Alternative Energiequelle:Feuer aus dem Eis

Gefrorenes Methan gilt als Energie der Zukunft. Die Vorräte enthalten wohl mehr Energie als die herkömmlichen Erdgas-Reservoire. Doch die Förderung ist schwierig.

Axel Bojanowski

Eine gelbe Flamme in der kanadischen Wildnis steht für die Hoffnung auf dauerhafte Energiereserven. Methangas lässt die Fackel lodern, der Stoff aus dem die Energie-Träume der Zukunft sind. Es strömt aus unterirdischen Eisschichten über ein Bohrrohr an die Oberfläche.

Alternative Energiequelle: Brennbares Methan, eingeschlossen in gefrorenem Wasser.

Brennbares Methan, eingeschlossen in gefrorenem Wasser.

(Foto: Foto: dpa)

Vielerorts lagert das Gas im Permafrost, meist jedoch auf dem küstennahen Meeresgrund. Die Vorräte der Eisklumpen, der sogenannten Methanhydrate, enthalten wohl mehr Energie als alle herkömmlichen Erdgas-Reservoire zusammen. Nur wusste bislang niemand, wie man das Gas fördern sollte.

An der Nordwestküste Kanadas am Mackenzie-Delta, nahe der Ortschaft Mallik ist es nun gelungen, das Gas testweise für sechs Tage aus dem Permafrost zu saugen, berichteten Forscher jüngst auf einer Tagung in Oslo. "Wir hatten einen steten Gasfluss", sagte Brenda Pierce vom Geologischen Dienst der USA. "Nun werden wir auch an anderen Orten die Energiequelle anzapfen, als nächstes in Alaska."

Wegen der Flüchtigkeit der Substanz scheiterte bislang meist schon die Bergung der Eisklumpen. An eine systematische Gas-Förderung aus dem Eis war kaum zu denken. Weder gelang es, das gefrorene Gas großflächig zu schmelzen, noch es kontinuierlich unter Druck zu setzen, so dass es aufströmen konnte. Der erfolgreiche Test in Mallik zeigt nun jedoch, dass wenigstens an Land der industrielle Abbau des Rohstoffes bald realistisch sein könnte.

Methanhydrat erinnert an Schneematsch. Zündet man es an, brennt es wie der mit Rum getränkte Zuckerkegel einer Feuerzangenbowle. Brennbar ist das enthaltene Methangas. Zwischen Wassereismolekülen ist das Gas wie in einem Käfig auf engsten Raum gezwängt: Ein Eiswürfel von einem Kubikzentimeter lässt beim Schmelzen 164 Kubikzentimeter Gas entweichen.

Damit sich die Energiepakete bilden können, sind besondere Bedingungen erforderlich. Eiskaltes Wasser, hoher Druck sowie reichlich Methangas, das bei der Zersetzung toter Organismen im Meeresboden entsteht, formen das brennbare Eis.

Vor allem dort, wo der Meeresgrund in die Tiefsee abfällt, an den Kontinentalhängen, herrschen entsprechende Bedingungen. Die Tiefsee selbst erreicht dagegen nur wenig organische Substanz, sodass sich dort nicht genügend Methan bilden kann.

Technologie aus Deutschland soll die Methanhydrat-Ausbeutung nun auch im Meer ermöglichen, wo die meisten Vorkommen liegen. Am vergangenen Freitag startete am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar in Kiel das Forschungsprojekt "Sugar", das Förder-Technologie entwickeln soll.

"Die meisten Methanhydrat-Reservoire sind deutlich schwieriger zu erschließen, als das in Mallik", sagt Projektleiter Klaus Wallmann vom IFM-Geomar.

Den größten Suchaufwand betreibt Japan

Doch auch ohne Förder-Möglichkeiten erlebt die Suche nach Methanhydrat bereits Hochkonjunktur. In Asien häufen sich die Meldungen über Entdeckungen großer Methaneis-Vorkommen. In den vergangenen Monaten gaben China und Indien riesige Funde vor ihrer Küste bekannt.

Die wirtschaftlich aufstrebenden Nationen sind entschlossen, mit dem brennbaren Eis einen erheblichen Teil ihres schnell wachsenden Energiebedarfs zu stillen. Chinas Präsident Wen Jiabao ließ sich stolz mit dem begehrten Rohstoff in der Hand fotografieren.

Den größten Suchaufwand betreibt Japan. Doch die Anstrengungen wurden selten belohnt; vor der Küste des Landes liegt offenbar nicht viel Methaneis. Ab einem Ölpreis von 65 Dollar pro Barrel wollte Japan mit der Ausbeutung seiner Vorkommen beginnen.

Dieser Preis wurde inzwischen deutlich überschritten, dennoch wurde ein für nächstes Jahr geplanter Fördertest verschoben, wie auf der Tagung in Oslo bekannt wurde. Nun zieht Japan seinen letzten Trumpf: Das Land schickt das größte Forschungsbohrschiff der Welt, die Chikyu, auf die Suche nach dem Energie-Rohstoff.

