Asteroiden:Der Gesang der Sterne

Jährlich im August sind unzählige Meteore als Sternschnuppen zu sehen - Forscher rätseln, warum man sie sogar hören kann.

Thomas Bührke

(SZ vom 13.08.2002) - Zurzeit bieten sich nachts viele gute Gelegenheiten, um innige Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen.

Asteroiden: Ein Meteor aus dem Strom der Leoniden verglüht in der Atmosphäre. Die Aufnahme stammt von einem Ballon der Nasa. Klicken Sie auf das Bild, um zur Animation zu kommen.

Ein Meteor aus dem Strom der Leoniden verglüht in der Atmosphäre. Die Aufnahme stammt von einem Ballon der Nasa. Klicken Sie auf das Bild, um zur Animation zu kommen.

(Foto: Nasa/Marshall Space Flight Center)

Die Perseiden, ein dichter Meteorschwarm, bietet Sternenguckern wie in jedem Jahr etwa zur selben Zeit bis zu hundert Sternschnuppen pro Stunde.

Zusammen mit den im November auftretenden Leoniden gehören die Perseiden zu den beeindruckendsten Erscheinungen am Nachthimmel.

Der Gesang der Sterne

Doch Meteorschauer sind nicht nur ein faszinierendes optisches Spektakel, gelegentlich kann man sie sogar hören, eine Art Gesang der Sterne, obwohl sie über hundert Kilometer entfernt sind. Erst kürzlich konnte ein internationales Forscherteam dieses seit Jahrhunderten umstrittene Phänomen nachweisen.

Ursache für den Schauer sind Kometen. Im Fall der Perseiden ist es der Komet Swift-Tuttle, benannt nach zwei britischen Astronomen, die den Schweifstern 1862 entdeckt haben.

Auf einer lang gestreckten, elliptischen Bahn läuft er innerhalb von 132 Jahren um die Sonne. Vor allem in der Nähe unseres Zentralgestirns verliert er viel Gas und Staub. Wie ein undichter Kieslaster hinterlässt er auf seiner Bahn eine Staubspur, welche die Erde einmal im Jahr durchquert.

Ein tiefes "Pop"

Schon in alten Chroniken der Sumerer und Chinesen konnte man nachlesen, dass diese die hellen Feuerkugeln nicht nur sahen, sondern hin und wieder auch hörten.

Wissenschaftlich interessant wurde dieses Phänomen allerdings erst 1719, als der Astronom Edmund Halley solche Berichte sammelte. Er schrieb von Zeugen, die Feuerkugeln zischen gehört hätten, als wären sie ganz nahe. Halley verwarf die Protokolle als Fantasie.

Die Klänge aus dem All sind deshalb so unglaublich, weil die Meteore über hundert Kilometer entfernt sind, wenn wir sie sehen. Das Licht dringt in Sekundenbruchteilen zum Auge, aber Schall benötigt für eine solche Strecke mehr als fünf Minuten.

Ein Team um Goran Zgrablic von der Universität Zagreb reiste im November 1998 in die Mongolei und beobachtete in völliger Einsamkeit die Leoniden. Dort installierten sie eine Videokamera und ein Mikrofon, das sie in einer Kiste verstauten, um es von Umgebungsgeräuschen abzuschirmen.

Wie das Team kürzlich im Journal of Geophysical Research berichtete, gelang es mit diesem Instrumentarium erstmals, von zwei Boliden ein akustisches Signal aufzunehmen: ein tiefes "Pop".

Phänomen der "Elektrophonie"

Die bislang einzige Erklärung hat der Physiker Colin Keay von der Universität Newcastle in Australien anzubieten. Demnach entstehen in einem komplizierten Wechselspiel zwischen der heißen, ionisierten Luft nahe dem Meteor und dem Erdmagnetfeld Radiowellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit in der Atmosphäre ausbreiten. Treffen sie auf Gegenstände, können sie diese zum Schwingen bringen, was ein akustisches Geräusch hervorbringt.

