Artenschutz in Afrika:Die Elefanten kommen

Im südlichen Afrika soll das riesige Natur- und Landschaftsschutzgebiet Kaza entstehen. Da Mensch und Tier um Land und Nahrung konkurrieren, sind Konflikte programmiert.

Arne Perras

Man hätte nicht gedacht, dass die Vuvuzela noch einmal nützlich sein könnte. Doch Daniel Kabala ist froh, dass er in seine rote Trompete blasen kann. Irgendetwas muss er ja unternehmen gegen die Plünderer, die sich über den Mais hermachen.

Bei Elefanten nimmt die Führungsqualität mit dem Alter zu

Bis zu 350 Kilogramm Pflanzen frisst ein ausgewachsener Elefant am Tag. Bereits jetzt haben sich die Tiere im südlichen Afrika massiv vermehrt und bedrohen damit die Nahrungsgrundlage der Menschen. Wo die Elefanten durchziehen, bleiben oft nur noch Baumleichen und kahle Äste übrig.

(Foto: dpa)

Mag sein, dass der Wächter das ganze Dorf um drei Uhr morgens aus dem Schlaf reißt, wenn es so weit ist. Aber für die Bauern im Nordosten Namibias geht es um viel. Sie wollen bald ernten. Deshalb müssen Männer wie Kabala die Diebe verjagen.

Elefanten hassen die Vuvuzela. Vielleicht liegt es daran, dass sie einfach die besseren Trompeter sind. Oder sie halten als besonders feinfühlige Geschöpfe den groben Lärm nicht aus. Daniel Kabala weiß nur eines: Wenn er laut genug in seine Plastiktröte stößt, suchen die meisten Elefanten das Weite. Und der Mais ist erst einmal vor ihren Rüsseln sicher. Die Dickhäuter kommen gerne in der Nacht. "In ein paar Minuten machen sie ein ganzes Feld nieder", schimpft Rebecca Kabala, die Schwester des Trompeters. Elefanten fressen bis zu 350 Kilogramm Pflanzen am Tag.

Bäuerin Kabala weiß, wovon sie spricht. Am 4. Februar hat es ihr eigenes Maisfeld erwischt. Wäre ihr Bruder da gewesen - vielleicht hätte er das Schlimmste verhindert. Doch der wachte in jener Nacht woanders. Und als seine Schwester die Räuber bemerkte, war es schon zu spät. Die junge Mutter, die ihr Kind auf den Rücken gebunden hat, ist wütend. Was soll die Familie nun essen? "Sie sollten die Kerle abschießen", schimpft sie. "Aber dafür wandert man ins Gefängnis." Ihr Bruder Daniel hat etwas andere Ansichten über Elefanten. Sie gehörten eben hierher, sagt er. Aber er verdankt den Dickhäutern auch seinen Job. Die Bauern bezahlen ihn als Wache. Wen sollte er sonst vertreiben, wenn es die Elefanten nicht mehr gibt?

So ist das auf einem Kontinent, auf dem die letzten großen Säugetiere und eine wachsende Zahl armer Menschen um Land und Nahrung konkurrieren. Bauern und Elefanten kommen nicht gut miteinander aus, wie man in Ngonga sieht. Das ist kein Einzelfall. Überall, wo Elefantenherden leben, geraten Menschen und Tiere aneinander. Oft gibt es dabei auch Tote - mal auf der einen, mal auf der anderen Seite.

Ist dieser Konflikt überhaupt zu lösen? Oder werden Afrikas große Säugetiere - allen voran die Elefanten - dem Druck des Menschen doch weichen müssen? Einige Entwicklungsexperten und Ökologen glauben an einen Ausweg. Wenn ihr Plan gelingt, könnte er eine neue Ära einleiten, in der Naturschutz und Entwicklung nicht mehr als Widerspruch aufeinander prallen. Beide Ziele würden durch kluge Geschäftsmodelle miteinander verwoben.

Die Idee ist nicht neu, aber sie hatte bislang kaum Chancen, weil Naturschutz in armen Ländern meist an den einheimischen Menschen vorbei gemacht wurde. Einst reklamierten die Kolonialherren das Land für sich, sie verfügten, dass Wild und Wald die Untertanen fortan nichts mehr angingen. Später machten staatliche Behörden und Großinvestoren aus dem Ausland das Safari-Geschäft unter sich aus. Dass es nun ganz anders gehen soll, klingt revolutionär auf einem Kontinent, dessen Geschichte von Ausbeutung und Armut dominiert ist.

Ob die Zeit reif ist, wird auch das Schicksal von "Kaza" zeigen. So heißt das derzeit ehrgeizigste Schutzvorhaben auf dem afrikanischen Kontinent. Im Wort Kaza stecken die Anfangsbuchstaben der Flüsse Kavango und Zambezi (deutsch: Sambesi). Sie sind die Lebensadern einer Region, die durch spektakuläre Landschaften berühmt geworden ist. An der Grenze zwischen Sambia und Simbabwe donnern die Victoriafälle in die Tiefe, weiter westlich erstreckt sich das Okavango-Delta. Wildhund und Gepard, Löwe und Leopard, Büffel und Nashorn, Flusspferd und Elefant - sie alle bevölkern das Feuchtgebiet im Norden Botswanas.

