden.

Von Marlene Weiß

Vielleicht wird man bald nur mehr mit den Schultern zucken, wenn es wieder heißt, da seien zwei riesige schwarze Löcher zusammengekracht, und jemand habe den Nachhall gemessen. Aber vorerst bleibt so etwas verblüffend und ungewöhnlich, auch wenn es nun schon die vierte Messung dieser Art ist: Erneut haben Wissenschaftler die Gravitationswellen aufgefangen, die von einer kosmischen Kollision in der Tiefe des Weltalls ausgelöst wurden.

Erst im Februar 2016 war die erste Gravitationswellen-Messung bekannt geworden, 100 Jahre nachdem Albert Einstein solche Schockwellen der Raumzeit vorhergesagt hatte. Das entsprechende Signal hatten die beiden riesigen Ligo-Detektoren in den USA im September 2015 aufgefangen, aber erst Monate später war die internationale Ligo-Forschungsgruppe sich der Sache sicher genug, um die Auswertung der Daten zu veröffentlichen. Später folgten zwei weitere Messungen, und nun, am 14. August 2017 um 10.30 Uhr (und 43 Sekunden), geschah es offenbar noch einmal.

Eine Gravitationswelle traf auf die Erde und verzerrte die kilometerlangen Arme der Detektoren für einen Augenblick um Bruchteile eines Proton-Durchmessers, genug für einen Ausschlag der Geräte. Ausgelöst wurde die Erschütterung der Raumzeit vor fast zwei Milliarden Jahren, als in den Tiefen des Alls zwei schwarze Löcher mit der 31-fachen beziehungsweise der 25-fachen Masse der Sonne in einem enormen Rumms miteinander verschmolzen.

Gravitationswellen sind ein neues, mächtiges Werkzeug für Astronomen

Übrig blieb ein schwarzes Loch von 53 Sonnenmassen - was bedeutet, dass etwa drei Sonnenmassen in unvorstellbare Energiemengen umgewandelt und als Gravitationswellen ins All abgestrahlt wurden. Erstmals wurde das Ereignis nicht nur von den Detektoren in den USA registriert, sondern auch von dem ähnlichen italienisch-französischen Gerät namens Virgo bei Livorno, wie am Mittwoch bekannt wurde.

Weil das Signal, GW170814 genannt, zuerst beim Ligo-Detektor in Hanford eintraf, acht Millisekunden später Ligo in Livingston erreichte und weitere sechs Millisekunden bis zu Virgo in Italien brauchte, können die Wissenschaftler recht genau bestimmen, woher es kam: Von der Erde aus gesehen fand die kosmische Explosion am Südhimmel statt, zwischen den Sternbildern Eridanus und Horologium. Aus der Form der Wellen wiederum kann man darauf schließen, welche Strecke sie zurückgelegt haben. Der Zusammenstoß muss sich demnach in etwa 1,8 Milliarden Lichtjahren Entfernung ereignet haben.

Kein anderes Observatorium merkte etwas von dem gigantischen Ereignis, weder im Bereich des sichtbaren Lichts noch bei Gamma- und Röntgenstrahlung, Radiowellen, Infrarotstrahlung oder Neutrinoemissionen war etwas Ungewöhnliches festzustellen. Das passt zu einer Kollision schwarzer Löcher dieser Masse; und es zeigt, was für ein mächtiges Werkzeug Gravitationswellen für Astronomen sind. Immerhin öffnen sie ein Fenster zum Kosmos, das bislang fest verschlossen war.

Seit Anfang August hat sich die Präzision solcher Messungen nochmals verbessert, weil der Virgo-Detektor nach einer technischen Aufrüstung wieder in Betrieb gegangen ist. An der Auswertung der Daten und der technischen Weiterentwicklung sind rund 1500 Wissenschaftler in aller Welt beteiligt.

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