Archäologie:Uralte Hundebilder verblüffen Archäologen

Hunde

Halten die zwei angeleinten Hunde in dieser Darstellung den Löwen in Schach?

(Foto: Maria Guagnin et.al./Journal of Anthropological Archaeology)
  • Schon vor 9000 Jahren lebten auf der Arabischen Halbinsel Menschen eng mit Hunden zusammen. Die Tiere wurden zur Jagd abgerichtet.
  • Darauf deuten uralte Felszeichnungen auf Höhlenwänden hin, die Forscher analysiert haben.
  • Darunter ist auch die älteste Darstellung von Hunden an einer Leine.

Von Hubert Filser

Ein Herrchen mit zwei Hunden an der Leine - das könnte aus heutiger Sicht ein niedliches Bild abgeben, das man auf sozialen Medien postet. Auf Felswänden an zwei entlegenen Orten in der Arabischen Wüste wurden nun solche Motive gefunden, die bereits deutlich früher entstanden. Mit einem Alter von bis zu 9000 Jahren sind es die ältesten bekannten Darstellungen von Hunden an der Leine, berichten Forscher von den Max-Planck-Instituten für Menschheitsgeschichte in Jena und Evolutionäre Anthropologie in Leipzig im Fachmagazin Journal of Anthropological Archaeology.

Von der Hüfte eines Mannes gehen deutlich erkennbar zwei Leinen zum Hals der beiden Hunde. Insgesamt 1400 sogenannte Petroglyphen mit 6600 Tieren haben die Forscher auf Felswänden der Arabischen Halbinsel entdeckt, darunter die weltweit frühesten Bilddokumente der Kameradschaft von Mensch und Hund. Es sind die Nachweise dafür, dass schon vor 9000 Jahren im heutigen Saudi-Arabien domestizierte Hunde lebten und dem Menschen bei der Jagd halfen.

Realistische Beschreibungen, wie Menschen damals auf die Jagd gingen

Erst jüngst hatten Forscher im Rahmen des saudischen Palaeodeserts Project die Felsbilder in der Nähe eines ausgetrockneten Flussbetts in einem Lavafeld bei Shuwaymis dokumentiert. Die Zeichnungen am zweiten Fundort Jubbah unweit einer alten Oase in der Nefud-Wüste finden sich an den Steilhängen mehrerer Hügel oberhalb eines ausgetrockneten urzeitlichen Sees. "Beduinen aus der Gegend kannten die Bilder wohl immer schon", sagt die Max-Planck-Forscherin Maria Guagnin, Hauptautorin der Studie.

Dass die Bilder derart alt sind, war zunächst unklar. Felsbilder zu datieren ist nicht einfach. Es ist in der Regel nur indirekt möglich. Die Forscher nutzten zum einen die Inhalte der Bilder, die in unterschiedlichen Epochen entstanden sind. An einer Stelle sind ausschließlich Jagdszenen mit wilden Tieren zu sehen, an einer anderen hüten die Hunde bereits Kuh- oder Schafherden. Die Forscher gehen davon aus, dass die Wildtierszenen entstanden sind, als die Menschen noch Jäger- und Sammler waren. Kuh, Schaf und Ziege wurden erst vor rund 8800 Jahren auf der Arabischen Halbinsel eingeführt, entsprechend älter müssten die Wildtierszenen sein. In Jubbah gibt es nahe der Felswände auch noch Siedlungsreste, die sich datieren lassen, daher die 9000 Jahre.

Die Bilder selbst sind sehr plastisch gestaltet. Es scheint sich dabei nicht in erster Linie um symbolische Darstellungen von Tieren zu handeln wie oft in europäischen Steinzeithöhlen, sondern um eher realistische Beschreibungen, wie Menschen mit ihren Hunden auf die Jagd gingen. Dramatische Szenen sind darunter wie jene mit 21 Hunden, die ein Pferd mit seinen Fohlen umzingelt haben. "Es ist herzzerreißend zu sehen, wie die Jungtiere angegriffen werden", sagt Guagnin. Knapp 150 typische Jagdszenen finden sich unter den Felsbildern. Mal halten die Hunde darauf Löwen oder Leoparden in Schach, mal kreisen sie wilde Gazellen oder Antilopen ein, damit die Jäger dann die Tiere mit Pfeil und Bogen erwischen können. "Es scheint, dass große Tiere anders gejagt wurden als kleine und schnelle", sagt Maria Guagnin. "Große Tiere wurden von den Hunden umringt und vom Jäger getötet, kleinere von den Hunden gejagt und den Bildern nach zu urteilen auch erlegt."

"Die Bilder zeigen, wie viel Kontrolle diese Jäger über ihre Hunde hatten."

Die Jagdszenarien lassen Rückschlüsse auf die einstige Bedeutung von Hunden zu, Informationen, die archäologische Befunde wie Knochen niemals liefern könnten. Aus ethnografischen Vergleichen lassen sich auch die Bilder mit den Hunden an der Leine erklären. Sie zeigen, dass oft Spürhunde zunächst die Fährten von Beutetieren aufspüren und dann während der eigentlichen Jagd an die Leine genommen werden, um die wertvollen Tiere dann zu schützen.

"Junge Hunde, die noch nicht ausgebildet sind, laufen oft an der Leine", sagt Guagnin. "Die Bilder zeigen, wie viel Kontrolle diese Jäger über ihre Hunde hatten." Und noch mehr: Offenbar jagten die Menschen im Neolithikum verschiedene Wildtiere jeweils auch mit unterschiedlich vielen Hunden. Die große Zahl der abgebildeten Hunde zeigt zudem, dass die Tiere gezielt gehalten und trainiert wurden. Es handelte sich also nicht um einzelne, wild lebende Tiere, die als Kulturfolger rund um menschliche Siedlungen lebten und von den Essensresten angezogen wurden. Die Jäger nutzten ihre besten Freunde gezielt für unterschiedliche Zwecke, als Spür-, Jagd- und Hütehunde.

Die Felsbilder sind in ihren Konturen so exakt gezeichnet, dass die Archäologen sogar die Rasse der Tiere ablesen können. Alle Hunde haben große Ähnlichkeit miteinander - sie haben den gleichen Körperbau, einen aufgestellten Schwanz und auch Markierungen im Fell, wie sie typischerweise bei Kanaan-Hunden im heutigen Israel beobachtet werden. Die prähistorische Szenerie ließe sich dort quasi mit Original-Personal nachstellen.

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