Artenschutz soll Wohlstand bringen

Fünf benachbarte Länder - Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe - wollen nun ein riesiges grenzübergreifendes Naturschutzgebiet schaffen, es wäre das größte auf dem Kontinent und nach Ansicht des World Wildlife Fund (WWF) "der wichtigste terrestrische Schutzgebietsverbund der Erde." In der von zahlreichen Landesgrenzen zerschnittenen Region sollen 36 Nationalparks, Wildreservate und andere Schutzgebiete durch ökologische Korridore so verbunden werden, dass wieder ein zusammenhängender Naturraum entsteht. Einerseits geht es darum, die Artenvielfalt zu schützen, andererseits soll Kaza Wohlstand in eine sehr arme Gegend bringen. Zwischen den Schutzzonen leben überall Bauern. "Aber sie haben bislang nicht vom Naturschutz profitiert", sagt Victor Siamudaala vom Team der Kaza-Manager.

Artenschutz in Afrika: Schrecken der Stadien und Elefanten: Daniel Kabala mit Vuvuzela.

Schrecken der Stadien und Elefanten: Daniel Kabala mit Vuvuzela.

(Foto: Arne Perras)

Aufschwung durch Artenschutz - das klingt nach einem waghalsigen Unternehmen. Philipp Göltenboth glaubt daran: "Kaza wird mehr als 350.000 Quadratkilometer umfassen", sagt der Biologe vom World Wildlife Fund (WWF). "Das ist so groß wie Deutschland." Verschiedene Sektionen des WWF fördern das Vorhaben mit mehr als vier Millionen Dollar im Jahr. Auch die deutsche staatliche Entwicklungshilfe gibt Geld. Berlin schiebt das Projekt mit 20 Millionen Euro über die Entwicklungsbank KfW an. Die afrikanischen Staaten wollen im August einen Staatsvertrag unterzeichnen, damit Kaza ein rechtliches Fundament bekommt.

Schon früher engagierten sich hier die Deutschen, wenn auch auf ganz andere Art. Berliner Großmachtphantasien nahmen dabei recht seltsame Formen an, wie ein Blick auf die Karte beweist. Da ist zum Beispiel der Caprivi-Zipfel - ein schmaler Landstreifen, der dem früheren Deutsch-Südwestafrika den Zugang zum Sambesi sichern sollte. Man träumte davon, mit dem Dampfer bis in den Indischen Ozean zu schippern. Nur dumm, dass ein paar Kilometer weiter die Victoriafälle solche Abenteuer unmöglich machten. Die kolonialen Grenzen rissen Völker auseinander. Vielleicht liegt es deshalb nahe, dass die Europäer sich nun an Vorhaben beteiligen, die helfen, Afrikas Grenzen zu überbrücken.

Was sollen aber nun Bauern davon haben, die sich gegen Elefanten erwehren müssen? Der Wildbiologe Russell Taylor aus Simbabwe sagt: "Schutz funktioniert nur, wenn die Menschen merken, dass sie mit Elefanten besser leben als ohne." Wie das gehen könnte, lässt sich am Beispiel Namibias studieren, wo sogenannte Gemeindeschutzgebiete schon neue Einnahmen erschlossen haben. Mehrere Dörfer bilden eine sogenannte "Conservancy". Wer beispielsweise eine Lodge für Touristen betreibt, muss Gebühren direkt an die Gemeinden abführen, und Bauern können lukrative Jagd-Lizenzen selbst vermarkten.

Reiche Amerikaner oder Europäer zahlen schon mal 60.000 US-Dollar für eine Jagdsafari, um einen Elefanten zu erlegen. Was einen Menschen dazu treibt, kann der Biologe Gölthenboth vom WWF zwar nicht nachvollziehen. Aber dennoch sagt er, dass Großwildjäger wichtige Einnahmen für die Gemeinden sichern. Das kann indirekt auch helfen, die Art zu schützen - wenn der Abschuss streng geregelt ist.

Jagdausflüge, Photosafaris, Öko-Lodges: All das bringt den Dörfern Geld, das man in Schulen, Werkstätten oder Maschinen investieren kann - oder die Einnahmen helfen, Bauern für zerstörte Ernten zu entschädigen. "Wichtig ist, dass die Leute nicht zu lange auf den Gewinn aus dem Naturschutz warten müssen", sagt die namibische Umweltministerin Netumbo Nandi-Ndaitwah. Sie ist eine resolute Frau, die vor Konflikten nicht zurückschreckt, um ihre Pläne durchzusetzen. Der Aufbau von Kaza gehört mit dazu.

