Aids:Erhöhtes Risiko durch HIV-Impfstoff

Bis vor kurzem galt ein Medikament der Firma MSD als Hoffnungsträger. Doch statt vor einer Infektion zu schützen, macht die Impfung offenbar empfänglicher für HIV.

Christina Berndt

Statt vor Aids zu schützen, macht eine Impfung offenbar empfänglicher für HIV. Ein Impfstoff der US-Pharmafirma MSD, der bis vor kurzem als Hoffnungsträger galt, scheint der Krankheit erst Tür und Tor zu öffnen, wie jetzt auf einem Aids-Kongress in Seattle bekannt wurde.

Der namenlose Impfstoff ist einer von weltweit nur zwei Vakzinen, die es zur Prüfung der Phase III geschafft haben - an Menschen also, die durch ihre Lebensumstände Aids-gefährdet sind. Er wurde bis vor kurzem an 3000 Personen getestet, unter anderem in Südafrika und den USA. Ende September aber stoppte MSD die Versuche. Der Impfstoff hatte offenbar keinen Erfolg.

Nach einer genaueren Analyse stellt sich nun jedoch heraus: Den Geimpften erging es sogar schlechter als jenen Testpersonen, die eine Placebospritze bekamen. Während sich 49 Impflinge im Laufe der Zeit beim Sex mit HIV ansteckten, waren es unter den zum Schein Geimpften lediglich 33.

"Über die Gründe kann man nur spekulieren", sagt Hans Wolf von der Universität Regensburg. Der Virologe hat ebenfalls einen Aids-Impfstoff entwickelt, der sich noch in einer früheren Testphase befindet. "In jedem Fall lehrt uns das, dass wir noch genauer hinschauen müssen."

"Ergebnisse so enttäuschend wie rätselhaft"

Der gescheiterte Impfstoff enthält abgeschwächte Adenoviren. Diese Erkältungsviren wurden mit drei Genen von HIV aufgerüstet, um dem Immunsystem als Sparringspartner zu dienen: Wenn eines Tages HIV den Körper befiele, wäre er schon gewappnet - so die Theorie. In der Praxis aber scheinen die Erkältungsviren HIV erst hoffähig zu machen.

"Die Ergebnisse sind ebenso enttäuschend wie rätselhaft", sagt Anthony Fauci von den National Institutes of Health, die Partner von MSD in der Impfstudie sind. Es gebe keine Erklärung für das Versagen.

Womöglich werde das Immunsystem durch die Erkältungsviren auf die falsche Art angeregt. Auffällig sei jedenfalls, dass die Aidsgefahr besonders groß war, wenn das Immunsystem im wahren Leben bereits gegen viele Erkältungen gekämpft hatte. Hier gab es 21 HIV-Infizierte unter den Geimpften und nur neun nach Placebo-Impfung. Vielleicht hätten die Daten aber auch andere Ursachen - etwa unterschiedliche Sexualpraktiken in den Studiengruppen.

Näher gerückt ist die lang ersehnte Aids-Impfung nun jedenfalls nicht. Dem einzigen anderen Phase-III-Vakzin sprechen Experten die Chancen bereits ab: "Dieser Impfstoff hat schon in früheren Tests schlecht abgeschnitten", sagt Hans Wolf. Wenn er an seinen eigenen Impfstoff denkt, beunruhigen ihn die negativen Schlagzeilen aus Seattle durchaus. "Aber unsere Daten sehen wirklich gut aus. Und unser Konzept ist auch ein ganz anderes."

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