Mikrobiom:Neues Antibiotikum in der menschlichen Nase entdeckt

Forscher haben in der Nasenschleimhaut ein Bakterium entdeckt, das ein unbekanntes Antibiotikum produziert. Es könnte gegen Krankenhauskeime eingesetzt werden.

Von Kai Kupferschmidt

Wäre Andreas Peschel ein Bakterium, er würde nicht in der Nase eines Menschen leben wollen. "Da gibt es nichts, nur eine salzige Flüssigkeit und winzige Mengen Nährstoffe", sagt der Mikrobiologe von der Universität Tübingen. Doch so öde ein Dasein auf der Schleimhaut wäre, so interessant sind doch die Keime, die dort zu finden sind. Gerade im harten Konkurrenzkampf um einen kargen Lebensraum entfaltet sich der Einfallsreichtum der Evolution, meint Peschel. Dass er mit dieser Vermutung recht hat, beweist nun das Fachblatt Nature. In dessen aktueller Ausgabe präsentiert Peschels Team eine erstaunliche Entdeckung: Ein neues Antibiotikum, das von einem Bakterium in der Nase hergestellt wird.

Die Nase eines Menschen ist ähnlich wie der Darm oder die Haut eine Heimat für zahlreiche Mikroben. Nicht alle sind ungefährlich. Etwa jede dritte Nase ist von Staphylococcus aureus kolonisiert, ein Bakterium, das meist harmlos ist, aber schwere Krankheiten verursachen kann, wenn es zum Beispiel in eine Wunde gelangt. Eine resistente Variante, MRSA genannt, ist ein gefürchteter Krankenhauskeim.

Peschel und seine Kollegen wollten verstehen, warum manche Menschen so einem Keim in sich tragen und andere nicht. Darum untersuchten sie, wie gut sich S. aureus mit 90 weiteren Stapyhlococcus-Bakterien verträgt, die ebenfalls in Nasen vorkommen. Tatsächlich hinderte eine dieser Bakterienarten, Staphylococcus lugdunensis, das Wachstum von S. aureus mittels eines selbstgemachten Antibiotikums.

Die Forscher isolierten diese Substanz, tauften sie Lugdunin und synthetisierten sie im Labor. Wie der Stoff genau wirkt, ist noch unklar, aber mit seiner Hilfe gelang es den Forschern, das Wachstum von S. aureus im Labor zu bremsen und Hautinfektionen bei Mäusen zu heilen. Auch in der Nase des Menschen entfaltet Lugdunin offenbar solche Wirkung. Die Forscher untersuchten die Nasenflora von 187 Krankenhauspatienten. 60 von ihnen trugen S. aureus und 17 trugen S. lugdunensis. Nur bei einem einzigen Patienten fanden sich beide Arten gleichzeitig.

"Das beweist, dass in unserem Körper ein Krieg der Keime tobt", sagt Jack Gilbert, der an der University of Chicago forscht. Mikroben wie S. lugdunensis könnten eine wichtige Quelle für neue Antibiotika sein, schwärmt er. Andere Forscher sind vorsichtiger. "Das ist eine coole Entdeckung", sagt Peer Bork vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg. Sollte der Mensch eine Keimart ausrotten, könnte das aber Nachteile haben. "Das könnte Bakteriengemeinschaften zerstören, die über lange Zeiträume entstanden sind", warnt er.

Tatsächlich kann auch S. lugdunensis manchmal zu Infektionen führen. Darum ist die Vorstellung, nun alle Menschen mit diesem Keim zu versehen, einer Art Probiotikum für die Nase, ethisch nicht vertretbar. Peschel und seine Kollegen hoffen allerdings, Lugdunin mit einer Pharmafirma zum Medikament weiterentwickeln zu können. Das Entscheidende sei jedoch nicht die neu entdeckte Substanz, sondern die Tatsache, dass es in der Nase wahrscheinlich noch viel mehr zu entdecken gibt, sagt Peschel. "Ich bin mir sicher, dass wir dort neue Medikamente finden werden."

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