Alternative Energien:Ohne Wind und Sonne

Es ist eine der originellsten Methoden, klimafreundlich Energie zu gewinnen: Osmose-Kraftwerke nutzen unterschiedliche Salzgehalte in anstoßenden Gewässern zur Stromproduktion. Jetzt wurde ein Durchbruch erzielt.

Von Andrea Hoferichter

Ein technischer Durchbruch könnte womöglich die Effizienz sogenannter Osmosekraftwerke deutlich steigern. Forscher der Schweizer École Polytechnique Fédérale de Lausanne und der University of Illinois, USA, haben offenbar mit Erfolg eine extrem dünne Membran getestet. Ließe sich diese in großem Maßstab herstellen, könne jeder Quadratmeter einer solchen klimafreundlichen Osmoseanlage ein Megawatt elektrische Leistung produzieren, berichteten die Forscher kürzlich im Fachjournal Nature. Das sei genug, um 50 000 handelsübliche Energiesparlampen zu betreiben, und eine Million mal mehr, als mit den bisher üblichen Membranen zu erreichen ist.

Osmosekraftwerke wurden bisher nur im Pilotmaßstab getestet, könnten aber künftig an Flussmündungen, Meerwasserentsalzungsanlagen oder Salzwasser-Binnenseen Strom zu jeder Tages- und Jahreszeit liefern - ein Vorteil gegenüber Solar- und Windkraftwerken. Sie arbeiten mit den unterschiedlichen Salzgehalten etwa von Fluss- und Meerwasser, die sich zum Konzentrationsausgleich normalerweise schlicht mischen. Legt man eine Membran dazwischen, lässt sich dieser Prozess steuern und zur Stromproduktion nutzen.

Die Membranen sind üblicherweise aus Kunststoff, haben chemisch maßgeschneiderte Poren und lassen, ähnlich wie ein Filter, je nach Kraftwerkstyp nur bestimmte Teilchen hindurch. Häufig lassen die Ingenieure nur Wasserteilchen passieren. Sie schlüpfen vom salzarmen in das salzreiche Wasser, wo sie dieses verdünnen. Damit erhöhen sie dort den Wasserdruck, mit dem schließlich eine Stromturbine betrieben werden kann. Nach diesem Prinzip arbeitete eine Pilotanlage des norwegischen Energieunternehmens Statkraft. Sie wurde allerdings wegen Geldmangels geschlossen.

Die Schweizer Forscher hingegen setzen auf ein batterieähnliches Konzept. Wenn sich Salze in Wasser lösen, zerfallen sie in elektrisch positiv und negativ geladene Teilchen. "Unsere Membran lässt praktisch nur positiv geladene Ionen passieren", sagt die EPFL-Forscherin Aleksandra Radenovic. Sie wandern vom salzigeren in das weniger salzige Wasser. Negativ geladene Teilchen werden von negativen Ladungen an der Membranoberfläche abgestoßen und so vom Durchtritt abgehalten. So lädt sich eine Seite des Arrangements positiv und die andere Seite negativ auf, ähnlich wie die Pole einer Batterie.

Die Membran besteht aus Molybdänsulfid, das sonst vor allem als Schmiermittel zum Einsatz kommt. Und sie ist ausgesprochen dünn, besteht nur aus drei Atomlagen. "Je dünner sie ist, desto mehr Strom kann letztlich fließen", sagt die Forscherin. Die Passage der Ladungsträger durch das Loch ist dann kürzer, und es bleiben weniger Ladungsträger auf der Strecke. Auch den Porendurchmesser haben die Wissenschaftler optimiert. Ist er zu klein, strömen zu wenige positiv geladene Ionen hindurch. Ist er zu groß, schlüpft auch mal ein negativ geladenes Ion mit hindurch.

Die Fragen: Sind die Membranen auch in großem Maßstab stabil? Und was werden sie kosten?

Das Batterieprinzip ist auch Grundlage der 50-Kilowatt-Pilotanlage des Unternehmens Redstack im niederländischen Afsluitdijk. Details will der Betreiber zwar nicht verraten, doch auch hier feilen Forscher an den Membranen. Dass die gängigen folienartigen Ionenaustauschermembranen noch verbesserungswürdig sind, räumt auch Projektpartner Fuji Film ein. "Mit den zurzeit erhältlichen Membranen bräuchte man für eine 25 Megawatt-Anlage eine mehrere Millionen Quadratmeter große Fläche", heißt es auf seiner Internetseite. Doch eben das könnte sich mit der Neuentwicklung ändern.

Olivier Schaetzle vom niederländischen Wasserforschungsinstitut Wetsus, das mit der Firma Redstack zusammenarbeitet, hält das neue Membrankonzept aus der Schweiz für "vielversprechend". Es könne den klimafreundlichen Kraftwerken tatsächlich zum Durchbruch verhelfen. Allerdings seien noch wesentliche Fragen ungeklärt, zum Beispiel ob die extrem dünnen Membranen auch im großen Maßstab noch stabil sind. Auch vom letztendlichen Preis der Membranen werden die Marktchancen der Osmosekraftwerke abhängen. Der internationalen Agentur für erneuerbare Energien zufolge machen sie zwischen 50 und 80 Prozent der Investitionskosten aus.

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