Artenvielfalt:Rettet den Öko-Spießer

Gelbbauchunke

Auch die Gelbbauchunke ist es wert, dass man sich um sie kümmert.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Man sollte Naturschützer, die hartnäckig Unken oder Käfer verteidigen, nicht belächeln: Der Schwund der Arten ist eine existenzielle Bedrohung.

Kommentar von Marlene Weiss

Es gibt, um das mal in übelster Vereinfachung zu sagen, zwei Sorten Umweltschützer. Die einen brausen im Tesla herum, schwärmen für Windparks und predigen, dass die Rettung der Welt total Spaß macht, wenn man das bloß unverkrampft angeht. Die anderen sind eher vom Typ Öko-Spießer. Im Marketing sind sie oft nicht so gut, lieber gummistiefeln sie durch Matsch und beobachten komische Insekten. Wenn diese Leute wieder einmal warnen, dass Landwirtschaft oder Zersiedelung irgendwelche Käfer, Vögel und Nager bedrohen, ernten sie viel Spott. Ist doch egal, wer braucht die blöden Viecher schon. Aber wer so denkt, sollte einen Blick in die aktuelle Ausgabe von Science werfen.

Auch nach der Kreidezeit ging das Leben weiter. Aber die Dinosaurier waren weg

Natürlich haben alle Ausprägungen des Umweltschutzes ihre Berechtigung, die Erde kann jeden Anwalt gebrauchen. Das Gleiche gilt allerdings für die jeweiligen Anliegen. Sicher ist der Klimawandel eine große Gefahr. Der dramatische Schwund an Arten aber auch, obwohl er längst nicht die gleiche Präsenz in der öffentlichen Debatte hat. Das hat viele Gründe: Die Folgen des Verlusts an Arten sind noch kaum spürbar und wissenschaftlich schwer abzuschätzen. Der Meeresspiegel steigt nicht an, nur weil der Mensch gerade das sechste und vielleicht schnellste Massensterben in der Geschichte des Planeten veranstaltet. Es gibt auch nicht mehr Stürme oder Dürren deswegen. Eine existenzielle Bedrohung ist das Problem trotzdem.

Seit 2009 ein Artikel im Magazin Nature erschien, wonach die Menschheit unter anderem beim Artensterben den "sicheren Bereich" bereits verlassen hat, sind diverse Studien zum Thema erschienen. Doch ein "gefährlicher" Verlust an Arten bleibt schwer zu fassen. Ist die Aussterberate entscheidend, die verbleibende globale Vielfalt oder der Anteil noch lebender ursprünglicher Arten in einzelnen Ökosystemen?

Die aktuelle Studie in Science betrachtet Letzteres. Demnach ist der Artenreichtum auf mindestens 58 Prozent der Landfläche auf unter 90 Prozent des ursprünglichen Wertes gefallen, und ist damit dort wahrscheinlich schon im bedrohlichen Bereich. Das könnte langfristig Prozesse aufs Spiel setzen, ohne die das Überleben auf dem Planeten schwierig wird. Dazu gehört zum Beispiel die Bestäubung von Pflanzen durch Insekten, der Abbau von Pflanzenresten, der Kohlenstoffzyklus oder die Fruchtbarkeit von Böden.

Klar, das Leben schlägt sich immer irgendwie durch, auch nach dem Massensterben am Ende der Kreidezeit ging es weiter. Eins aber sollte die Menschheit im Kopf behalten, wenn sie weiter empfindliche Ökosysteme kaputtstampft: Die Dinosaurier waren hinterher nicht mehr da.

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