Alternative Heilverfahren:Experten: Homöopathie streichen

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Gesundheitsfachleute aus SPD und CDU fordern, die Homöopathie aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zu nehmen, da es keinen wissenschaftlichen Wirkungsnachweis gibt.

Immer mehr Krankenkassen nehmen unter dem Druck der Nachfrage der Patienten Homöopathie in ihren Leistungskatalog auf. So hat etwa die Techniker Krankenkasse (TK) erst im Herbst 2009 Angebot entsprechend ausgeweitet.

Die Wirkung homöopathischer Präparate ist umstritten. Auch nach Hunderten medizinischen Studien gibt es bisher keinen klaren Nutzennachweis für die Mittel, sagt der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses aus Ärzten und Krankenkassen, Rainer Hess. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Doch Experten von SPD und CDU stellen den Sinn der homöopatischen Behandlung nun in Frage.

Nachdem bereits Karl Lauterbach (SPD) im Spiegel gefordert hat, man solle gesetzliche Krankenkassen "verbieten", Homöopathie zu bezahlen, hat nun auch der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn der Berliner Zeitung erklärt, seine Fraktion sei offen für diese Forderung. "Sollte die SPD hier nun gesprächsbereit sein, können wir sie morgen abschaffen."

Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, hatte kritisiert, mehr als die Hälfte aller gesetzlichen Kassen würden die Leistungen von Homöopathen erstatten. "Viele Patienten glauben, die Kassen zahlen nur das, was auch nachweisbar hilft. Deshalb adeln die Krankenkassen mit ihrem Vorgehen die Homöopathie."

Für diese aber gebe es keinen wissenschaftlichen Nachweis für den Nutzen, ergänzte Jens Spahn in der Bild-Zeitung.

Auch der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses aus Ärzten und Krankenkassen, Rainer Hess, hält die jetzige Situation für "extrem unbefriedigend". Es gebe nach Hunderten medizinischen Studien bisher keinen klaren Nutzennachweis für die Homöopathie, dennoch müssen die Krankenkassen sie bezahlen. "Es hat schon viele Anläufe gegeben, die Schutzvorschrift für derartige Mittel zu streichen", kritisierte Hess, "aber einflussreiche Politiker haben dies immer wieder verhindert."

Der künftige Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Jürgen Windeler, sagte dem Spiegel: "Die Homöopathie ist ein spekulatives, widerlegtes Konzept." Bis heute sei nicht erwiesen, dass die Methode einen medizinischen Nutzen habe. "Dazu muss man auch gar nicht mehr weiterforschen, die Sache ist erledigt", sagte Windeler, der am 1. September seinen Posten als oberster Medizinprüfer antritt.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast dagegen erklärte, ihre Partei lehne eine generelle Herausnahme von Naturheilverfahren aus der gesetzlichen Krankenversicherung ab. "Die pauschale Kritik an der Homöopathie verkennt, dass selbst die Schulmedizin in vielen Fällen auf die industrielle Nachahmung von Heilmitteln zurückgreift, die es in der Natur kostenlos gibt."

Die Kritiker der Homöopathie allerdings werfen dieser alternativen Behandlungsmethode gar nicht vor, dass hier Heilmittel verwendet werden, die in der Natur vorkommen. Vielmehr gibt es keinen Wirkungsnachweis über den sogenannten Plazeboeffekt hinaus. Das heißt, die Globuli (Zuckerkügelchen), die alkoholischen Lösungen oder Tabletten wirken nicht besser als Scheinmedikamente. Das Besondere an der Homöopathie ist auch nicht in erster Linie die Verwendung von natürlichen Stoffen, mit denen nach den Vorgaben des Arztes Samuel Hahnemann (1755 - 1843) "Gleiches mit Gleichem behandelt wird - darunter Substanzen wie das Gift der Honigbiene und der Schwarzen Witwe oder die Krätze-Nosode Psorinum (Eiter).

Außergewöhnlich ist vor allem die homöopathische "Potenzierung". Bei dieser "Verstärkung" handelt es sich um eine so starke Verdünnung der Substanzen, dass die Wirkstoffe häufig gar nicht mehr nachweisbar sind. Dass trotzdem eine Wirkung möglich sein soll, erklären Homöopathen manchmal mit einer angeblichen Erinnerungsfähigkeit des Wassers - ein Phänomen, das bislang allerdings genauso wenig nachgewiesen werden konnte wie eine Wirksamkeit der Mittel überhaupt.

Auch die sogenannten Schüßler-Salze sowie die Mittel der Bach-Blütentherapie (z.B. Rescue Tropfen) und etliche "Heilmittel" der anthroposophischen Medizin werden auf eine entsprechende Weise "potenziert".

Homöopathie und Anthroposophische Medizin werden im Sozialgesetzbuch (Fünftes Buch) als "Besondere Therapierichtungen" geführt, die ohne Wirksamkeitsnachweis verordnet werden. Ob die Einsparung der Kosten solcher Behandlungen zu einer wirkungsvollen Entlastung der Krankenkassen führt, ist umstritten. Nch Angaben von Künast stehen die Kosten für Homöopathie in keinem Verhältnis zu den gigantischen Summen, die für Schulmedizin ausgegeben würden. "Wer die Kosten im Gesundheitswesen dämpfen will, sollte sich dort um die großen Mitnahmeeffekte kümmern, die keinen praktischen Nutzen für die Patienten haben."

Der Sprecher des Kassen-Spitzenverbands, Florian Lanz, sagte: "Jetzt passiert, was wir befürchtet hatten: Die Ärzte sollen trotz ihrer Rekordeinnahmen auch im nächsten Jahr wieder eine saftige Honorarerhöhung bekommen und gleichzeitig wird gefordert, für die Versicherten Leistungen zu streichen."

Nicht nur in Deutschland kommt die Homöopathie unter Druck. Bereits im Mai hatte auch die britische Ärztevereinigung British Medical Association auf ihrer Jahreskonferenz gefordert, Homöopathie zu verbieten. Denn, wie Tom Dolphin, der stellvertretende Vorsitzende des Ärzte-Ausschusses der BMA in England erklärte: "Die Homöopathie ist Zauberei." Für ihren Einsatz im öffentlichen Gesundheitssystem dürften nicht die Steuerzahler die Zeche zahlen.

© sueddeutsche.de/dpa/apn/AFP/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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