Artenschutz paradox:Wo Warane gejagt werden, wächst ihre Zahl

Die intensive Jagd auf Tiere kann ganze Arten ausrotten. Doch Ethnologen haben in Australien eine Überraschung erlebt: Eine Waran-Population wächst ausgerechnet dort besonders stark, wo sie auf dem Speiseplan der Aborigines stehen.

Von Christian Weber

Anders als oft vermutet, leben indigene Völker nicht immer im Einklang mit der Natur. Tatsächlich rotten auch sie Tier- und Pflanzenarten aus.

Umso überraschender erscheint eine Feldstudie von Ethnologen um Rebecca und Douglas Bird (Proceedings of the Royal Society B, online). In der Western Desert Australiens, dem Kulturraum der Aborigines, stellten sie fest, dass Tierpopulationen ausgerechnet dort gedeihen, wo sie intensiv bejagt werden - ein auf den ersten Blick paradoxes Ergebnis.

Für ihre Studie erhoben die Forscher zwischen 2000 und 2010 immer wieder Stichproben in einem 46.000 Quadratkilometer großen Gebiet. Dabei konzentrierten sie sich auf ein in der Region beliebtes Beutetier: den Goulds Waran, ein Reptil, das bis zu 1,40 Meter lang wird und bis zu sechs Kilogramm wiegt.

Ermittelt wurde, wie viele Tiere die einheimischen Jäger erbeuten und wie sich die Populationen entwickelten. Es ergab sich, dass sich die Anzahl der Warane in Gegenden, wo besonders viele erlegt wurden, verdoppelte.

Das liegt an der speziellen Jagdmethode. Um die Warane aus ihren Höhlen aufzuscheuchen, legen die Aborigines Feuer. Dadurch entsteht eine abwechslungsreiche, mosaikartige Landschaft, in der sich kahle, abgebrannte und bewachsene Flächen abwechseln. Reptilien und andere Tiere finden dort eher Überlebensnischen als in eintönigem Gelände.

Zudem wachsen auf den abgebrannten Flächen Süßgräser, die den Aborigines als Nahrung dienen.

Die Erkenntnis hat auch religionswissenschaftliche Bedeutung. Die Aborigines sehen ihre Beziehung zur Umwelt als Teil ihrer Weltanschauung, die sie "Jukurrpa" nennen, was üblicherweise mit dem Wort Träumen nur schlecht übersetzt wird. Im Kern dieses Konzepts steht der Glaube, dass das Land auch durch die Jagd mithilfe des Feuers genutzt werden muss, damit das Leben weitergeht.

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