Archäologie:Mysterien um das Heilige Grab

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War Jesus mit Maria verheiratet? Hatten sie gar einen gemeinsamen Sohn? Was den christlichen Glauben auf eine harte Probe stellen würde, will "Titanic"-Regisseur Cameron jetzt anhand von DNA-Proben im angeblichen Grab von Christus entdeckt haben.

Lars Langenau

Mit Reliquien ist das so eine Sache. Im Kölner Dom sollen die Gebeine der Heiligen Drei Könige liegen, im Hildesheimer Dom jeweils ein Finger der weisen Männer aus dem Morgenland. Im Topkapi-Palast in Istanbul ist die Hand von Johannes dem Täufer ausgestellt und ein Teil seiner Schädeldecke. Sein vollständiges Haupt wiederum wird in der Omajaden-Moschee in Damaskus verehrt.

Die Grabeskirche in Jerusalem. (Foto: Foto: dpa)

Die Windel des Heilands ist in der Schatzkammer des Aachener Doms zu bewundern - und sein Leichentuch gleich in mehreren Orten. Allein mit den in katholischen Kirchen aufbewahrten Holzsplittern des Kreuzes von Jesus sollen weltweit mehrere Galeeren zu bauen sein. So ähnlich verhält es sich mit den Nägeln, mit denen er ans Kreuz genagelt wurde.

Als Entdeckerin des überwiegenden Teils dieser wundersamen Dinge gilt die Heilige Helena. Die Mutter von Konstantin dem Großen - dem Begründer des Oströmischen Reiches - lebte bis 330 nach Christus. Heute gilt sie als eine der ersten Pilgerreisenden. Bei einer Tour nach Jerusalem im Jahre 300 fand sie zielsicher das Grab des Erlösers - und ließ darauf eine Kirche errichten.

1700 Jahre später stellt sich in die Reihe von Helenas geistigen Ahnen der dreifache Oscar-Preisträger James Cameron ("Titanic"). Gemeinsam mit dem israelisch-kanadischen Dokumentarfilmer Simcha Jacobovici will er in Jerusalem einen Sarg aus Kalkstein gefunden haben, der eine wahre Sensation wäre - wenn denn alles stimmt, was die beiden behaupten.

In ihrem Film heißt es unter anderem, Jesus Christus sei in einer vor 17 Jahren im Jerusalemer Stadtteil Talpiot entdeckten Grabhöhle bestattet worden - an der Seite seiner angeblichen Frau Maria Magdalena und eines gemeinsamen Sohnes namens Judah.

Auf der Pressekonferenz in New York musste sich Cameron jetzt den Vorwurf anhören, mit seinem Film stelle er die Grundlagen des christlichen Glaubens in Frage.

Er konterte: Anhand von DNS-Analysen zeige der Film vielmehr "zum ersten Mal greifbare, physische Beweise" für die Existenz Jesu und stütze dadurch die biblische Erzählung. "Wir haben konkrete archäologische und forensische Hinweise dafür", betonte Cameron. "Jede Tatsche wurde doppelt, dreifach und vierfach gecheckt", sagte Jacobovici.

Camerons Film soll am Karfreitag (6. April) in Deutschland vom privaten Fernsehsender ProSieben gezeigt werden. Vorab präsentierten die Filmemacher schon mal zwei schmale Särge aus Kalkstein. Die Steinsärge waren mit acht weiteren Särgen von einer israelischen Behörde eingelagert worden.

Einige Forscher ziehen wegen der Einkerbungen auf den Sarkophagen den Schluss, dass es sich bei der Höhle tatsächlich um die Grabkammer von Jesus handeln könnte. Auf sechs der zehn Särge sei zu lesen: "Jesus, Josephs Sohn" sowie "Judah, Sohn von Jesus" und "Maria" (zwei Mal).

Die sich darin befindlichen Knochen wurden allerdings später umgebettet. Trotzdem könne man noch DNS-Spuren auf dem Boden der Särge finden, sagte Jacobovici. Cameron und Jacobovici ließen eigenen Angaben zufolge Überreste des Erbgutes aus dem Jesus-Sarg sowie aus dem Sarg, den sie Maria Magdalena zuordnen, von einem Speziallabor an der Lakehead-Universität in Kanada analysieren.

Die Untersuchung ergab, dass beide nicht verwandt waren. Da in Grabhöhlen normalerweise Familienangehörige bestattet wurden, folgerten die Filmautoren, dass Jesus und Maria ein Ehepaar gewesen sein könnten. Judah wäre demnach ihr Sohn. "Ich bin kein Archäologe oder Bibelforscher", sagte Regisseur Cameron. "Aber als Dokumentarfilmer darf ich nicht davor zurückscheuen, die Wahrheit zu sagen."

Der angebliche Sensationsfund hat unter Archäologen und Religionswissenschaftlern inzwischen eine heftige Debatte ausgelöst. Kritiker wie der Experte für das Neue Testament an der Universität Leiden (Niederlande), Professor Jürgen Zangenberg, bezeichnen die dem Film zugrunde liegende Theorie als unrealistisch. In "The Burial Cave of Jesus" (Die Grabhöhle von Jesus) gehe es nicht um wissenschaftliche Erkenntnisse. "Hier geht es um Geld und um Schlagzeilen", sagte Zangenberg.

Auch in Israel ist die Bedeutung der Höhle umstritten. Einer der führenden israelischen Archäologen, Professor Amos Kloner, sagte: "Es ist eine sehr schöne Geschichte, aber es gibt keinen Beweis dafür", dass es sich wirklich um die Ruhestätte von Jesus handelt. Kloner wies die Schlussfolgerungen als völlig haltlos zurück.

"Man kann nicht einfach eine religiöse Erzählung nehmen und versuchen, sie in Wissenschaft umzuwandeln", sagte er. Er gehe weiter davon aus, dass die Grabkammer von Talpiot die Überreste einer wohlhabenden Familie aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert enthalte. Die Namensgleichheit mit Figuren des Neuen Testaments sei rein zufällig.

Aus Sicht des Religionsforschers Jürgen Zangenberg fehlt der Beweis, dass die Gebeine Jesu jemals in eine Steinkiste, ein sogenanntes Ossuarium, gelegt wurden. "Nach den Berichten der Evangelien wurde Jesus in ein Grab gelegt. Dann verschwand die Leiche", sagte er. Es gebe keinen Beweis für eine damals übliche Sekundärbestattung, bei der später die Knochen von Toten in eine steinerne Kiste gelegt wurden.

Als reine Vermutung bezeichnete Zangenberg auch den Schluss, Jesus und Maria Magdalena müssten verheiratet gewesen sein. Die DNS-Analyse der in den beiden Kisten gefundenden Knochen zeige lediglich, dass die beiden Toten nicht miteinander verwandt waren, mehr nicht. "Es werden Vermutungen aufgestellt, daraus werden Fakten gemacht und darauf werden neue Vermutungen aufgestellt", sagte er.

Auch die Namenskombination auf den steinernen Knochenkisten ist für den Religionswissenschaftler kein Beweis. "Die Namenskombination kann damals viel häufiger vorgekommen sein", sagte Zangenberg. Die Auswahl der Namen sei damals sehr klein gewesen: "Jesus ist wie Hans oder Kurt."

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