Keay nennt dieses Phänomen "Elektrophonie". Laborexperimente belegen, dass beispielsweise Tannennadeln, Blätter oder Metallbleche Radiowellen in Schall umwandeln können. Das würde auch erklären, warum manche Zeugen meinten, der Ton wäre aus der nahen Umgebung gekommen.

Goran Zgrablic und Kollegen war es jedoch nicht gelungen, auch die von Keay vorhergesagten Radiowellen nachzuweisen. Vermutlich besaßen diese dieselbe Frequenz von 40 Hertz wie der Schall. Für diesen Bereich war ihr Instrument jedoch nicht empfindlich.

Das Abhorchen von Meteoren

Weniger geheimnisvoll, aber interessant ist das Abhorchen von Meteoren mit einem Radiogerät. Das ist möglich, weil die erhitzte Luft in der Einflugschneise elektromagnetische Wellen reflektiert. Radarpulse zum Beispiel werden von den Leuchtspuren der Meteore zurückgeworfen und vom Radar wieder aufgefangen.

Einfacher und auch für Amateure möglich ist die passive Methode. Dabei schließt man einen Radioempfänger an eine Antenne an und wählt eine VHF- Frequenz zwischen 40 und 100 Megahertz, auf der kein Sender aktiv ist.

Eine Meteorspur kann nun zufällig die Wellen eines Fernseh- oder Radiosenders so ablenken, dass die Antenne sie empfängt. Man hört dann einen kurzen Ton, ähnlich einem Gong.

Diese Methode ermöglicht es, Meteore rund um die Uhr nachzuweisen, also auch am Tag. In Normalzeiten hört man bis zu 20 Signale pro Stunde, während der Schauer sind es mehrere hundert. Per Internet hat ein japanischer Amateur ein weltweites Netz von Radiostationen organisiert, um die diesjährigen Perseiden abzuhorchen.

Eine Frage der Perspektive

Dass die Perseiden scheinbar alle aus dem Sternbild Perseus kommen, ist ein perspektivischer Effekt, hervorgerufen durch die Erdbewegung. Das Phänomen ähnelt Schneeflocken, die beim Autofahren wie aus einem Punkt auf den Beobachter zuzufliegen scheinen - mit ganz anderen Geschwindigkeiten natürlich:

Die Kometenteilchen rasen mit mehr als 200.000 Kilometer pro Stunde und verglühen in 100 Kilometer Höhe. Dabei erhitzt sich die umgebende Luft so stark, dass auch die Atome und Moleküle aufleuchten.

Ein durchschnittlich als Sternschnuppe aufleuchtendes Körnchen ist nur etwa einen Millimeter groß und wiegt ein tausendstel Gramm. Die selteneren Feuerkugeln oder Boliden haben die Größe eines Handballs und erstrahlen zum Teile heller als der Vollmond.

Suche nach organischen Molekülen

Forscher hoffen, dass neben Ton und Feuerwerk auch etwas Kometenstaub übrig bleibt, den sie auf der Erde untersuchen können. Vor allem wollen sie klären, ob in Urzeiten mit dem Kometenstaub organische Moleküle auf die Erde gelangten und den Grundstein für das Leben legten.

Nasa-Forscher haben deshalb schon mehrfach versucht, Ballons bis in 20 Kilometer Höhe aufsteigen zu lassen und die zerbrechlichen Partikel mit Folien einzufangen. Bislang allerdings ohne eindeutigen Fund.

Erfolgreicher waren da George Rossano und Kollegen von der Aersopsace Corporation in Los Angeles, die während vergangener Perseiden- und Leonidenschauer mit Flugzeugen bis in zehn Kilometer Höhe aufstiegen und mit Spektrographen die Leuchtspuren analysierten. Bei solchen Experimenten fanden sie Hinweise auf organische Substanzen.

Meteor-Experte Peter Jenniskens von der Nasa schließt aus Beobachtungen sowie Computersimulationen, dass diese Materie mehr oder weniger unbeschadet die heiße Meteorphase überstehen und auf die Erde niedersinken kann. Ob unser Planet vor Milliarden von Jahren auf diese Weise befruchtet wurde, ist damit zwar nicht geklärt. Der Gedanke, dass der Mensch aus Kometenstaub geboren sind, bleibt aber faszinierend.

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