Archäologie in Afghanistan:Chinesischer Bergbau bedroht Kulturstätte

Angriffe der Taliban gefährden die Archäologen, die im Süden von Kabul die Ruine eines 1500 Jahre alten buddhistischen Klosterkomplexes freilegen. Allerdings ist die Anlage selbst ebenfalls bedroht: Eine chinesische Firma will ausgerechnet hier Kupfer abbauen.

Andrew Lawler

Die Raketen, die Taliban-Kämpfer von der Schulter abgeschossen hatten, schlugen nur wenige hundert Meter von den Ruinen ein. Zuvor hatte eine Landmine zwei afghanische Helfer schwer verletzt, die mit dem internationalen Archäologenteam in Mes Aynak zusammenarbeiteten.

Archäologie in Afghanistan: Ausgrabungen in Mes Aynak, einem früheren buddhistischen Klosterkomplex, sind gefährdet durch die Bodenschätze unter der Anlage.

Ausgrabungen in Mes Aynak, einem früheren buddhistischen Klosterkomplex, sind gefährdet durch die Bodenschätze unter der Anlage.

(Foto: AFP)

Die Forscher legen dort, auf einem Hügel 40 Kilometer südlich von Kabul, die Überreste eines einmaligen, 1500 Jahre alten buddhistischen Klosterkomplexes frei.

Aber viele der Altertumsforscher sehen die Explosionen und Angriffe gar nicht mal als die größte Gefahr für die Ansammlung von Stupas - also religiösen Denkmälern -, Tempeln und Werkstätten. Bedrohlicher ist ihrer Ansicht nach die vom Westen gestützte Regierung: Diese will die Forscher am Ende dieses Jahres aus dem Zentrum der Fundstätte vertreiben, damit chinesische Minenarbeiter an die reiche Kupferader unter den Statuen und Gemälden gelangen.

Die Bergwerksfirma China Metallurgical Group hat 3,5 Milliarden Dollar für die Schürfrechte geboten. Ihr Vertrag mit der Regierung wurde bereits 2007 unterzeichnet und soll dem Land dringend benötigtes Geld in die Kasse spülen. Aber nachdem die Pläne, die Ruinen zu sprengen, einen internationalen Aufschrei ausgelöst hatten, bekamen die Archäologen in Mes Aynak 2009 drei Jahre Aufschub für ihre Arbeit.

Die Ausgrabungen haben aber immer wieder unter Verzögerungen und Sicherheitsproblemen gelitten. Das Team habe unter den Umständen sein bestes getan, sagen externe Fachleute. Aber sie fürchten, dass entscheidende Entdeckungen unterbleiben, wenn die Altertumsforscher abziehen und die Anlage beim Minenbau zerstört wird. "Es wäre von großem historischen Wert nicht nur für Afghanistan, sondern für die ganze Region, wenn die Kollegen sich Zeit nehmen, ausgraben und die Funde sauber dokumentieren könnten", sagt Deborah Klimburg-Salter von der Universität Wien.

Das Projekt in Mes Aynak wurde mit acht Millionen Dollar von der Weltbank unterstützt und wird vom afghanischen Bergbauministerium beaufsichtigt. Die Forscher haben zahlreiche Gebäude mit mehr als 1000 Statuen, religiösen Texten und seltenen Holzornamenten gefunden. Die Relikte erlauben einen beispiellosen Blick in das soziale und religiöse Leben der Mönche, Handwerker und Bergleute, die schon damals Kupfer gewonnen haben. "Es wird unser Bild vom Buddhismus in dieser Region umwerfen", sagt Philippe Marquis, Leiter der französischen archäologischen Mission in Afghanistan. Jonathan Kenoyer von der University of Wisconsin in Madison, der Mes Aynak im August besucht hat, ergänzt: "Dies ist eine sehr wichtige Anlage voll mit Stupas und Schlacke aus der Erzverhüttung, sie war befestigt und geschäftig. Sie hat mich umgeworfen."