Die Erkundungen versprächen keinen durchschlagenden Erfolg, selbst wenn die Chikyu fündig würde, sagte Jean Laherrère in Oslo, der bis zu seiner Pensionierung für die französische Erdölfirma Total nach Energieressourcen gesucht hat. Denn die Methangas-Vorkommen enthielten meist weniger Gas als nach ersten Untersuchungen vermutet wurde.

Feuer aus dem Eis

Tatsächlich erweisen sich angebliche Großreservoire regelmäßig als Fehlschlag. Schuld ist die Erkundungstechnologie. Mit dem üblichen "Durchleuchten" des Untergrundes mittels Schallwellen lässt sich zwar meist erkennen, ob Methangas enthalten ist, aber nicht wie viel.

Selbst Bohrungen geben nur begrenzt Aufschluss über das wahre Potential. Die Menge an Gashydrat kann an wenige Meter nebeneinander liegenden Orten stark variieren, sodass lohnenswerte Lagerstätten nur sehr schwer zu finden sind.

Sogar der nach dem Rohstoff benannte Hydrat-Rücken vor der Westküste der USA war ein Flop - nur ein Prozent des Sedimentes auf dem Unterseeberg bestand aus dem energiereichen Material. Das Eis sei häufig so fein im Sediment verteilt, dass sich ein Abbau nicht lohnte, bestätigt der Geophysiker Alexei Milkov von der Ölfirma BP.

Misstrauen bei den Wissenschaftlern

Entsprechend misstrauisch verfolgen Wissenschaftler den aktuellen Jubel über die angebliche Entdeckung großer Lagerstätten in Asien. Sauber dokumentierte Veröffentlichungen von Methanhydrat-Funden sind selten, Rohstofffirmen halten sie oft geheim.

Über die jüngsten Großfunde in China und Indien etwa sei wenig bekannt, erklärt Jean Laherrère. 300 Meter dick sollen die Schichten vor Indien sein, die Methanhydrat enthalten. Auf Fotos des herausgebohrten Meeresschlamms sei jedoch nur wenig Hydrat zu erkennen, gibt Laherrère zu Bedenken. Wie stark das Eis bereits getaut war, bevor es fotografiert wurde, ist allerdings unbekannt.

Trotz der Skepsis berichten noch immer zahlreiche Regierungsberichte, Forschungsanträge oder Zeitungsartikel von einem gigantischen Methanhydrat-Potential. 10.000 Gigatonnen Kohlenstoff sollen in Methanhydraten weltweit zu finden sein, kolportieren sie seit zehn Jahren - Kohlenstoffverbindungen speichern Energie. Das entspräche mehr als der doppelten Menge aller Erdöl-, Erdgas- und Kohlelagerstätten zusammen. Dabei haben Wissenschaftler die Schätzung längst relativiert.

Geophysiker Milkov - einer der kenntnisreichsten Experten auf dem Gebiet - beziffert die weltweite Kohlenstoffmenge aus Methanhydraten mit 500 bis 2500 Gigatonnen. Kaum ein Forscher glaubt noch an mehr als 3000 Gigatonnen. Doch auch diese Gasmenge übertrifft die Menge an konventionellem Erdgas bei weitem, betont Klaus Wallmann.

Manches Methanhydrat-Lager verspricht offenbar eine Goldgrube. Vor der Amazonasmündung läge möglicherweise ein Vorkommen im Wert von einer Billion Euro, berichtet Wallmann. Mindestens 70 lohnenswerte Lagerstätten gäbe es weltweit, meint selbst der skeptische Meeresgeologe Valery Soloviev von der Universität St.Petersburg, der angesichts des Erkundungsbooms gerne abschätzig von der "Methanhydrat-Mythologie" spricht. An diesen Orten sei der Tiefsee-Bergbau realistisch - allerdings erst in ferner Zukunft, wenn geeignete Fördertechnik entwickelt worden sei, meint Soloviev.

Diese Zeit scheint auf einmal näher gerückt, seit nun im kanadischen Mallik das Gas aus dem Eis gewonnen werden konnte. Es bedurfte einer Spezialbohrung und viel Energie, um das Gas aus dem Untergrund zu pumpen. Dafür wurde warme Luft in den Untergrund gepresst. Sie taute das Eis, das Gas trat aus.

Die Zersetzung kühlt allerdings den Boden, der rasch wieder gefroren wäre, wenn das Wasser nicht stetig abgesaugt worden wäre. Wie groß die Förderrate war, wollen die Forscher erst noch in Fachmagazinen publizieren. Das System funktioniere, der Erdölkonzern BP zeige Interesse an der Übernahme der Förderung, betonte Brenda Pierce in Oslo.

Um Methanhydrate auch aus dem Meeresboden erschließen zu können, wollen Klaus Wallmann und seine Kollegen im Forschungsprojekt "Sugar" nun ein noch komplizierteres Verfahren testen. Kohlendioxid (CO2) soll in den Untergrund gepresst werden. Unter einem bestimmten Druck löst es das Eis und verdrängt das wertvolle Methangas.

Noch hat das System allerdings nur im Labor funktioniert, die ersten Großversuche sollen aber bald folgen. Die Forscher hoffen, mit der Methode nicht nur Methangas zu gewinnen, sondern zudem das Treibhausgas CO2 in der Erde entsorgen zu können - ein mögliches Mittel, um die Erderwärmung zu bremsen.

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