Artenschutz:Das Ende der Schlangen

Forscher melden ein massives Schlangensterben. Die Kriechtiere sind weltweit gefährdet. Auslöser sind der Klimawandel und die fortschreitende Zerstörung des Lebensraums.

Katrin Blawat

Pythons kennen viele Bewohner Floridas besser, als ihnen lieb ist. Die Schlangen, die aus Asien importiert wurden, breiten sich seit einigen Jahren im Südosten der USA aus. Sie fressen Hunde und Katzen, und auch mehrere Menschen sollen die Reptilien schon getötet haben.

Königspython

Im Südosten der USA merkt man noch nichts vom Sterben der Schlangen: Pythons fressen hier Haustiere wie Katzen und Hunde. Sogar mehrere Menschen sollen den Reptilien schon zum Opfer gefallen sein.

(Foto: dpa)

In Florida hat man also möglicherweise wenig Verständnis für die Bestürzung, mit der ein internationales Biologenteam die Ergebnisse aus 22 Jahren Forschungsarbeit präsentiert: Weltweit gibt es immer weniger Schlangen. Ein "alarmierender Trend" sei festzustellen, schreiben Forscher um Chris Reading vom britischen Centre for Ecology and Hydrology im Fachblatt Biology Letters (online).

Reading und seine Kollegen hatten zwischen 1987 und 2009 insgesamt 17Gruppen von acht Schlangenarten in Großbritannien, Italien, Frankreich, Nigeria und Australien untersucht. Elf der Gruppen schrumpften binnen der 22Jahre deutlich.

Angst um die Schlingnatter

Auch Populationen, die in Naturschutzgebieten lebten, verkleinerten sich beständig. Die Zerstörung des natürlichen Lebensraumes allein kann es also nicht sein, die den Schlangen das Leben schwermacht. Sorgen machen sich die Forscher unter anderem um die Aspisviper in Frankreich und Italien, um den Königspython in Nigeria und um die Schlingnatter in Großbritannien.

In den meisten Fällen schrumpfte die Gruppengröße nicht nur um einige wenige Tiere, sondern um mehr als 90 Prozent. Dies komme einem Kollaps gleich, schreiben die Autoren. Denn wenn von zehn Tieren nur ein einziges überlebt, dauert es meist nicht lange, bis auch das verbliebene Tier und damit die ganze Gruppe ausgelöscht ist.

Mit diesem Schicksal müssen vor allem Arten rechnen, die ein kleines Territorium bewohnen, langsam wachsen und still ihrer Beute auflauern, statt sie aktiv zu jagen. Die sogenannten "sit-and-wait"-Arten können mit Veränderungen in ihrer Umwelt besonders schlecht umgehen. Nur die Gelbgrüne Zornnatter widersetzte sich dem Trend: Zumindest in Frankreich kam sie in den letzten Jahren immer häufiger vor.

Aus früheren Studien wussten die Forscher, dass im Mittelmeerraum manche Schlangenarten in den vergangenen Jahren selten geworden sind. Auch vier der sechs in Deutschland heimischen Arten gelten als bedroht: die Äskulap- und die Würfelnatter, die Kreuzotter und die Aspisviper.

Sie alle litten darunter, dass Menschen ihren Lebensraum zerstörten, entweder durch intensive Landwirtschaft oder indem ehemals freie Flächen bebaut würden, sagt Heidrun Heidecke vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.

Wie es um tropische Schlangen steht, wusste bisher niemand genau. Ebenso fehlten Daten über mehrere Kontinente hinweg. Alexander Haas vom Zoologischen Museum der Universität Hamburg sagt: "Säugetiere kann man in Lebendfallen oder Netzen fangen. Das funktioniert bei Schlangen nicht, sie sind deshalb sehr schwierig zu beobachten."

Zum Glück, mag sich denken, wer sich bei jedem Spaziergang vor Blindschleichen fürchtet - und wahrscheinlich sieht er in dem langsamen Verschwinden der Kriechtiere nichts Beunruhigendes. Anders die Biologen, die vor erheblichen Änderungen der Ökosysteme in den jeweiligen Lebensräumen warnen.

"Wenn die Schlangen fehlen, gerät das Gleichgewicht zwischen Räubern und ihrer Beute ins Wanken", sagt Haas. Zudem trügen Schlangen, die etwa Ratten und Mäuse fressen, dazu bei, die Verbreitung gefährlicher Krankheiten wie der Pest zu verhindern, sagt Reading.

Was das Schlangensterben ausgelöst hat, darüber können auch die Autoren nur spekulieren. "Wir glauben, dass es für alle Populationen einen gemeinsamen Grund gibt, weil sich die Vorgänge auf allen drei Kontinenten stark ähneln", schreiben sie. Ganz oben auf ihrer Verdachtsliste steht der Klimawandel, zumal sich die Populationen in allen untersuchten Gebieten im ungewöhnlich heißen Jahr 1998 besonders stark ausdünnten.

Auch wenn die Schlangen selbst gut mit dem Klimawandel zurechtkommen, kann er ihnen indirekt schaden, etwa indem er die Zahl der Beutetiere schrumpfen lässt.

Gefährlicher Wunsch nach exotischen Haustieren

Weitere Ursachen für das Schlangensterben könnten Krankheiten sein. So machen einige Forscher eine Pilzerkrankung dafür verantwortlich, dass in den vergangenen Jahren viele Froschpopulationen ähnlich stark wie die Schlangen dezimiert wurden. Eine weitere Ursache mag die Gier der Menschen nach Accessoires aus Schlangenleder sein.

Angestachelt wird die Jagd auf Schlangen auch durch den Wunsch nach einem exotischen Haustier - das dann oft später wieder ausgesetzt wird. So entstand die Pythonplage in Florida. Zuvor waren viele dieser Tiere aus Asien importiert worden.

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