Artenschutz:Opfer-Vogel

Rotmilan

Ein Rotmilan im Flug.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Eine Studie behauptet, Windräder seien kein Problem für Rotmilane. Experten sehen das anders.

Von Marlene Weiß

Der Rotmilan ist ein sympathischer Vogel. Mit den langen, gemusterten Flügeln, dem fast weißen Kopf und dem auffälligen Schwanz ist er schön anzusehen. Und doch wird um ihn erbittert gestritten: Immer wieder werden Tiere vergiftet, vermutlich auch Horste zerstört. Denn der Vogel stirbt zuweilen in Windrädern - deshalb darf keines gebaut werden, wo er brütet. Was manche freut und andere nicht.

Am Donnerstag präsentierte Hans-Josef Fell von den Grünen eine Studie des Schweizer Umweltberaters Oliver Kohle, die den deutlichen Titel "Windenergie und Rotmilan - ein Scheinproblem" trägt. Demnach habe der Rotmilan-Bestand trotz dem rasanten Ausbau der Windenergie in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren um 40 Prozent zugenommen. Die Gefahr einer tödlichen Kollision mit Windkraftanlagen sei "verschwindend gering". Die Behauptung, Windkraft wirke sich negativ auf bedrohte Vogelarten aus, sei "wissenschaftlich nicht haltbar", sagte Fell.

Wissenschaftlich schlecht haltbar sind allerdings auch die Zahlen, auf die Studienautor Kohle sich beruft. So zitiert er als Beleg für die angebliche Zunahme des Rotmilans in den meisten Bundesländern einen Vortrag von Christoph Grüneberg, der beim Dachverband deutscher Avifaunisten (DDA) für den umstrittenen Vogel zuständig ist. Grüneberg selbst jedoch protestiert energisch gegen diese Interpretation: Die zitierten Zahlen seien nicht vergleichbar, weil sie auf verschiedene Weise erhoben wurden. Tatsächlich zeigen die Daten des DDA, dass die Rotmilan-Bestände in Nordostdeutschland, wo viele Windräder stehen, seit dem Jahr 2000 um etwa 20 Prozent zurückgegangen sind. Eine Zunahme wurde nur in den südwestlichen und westlichen Mittelgebirgen verzeichnet.

"Das völlige Verleugnen unstrittiger Tatsachen ist schon extrem", sagt Torsten Langgemach von der staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg, wenn man ihn auf die Studie anspricht. "Selbst Bilder toter Vögel mit eindeutigen Verletzungen werden in Zweifel gezogen." Allerdings sind solche Funde selten, die Dunkelziffer ist umstritten. Forscher um Jochen Bellebaum von der deutschen Wildtier-Stiftung haben 2013 errechnet, dass in Brandenburg jährlich drei Prozent der Rotmilane in Windanlagen sterben könnten, das würde die Population durchaus belasten (Journal of Nature Conservation). Oliver Kohle tut diese Zahlen als unrealistisch ab.

"Windkraft ist ein Problem von vielen", sagt Christoph Grüneberg vom DDA. Viel schlimmer wirke sich die veränderte Landwirtschaft aus. Wenn Mais oder Weizen überall dicht an dicht stehen, kommt der Rotmilan nicht mehr an den Boden, um Nahrung zu erbeuten. Wo das so ist, hat es der Vogel schwer - und weitere Windräder machen es nicht besser.

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