Etrusker:Archäologen entdecken gefesseltes Skelett

In einem etruskischen Grab haben Archäologen ein gefesseltes Skelett ausgegraben. Wer war der Mann in Ketten?

Von Esther Widmann

Nicht nur die Römer verurteilten Menschen zu einem Leben in Ketten: In einem Grab in der etruskischen Siedlung Fufluna, dem modernen Populonia in der Toskana, haben der Archäologe Giorgio Baratti von der Universität Mailand und seine Helfer das Skelett eines Mannes gefunden, der an Knöcheln und Hals Fesseln trägt. Warum er so bestraft wurde, ist noch unklar. Der junge Mann wurde in einer Grube auf dem Rücken liegend bestattet, die Knöchel mit sehr gut erhaltenen und mehr als zwei Kilo schweren Eisenringen aneinandergefesselt.

Unter dem Genick war der Abdruck eines Objektes zu erkennen, das vielleicht aus Holz bestand, und in der Nähe des Schädels lag ein eiserner Halsring. Grabungsleiter Baratti vermutet, dass der Halsring und die Fußfesseln mit einem Riemen aus vergänglichem Material verbunden waren. Aber warum? "Wahrscheinlich handelt es sich um einen Sklaven", sagt er.

Die Etrusker, die heute vor allem für ihre farbenfroh ausgemalten Grabanlagen bekannt sind, darf man sich nicht friedfertig vorstellen. Ebenso wie die Griechen und die Römer hielten sie Sklaven. "Das konnten sowohl Italiker als auch Ausländer sein, auch Griechen - manchmal kann man das über den Vornamen feststellen", erklärt Martin Bentz, der als Professor für klassische Archäologie an der Universität Bonn die Etrusker erforscht. Eine DNA-Analyse soll bald klären, ob der Gefesselte aus Italien oder von weiter weg stammte.

Baratti zufolge wurde er wahrscheinlich im 5. oder 6. Jahrhundert vor Christus begraben. "In dieser Zeit gab es zahlreiche Konflikte mit den Griechen und auch Überfälle von Piraten - vielleicht besteht da eine Verbindung", sagt er. Vielleicht musste der Gefesselte aber auch als Sklave in den Eisenminen auf der Insel Elba arbeiten, die die Bewohner von Fufluna kontrollierten. Aus einer griechischen Silbermine sind ähnliche Knöchelringe bekannt. In einem etruskischen Grab ist es dagegen das erste Mal, dass menschliche Überreste mit Fesseln aufgetaucht sind. Darstellungen sind aber bekannt. "In Grabmalereien in Vulci kommen gefangene Soldaten vor, und es gibt Bleistatuetten Gefesselter mit eingeschriebenem Namen, die vermutlich ähnlich wie Voodoo-Püppchen funktionierten", erklärt Bentz. "Und in Tarquinia gibt es die Darstellung eines Spiels namens 'Phersu', bei dem ein gefesselter Mann mit Kapuze über dem Kopf gegen Hunde kämpfen muss."

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