Amazonien:Ökologische Wüsten statt Dschungel

Weil Palmöl lukrativ ist, soll der brasilianische Regenwald den Ölpalmen weichen. Das könnte dramatische Folgen haben.

Daniel Lingenhöhl

Naturschützer haben es schon lange befürchtet: Im südamerikanischen Amazonasgebiet sollen bald in großem Maßstab Ölpalmen angebaut werden. "Palmöl ist unser grünes Erdöl", sagt beispielsweise der brasilianische Senator Flexa Ribeiro.

Amazonien: Ölpalmen speichern weniger Kohlenstoff als ein intakter Regenwald. Die Umwandlung von Urwald in Plantagen trägt damit zur Erderwärmung bei.

Ölpalmen speichern weniger Kohlenstoff als ein intakter Regenwald. Die Umwandlung von Urwald in Plantagen trägt damit zur Erderwärmung bei.

(Foto: Foto: dpa)

Der Politiker treibt Änderungen in den Waldschutzgesetzen des Landes voran, die den Anbau der Ölpalme erleichtern sollen. Aus dem Fleisch ihrer Früchte wird Palmöl gewonnen, das zum Kochen, in Kosmetika und als Kraftstoff zur Stromerzeugung eingesetzt wird. Der Anbau lohnt sich: Eine Tonne Palmöl kostet derzeit etwa 320 Euro, zu Hochzeiten waren es sogar knapp 700 Euro.

Bislang dürfen Landbesitzer in Brasilien nur 20 Prozent ihrer Ländereien roden. Nun soll die Abholzung eines weiteren Drittels erlaubt werden, sofern die Flächen anschließend mit Ölpalmen oder Eukalyptusbäumen bepflanzt werden.

Die Auswirkungen für die Artenvielfalt und den Klimaschutz könnten nach Einschätzung von Umweltschützern dramatisch sein: "Palmöl-Plantagen sind ökologische Wüsten, in denen nur wenige Tiere überleben", sagt William Laurance vom Smithsonian Tropical Research Institute in Panama.

Das zeigt auch die Entwicklung auf der Insel Borneo, wo nach einem aktuellen Bericht der Naturschutzorganisation WWF jedes Jahr tropischer Regenwald auf einer Fläche halb so groß wie Mecklenburg-Vorpommern abgeholzt wird - hauptsächlich um Plantagen für Ölpalmen zu errichten. Bis zum Jahr 2020 ist der Regenwald nach den Berechnungen der Umweltschützer wohl verschwunden und mit ihm die etwa 50.000 Orang-Utans, die heute noch dort leben.

"Ölpalmen speichern sehr viel weniger Kohlenstoff als intakter Regenwald", sagt Laurance. Netto trage die Umwandlung von Urwald in Plantagen also zur Erderwärmung bei. David Tilman von der Universität von Minnesota in St. Paul teilt diese Einschätzung: "Nach unseren Berechnungen schneidet Palmöl aus Südostasien, aber auch Treibstoff aus brasilianischem Soja miserabel ab."

Enorme Mengen von Kohlendioxid

Das Abbrennen der ursprünglichen Vegetation setze enorme Mengen von Kohlendioxid frei. Erst nach 423 beziehungsweise 319 Jahren ununterbrochener Spritproduktion auf den ehemaligen Waldflächen sei die Kohlendioxid-Bilanz wieder ausgeglichen.

Fast die Hälfte Amazoniens sei für den Anbau von Ölpalmen geeignet, schätzt Laurance. Brasilien verfüge mit einer potentiellen Anbaufläche von 2,3 Millionen Quadratkilometern über die weitaus größten Landreserven für dieses Geschäft. Noch spielt Palmöl eine untergeordnete Rolle in Brasilien, die Jahresproduktion liegt nur bei etwa 190.000 Tonnen - in Indonesien sind es 22 Millionen Tonnen.

Bislang setzt das Land vor allem auf Zuckerrohr und den daraus gewonnenen Alkohol als Energiequelle. Weltweit hat jedoch Palmöl eine größere Bedeutung. In Europa werden ganze Heizkraftwerke damit betrieben.

Da die Landpreise in Brasilien und anderen Teilen Südamerikas deutlich unter jenen in Südostasien liegen, wecken die riesigen Flächen im Amazonasbecken Begehrlichkeiten: "Malaysische Unternehmen drängen massiv mit Geld und Technologie in diese Region", hat Laurance beobachtet. Der brasilianische Zweig der niederländischen Rabobank wirbt um entsprechende malaysische Investoren.

Erste Interessenten gibt es bereits: Zusammen mit dem heimischen Unternehmen Braspalma wollte die malaysische Federal Land Development Authority (Felda) auf 100.000 Hektar Palmöl-Plantagen mitten im Amazonasbecken errichten. Die Ernte sollte vor Ort gleich zu Agrardiesel weiterverarbeitet werden. Nach heftigen internationalen Protesten legte die Felda ihre Pläne zwar vorerst auf Eis.

Doch andere Unternehmen verfolgen das Ziel weiter: Die kanadische Firma Biopalma etwa möchte auf mehreren zehntausend Hektar im Regenwald von Pará Ölpalmen pflanzen; die brasilianische Agropalma hat im gleichen Bundesstaat bereits ein Drittel ihrer Ländereien abgeholzt, um Plantagen anzulegen.

Pflanzung durch Steuererleichterungen fördern

Neben Amazonien haben die Firmen auch den Choco im Visier - ein extrem feuchtes und artenreiches Regenwaldgebiet entlang der ecuadorianischen und kolumbianischen Pazifikküste: Die Landpreise dort sind sehr niedrig, weil die Region als unsicher gilt und sehr feucht sowie dicht bewaldet ist. Um den Choco zu entwickeln, fördert Kolumbien die Pflanzung von Ölpalmen durch Steuererleichterungen.

Brodie Ferguson von der Stanford-Universität in Palo Alto, Kalifornien, hat den Wandel der Landnutzung an Ort und Stelle untersucht. In den vergangenen Jahren hat der Wissenschaftler beobachtet, wie sich die Plantagen auf Kosten des einmaligen Ökosystems ausdehnten. In Ecuador sind sie mittlerweile einer der wichtigsten Gründe für die Abholzung des Choco.

Das Hauptaugenmerk der Unternehmen liegt aber auf Brasilien. In Amazonien könnten Ölpalmen auf ehemaligen Viehweiden oder Sojaäckern angepflanzt werden, argumentieren brasilianische Regierungsstellen. Dafür müssten keine Bäume gefällt werden. Laurance bezweifelt, dass es dabei bleiben wird: "Am lukrativsten ist es, Wald für die Ölpalmen zu roden", sagt er. Mit den Profiten aus dem Holzverkauf ließen sich die aufwendig zu errichtenden und erst nach drei bis fünf Jahren ertragreichen Palmöl-Plantagen am einfachsten finanzieren.

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