Marquis und Omar Sultan, ehemaliger afghanischer Vizeminister für Kultur und selber Archäologe, betonen beide, dass die Forschungsarbeiten im Zentrum der Anlage rechtzeitig bis zum Ende des Jahres fertig wären. Andere bestreiten das: Das Grabungsteam habe nur die nötigsten Arbeiten geschafft, zum Beispiel die gefundenen Statuen für eine Restaurierung abzutransportieren.

Keine andere Wahl als Notausgrabungen

Gehe es so zu Ende, klagt der frühere Koordinator der Arbeiten, der Niederländer Hans Curvers, "werden sich die Kunsthistoriker über viele Statuen und Gemälde freuen, aber wir wissen nichts mehr über den Kontext, aus dem sie stammen". Kenoyer stimmt zu: "Sie sind noch nicht fertig. Gerade vergangene Woche haben sie 16 neue Stupas gefunden. Und sie haben nicht einmal damit begonnen die wichtigste Periode zu untersuchen, die prähistorische Zeit." Er vermutet, dass Mes Aynak oder Minen in der Nähe schon 2000 vor Christus die Zivilisation im Indus-Tal mit Kupfer versorgt haben könnten.

Archäologie in Afghanistan: Archäologen arbeiten an den Resten buddhistischer Statuen in Mes Aynak. Hier will eine chinesische Firma ebenfalls graben - allerdings nach Kupfer.

Archäologen arbeiten an den Resten buddhistischer Statuen in Mes Aynak. Hier will eine chinesische Firma ebenfalls graben - allerdings nach Kupfer.

(Foto: AFP)

Der Konflikt zwischen dem historischen Erbe des Landes und seinen zukünftigen Bedürfnissen wird durch bürokratische Wirren noch verschärft. Curvers zum Beispiel wurde im Jahr 2011 mit einem Ein-Jahres-Vertrag angestellt, die Arbeiten zu koordinieren. Aber nachdem er sich über Probleme etwa bei der Bezahlung der Arbeiter beschwert hatte, wurde er gefeuert und durch einen Briten ersetzt. Unter dessen Leitung klagen die Arbeiter aber weiterhin über Rückstände beim Lohn, berichtet Kenoyer.

Marquis räumt ein, dass die Arbeiten langsam begonnen haben und von Komplikationen behindert wurden. "Wir haben erst in den vergangenen vier Monaten die ganze Ausrüstung bekommen, die wir brauchen", sagt er. "Wir hatten keine Wahl, als Notausgrabungen zu machen." Er hofft, dass das Ministerium zustimmt, das für den 1. Januar festgelegte Ende zu verschieben. "Es ist doch offensichtlich, dass der Bergbau frühestens im einem Jahr beginnt, oder vielleicht auch erst in zwei. Daher hoffen wir, dass sie den Archäologen mehr Zeit geben." Außerdem läge mehr als die Hälfte der Ruinen außerhalb des zentralen Areals, aber noch innerhalb des schwer bewachten Zauns. Diese Ausgrabungsstätten blieben auf jeden Fall zugänglich. Die Weltbank habe auch schon weitere vier Millionen Dollar dafür bereit gestellt.

Doch die Raketenangriffe im August auf das chinesische Lager in der zentralen Zone haben vieles durcheinander gebracht. Die Chinesen verließen das Gelände zunächst. Das Albtraum-Szenario wäre, darin stimmen Marquis und Kenoyer überein, wenn die Bergbaufirma nicht mehr für die Sicherheit bezahlen würde. Etwa 2000 afghanische Wachleute sind dort derzeit angestellt. Wenn sie nicht mehr kämen, würde Mes Aynak vermutlich von Raubgräbern überrannt. Die vielen schönen Objekte erzielen hohe Preise auf dem Kunstmarkt. "Wenn es kein Bergwerk gibt, wird die Anlage geplündert", sagt Marquis, "und wenn es eines gibt, wird sie zerstört. Das einzige, was wir sicher wissen ist, dass sie dem Untergang geweiht ist."

Dieser Text ist in der aktuellen Ausgabe von Science erschienen, dem internationalen Wissenschaftsmagazin der AAAS. Weitere Informationen: www.aaas.org, www.sciencemag.org. Dt. Bearbeitung: cris

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