Antibiotika in der Tiermast:Chinas gedopte Schweine

Antibiotika in Chinas Schweineställen

Mit den Schweinen können resistente Keime reisen.

(Foto: AFP)

Der Fleischhunger in China wächst und mit ihm der Antibiotika-Verbrauch in den Ställen. Fast die Hälfte aller im Land hergestellten Antibiotika werden in der Tiermast eingesetzt. Das könnte Folgen für die ganze Welt haben.

Von Katrin Blawat

Wie das Schwein besonders schnell wächst? Indem es vorbeugend Antibiotika bekommt. Wo das nicht ausdrücklich verboten ist, nutzen Betreiber von Mastställen den Nebeneffekt der Medikamente meist nach Kräften aus. So offenbar auch in China, wo der Fleischbedarf der Bevölkerung seit Jahren steigt. Dort landet fast die Hälfte der 210.000 Tonnen Antibiotika, die das Land jedes Jahr produziert, in der Viehhaltung. Wer in China Antibiotika verfüttern will, den hindern so gut wie keine Verbote.

Das hat Folgen - vielleicht sogar weltweit. In Zeiten, in denen Lebensmittel um den halben Globus zum Verbraucher reisen, können in chinesischen Mastställen eingesetzte Antibiotika und die damit verbundenen Resistenzen auch zum Problem für Konsumenten in anderen Erdteilen werden. Etwa dann, wenn antibiotikaresistente Bakterien - oder deren Gene, die für die Unempfindlichkeit verantwortlich sind - aus den Ställen in die Umwelt gelangen.

In welchem Ausmaß das geschieht, zeigt nun eine molekulargenetische Untersuchung von Gebieten rund um vier große Schweinemastbetriebe in China. Die Böden dort enthielten besonders viele Erbgutbestandteile, die Mikroben unempfindlich gegen Antibiotika machen, hat ein Team von Mikrobiologen um James Tiedje von der Michigan State University ermittelt (PNAS, online). Die Forscher entdeckten 149 verschiedene Erbanlagen, mit deren Hilfe Bakterien gegen fast alle wichtigen Antibiotikaklassen resistent werden können. Diese Gene kamen rund um die Farmen in bis zu 28.000 Mal so hoher Konzentration vor wie in Vergleichsgebieten, wo keine Antibiotika im Umlauf waren.

Wie die Erbanlagen in die Böden gelangt sind, lässt sich leicht nachvollziehen. Zum einen enthält der Kot der Schweine, der später als Dünger auf die Feldern gelangt, Bakterien aus dem Darm der Tiere. Diese Mikroben können die Resistenzgene bereits in sich tragen. Zum anderen befinden sich in der Gülle Rückstände der Arzneistoffe, die ebenfalls in den Boden gelangen.

Auch die Zahl der Massenzuchtbetriebe wächst

Dort fördern sie die Entwicklung neuer resistenter Bakterien, da die Mikroben häufig Teile ihres Erbguts austauschen. So können sich Resistenzgene im Boden schnell anreichern. Von dort reisen sie weiter, dringen ins Grundwasser ein, verbreiten sich über Flüsse Hunderte Kilometer weit - und mit dem Gemüse, das auf den gedüngten Feldern wächst, möglicherweise sogar über Kontinente hinweg. Das Fleisch von Tieren, die Antibiotika erhalten haben, stellt einen weiteren globalen Verbreitungsweg dar.

Verschärft wird das Problem in China durch den wachsenden Fleischhunger. Im Jahr 2012 verzehrte jeder Bewohner des Landes im Mittel knapp 39 Kilogramm Schweinefleisch, sowie 14 Kilogramm Geflügel und fünf Kilogramm Rind. 1980 hingegen aßen die Chinesen 20 Kilo Fleisch pro Kopf und Jahr, rund zehn Jahre zuvor sogar nur um die fünf Kilo. Um den steigenden Appetit zu stillen, produzierte das Land im Jahr 2010 gut 50 Millionen Tonnen Schweinefleisch - geliefert von fast 670 Millionen geschlachteten Tieren.

"Fleisch hängt in China eng mit dem Prestige zusammen", erklärt der Regensburger Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder die neuen Ernährungsgewohnheiten. "Wir kennen das Muster, wonach der Wohlstand einer Gesellschaft direkt mit ihrem Eiweißkonsum zusammenhängt. Wächst der Wohlstand, werden stets die Produkte überproportional nachgefragt, die zuvor Mangelware waren."

So steigt in China auch die Zahl der Massenzuchtbetriebe. 2011 betrug deren Anteil zwar nur etwa 30 Prozent, heißt es in einer "Zielgruppenanalyse" des deutschen Landwirtschaftsministeriums. Doch wenn in China Wirtschaft und Fleischhunger weiter wachsen, wird auch die Zahl der fabrikähnlichen Mastbetriebe zunehmen - und damit das Problem der Antibiotikaresistenzen. Je mehr Tiere auf engem Raum leben, umso größer ist für die Versuchung, vorsorglich Medikamente zu geben.

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