Land ist der größte Schatz, den Afrika besitzt. Aber er ist heftig umkämpft. Im Caprivi-Zipfel wollte sich kürzlich ein britischer Investor 200.000 Hektar für den Jatropha-Anbau sichern. Der Präsident sagte in diesem Fall nein, doch es wird neue Begehrlichkeiten geben, zumal Afrikas Ländereien immer mehr Spekulanten anlocken.

"Mit Landwirtschaft lässt sich die Armut der Region nicht besiegen", sagt Ralph Kadel, Agrarexperte und Kaza-Manager bei der KfW. Großflächige Rodungen würden den empfindlichen Wasserhaushalt stören. Tourismus biete die besseren Möglichkeiten, glaubt er. Nach Prognosen wird die Zahl der Urlauber im südlichen Afrika jährlich um sechs Prozent steigen. Doch wie viele werden es nach Kaza schaffen? Und wie schnell wird das der Bevölkerung nützen? Noch sind viele Gebiete kaum erschlossen. Die Savannen von Angola sind noch vermint, weil dort lange ein Bürgerkrieg tobte.

Ökonomische Risiken

Das Projekt hat also ökonomische Risiken. Auch politisch sind Planungen kompliziert, die fünf Länder umfassen. Angola ist nach dem Krieg vor allem mit sich selbst beschäftigt, Simbabwe leidet unter der Herrschaft Robert Mugabes. "Dennoch ist Kaza eine große Chance, weil man Armutsminderung mit dem Schutz von Biodiversität verknüpfen kann", sagt Kadel. Und Namibias Gemeindeschutzgebiete gelten als Modell.

Diese Schutzzonen, in denen 15 Prozent der Bevölkerung leben, haben das Volkseinkommen schon um etwa hundert Millionen US-Dollar vermehrt. Andererseits bereitet gerade das Finanzmanagement immer wieder "Startprobleme", wie der amerikanische Ökologe Chris Weaver sagt. In Botswana war zu beobachten, dass Dörfer sehr schnell sehr viel Geld eingenommen haben und dann mit dem Segen überfordert waren. Missbrauch und mieses Management trübten die Bilanz.

Gleichzeitig hat gerade Botswana ein besonderes Interesse an grenzübergreifenden Schutzgebieten. Das hängt wiederum mit den Elefanten zusammen, wie Erkundungen auf dem Chobe River zeigen. An einem verregneten Abend steuert das Boot am Ufer des mächtigen Stromes entlang, schon bald tauchen die ersten Elefanten auf. Zwei Jungtiere messen spielerisch ihre Kräfte, andere baden im Fluss und benutzen ihren Rüssel als Hochdruckdusche. Die Tiere haben keine Scheu, im Nationalpark Chobe sind sie sicher. "Die Bedingungen sind ideal", sagt Elefantenforscher Mike Chase.

Doch daraus erwachsen auch gewaltige Probleme. Weit mehr als die Hälfte der gesamten Population lebt heute im südlichen Afrika. In 15 Jahren, sagt Chase, wird sich allein die Zahl der botswanischen Elefanten verdoppelt haben. "Die Zahl durch Abschuss drastisch zu reduzieren ist gar nicht mehr möglich." Das sei zu kostspielig, und Massentötungen dieser hoch entwickelten Tiere wären in der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln. Außerdem weiß man, dass Elefanten in solchen Fällen noch mehr Jungtiere bekommen als vorher.

Chase zeigt auf die vielen Baumleichen am Ufer. Sie sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass hier wohl schon zu viele Elefanten leben, um eine artenreiche Pflanzenwelt zu bewahren. "Das System steuert auf den Kollaps zu." Kaza bietet womöglich einen Ausweg. Über Korridore könnten Herden nach Sambia und Angola ziehen und sich verteilen. Doch das kann nur gelingen, wenn die Menschen dort ihren Vorteil im Naturschutz sehen. Tatsächlich sind einst viele Elefanten vor dem Bürgerkrieg in Angola bis nach Botswana geflüchtet. Jetzt herrscht Friede, und das ist auch den Dickhäutern nicht entgangen. Wie sie davon erfahren, ist nicht genau erforscht. Biologe Chase glaubt, dass einzelne Bullen eine Schlüsselrolle spielen. Als Vorhut erkunden sie vormals gefährliches Terrain. Wenn sie zurückkehren, geben sie vermutlich weiter, was sie erlebt haben.

Als Chase kurz nach Ende des Krieges nach Angola kam, zählte er im Südosten 38 Elefanten. Zehn Jahre später sind es schon 8000 Tiere. "Sie umgehen sogar Minenfelder", sagt er. "Wie sie das machen, wissen wir nicht". Elefanten geben manches Rätsel auf. Doch Chase ist sich sicher, dass viele wieder wandern werden, wenn ihnen keine Grenzzäune mehr im Wege stehen und sie sich sicher fühlen. Gelingt der Kaza-Plan, könnten sie endlich los. Und am Chobe River in Botswana werden vielleicht neue Bäume wachsen.

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