AKW-Störfälle:Bundesaufsicht kritisiert Betreiber Vattenfall

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Nach den Pannen in den Vattenfall-Atommeilern wächst die Kritik. Nun hat auch das Bundesumweltministerium dem Betreiber des AKWs Krümmel "Fehlverhalten" vorgeworfen - nicht nur bei der Bedienung des Reaktors, sondern auch bei der Aufklärung des Störvorfalls. Indes ist eine weitere Unregelmäßigkeit in dem Werk bekannt geworden.

Wegen mangelnder Mithilfe bei der Aufklärung des Störfalls im Atomkraftwerk Krümmel hat die Bundesaufsicht den Betreiber Vattenfall gerügt. Es bestehe weiterhin Unklarheit über Ausmaß und Ursachen des Fehlverhaltens der Bedienungsmannschaft, erklärte das Bundesumweltministerium am Dienstag in Berlin. Gleichzeitig wurden neue Unregelmäßigkeiten in dem AKW bekannt.

Steht seit der Panne am 28. Juni unter Kritik: Das Atomkraftwerk Krümmel. (Foto: Foto: AP)

Das Ministerium kritisierte, dass entgegen seiner ausdrücklichen Bitte der Reaktorfahrer und der Schichtleiter, die das Kraftwerk zum Zeitpunkt des Störfalls bedient hatten, nicht bei dem Expertengespräch am Montag in Kiel anwesend waren. Vattenfall habe dies mit "einem Schutzbedürfnis dieser Personen und mit einem Verweis auf die noch laufende Analyse" begründet.

Diese Argumentation sei "nicht akzeptabel", erklärte das Ministerium und forderte ein persönliches Gespräch. Es gebe deutliche Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Bedienungspersonals.

Neue Unregelmäßigkeit: Verkehrte Dübel entdeckt

Wie das Kieler Sozialministerium und der Betreiber am Dienstag mitteilten, wurden in einem Gebäude in Krümmel, in dem sich ein Notstromaggregat befinde, Dübel entdeckt, die nicht der Spezifikation entsprechen. Nach Angaben des Ministeriums wären die nicht den Vorschriften entsprechenden Dübel meldepflichtig gewesen.

Der Vorstandschef von Vattenfall Europe, Klaus Rauscher, sagte in Berlin, zwei von 14 auffälligen Dübeln, an denen Wartungs- und Montagebühnen befestigt seien, entsprächen nicht den Anforderungen. Die anderen 12 Dübel würden noch untersucht.Krümmel werde "bis zur Klärung aller offenen Fragen und Maßnahmen" nicht wieder ans Netz gehen, sagte Rauscher. Die für August geplante Revision der Anlage solle nun vorgezogen werden. Insgesamt seien in Krümmel 630 Dübel untersucht worden. In Brunsbüttel sei kein Problem mit den 25 bis 30 Zentimeter langen Dübeln aufgefallen.

Rauscher räumte erneut Informationspannen ein. Dies rechtfertige aber nicht eine "Kampagne", um die Zuverlässigkeit und Sachkunde des Betreibers in Frage zu stellen. Politiker und Umweltschützer hatten gefordert, Vattenfall die Betriebsgenehmigungen für Krümmel und Brunsbüttel zu entziehen.

Die Grünen hatten zuvor personelle Konsequenzen bei Vattenfall gefordert. Vattenfall müsse sich vom zuständigen Geschäftsführer Bruno Thomauske trennen, erklärte der Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer. Die Grünen im Kieler Landtag wollen bei der Parlamentssitzung in dieser Woche einen Antrag stellen, dem Stromkonzern die Betriebserlaubnis für die Atomkraftwerke im Land zu entziehen.

Die SPD im schleswig-holsteinischen Landtag forderte vom Koalitionspartner CDU, auf Forderungen nach längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke endgültig zu verzichten. "Die CDU muss Farbe bekennen", sagte der Energiepolitiker Olaf Schulze angesichts der Pannen in Krümmel und Brunsbüttel. Für die am Mittwoch beginnende Landtagssitzung bereiten CDU/SPD einen gemeinsamen Antrag vor. Dabei soll es laut Schulze um Gefahren aus den Pannen, Kraftwerkssicherheit, die Zuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall und auch um die Betriebserlaubnis gehen.

Experten: Dem Personal fehlt die Kompetenz

Auch zahlreiche Experten haben die mangelnde Kompetenz des Personlas in deutschen Atomkraftwerken kritisiert. Der frühere Chefingenieur des schwedischen Atomkraftwerks Forsmark, Lars Olov Höglund, sagte in ARD-Morgenmagazin, seit mehr als 20 Jahren sei nicht mehr in die Atomkraftwerke investiert worden. Dadurch verschwinde "automatisch die nötige Kompetenz" - offenbar auch in Krümmel und Brunsbüttel. Die Geschäftsleitung habe offenbar nicht den Sachverstand, um zu entscheiden, was wichtig und was unwichtig sei, sagte Höglund.

Der Reaktorexperte des Ökoinstituts, Michael Sailer, merkte an, die Anlagen seien auf Grund der aus Sicherheitsgründen durchgeführten technischen Änderungen von den Reaktormannschaften schwieriger zu überblicken. Da die erste Generation der Betriebscrews oft aus Altersgründen bereits ausgeschieden sei, fehlten zunehmend Kenntnisse aus der Zeit der Inbetriebnahme.

Die von Vattenfall betriebenen Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel waren am 28. Juni per Schnellabschaltung heruntergefahren worden. Seit den Zwischenfällen steht der Konzern nicht nur wegen Sicherheitsbedenken, sondern auch wegen seiner Informationspolitik in der Kritik. Das Unternehmen informierte nur schrittweise über die Zwischenfälle. Am Freitag hatte Vattenfall eingeräumt, die Schnellabschaltung des Reaktors in Krümmel sei nicht nötig gewesen und ein Fehler des Reaktorfahrers.

© AP/dpa/ddp/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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