Agrarforschung:Vielfalt auf dem Acker

Agrarforschung: Auf vielen deutschen Feldern überwiegen die Monokulturen - dabei hält Vielfalt die Äcker fruchtbar.

Auf vielen deutschen Feldern überwiegen die Monokulturen - dabei hält Vielfalt die Äcker fruchtbar.

(Foto: Toni Heigl)

Die richtige Saatordnung, abwechslungsreiche Fruchtfolgen - es gibt viele Wege, um Unkraut zu unterdrücken und den Ertrag zu steigern. Stattdessen überwiegen aber die Monokulturen.

Von Andrea Hoferichter

Jacob Weiner würde gern eine kleine Revolution auf dem Acker anzetteln. Er hält nichts von der klassischen Reihenformation der Pflanzen. "Kulturpflanzen können sich viel besser gegen Unkräuter durchsetzen, wenn sie statt in Reihen gleichmäßig über das Feld verteilt stehen, wie die Knoten eines Drahtgitters, und wenn sie insgesamt dichter gesät werden", sagt der Pflanzenwissenschaftler von der Universität Kopenhagen. Die Pflanzen könnten dann schnell Blattwerk in alle Richtungen bilden, nackten Boden beschatten und das anfangs meist langsamer wachsende Unkraut verdrängen.

Einen Beleg dafür lieferten Weiner und sein Fachkollege César Marín von der Universität von Bogotá, Kolumbien, kürzlich im Fachblatt Weed Research. Die Forscher hatten auf kolumbianischen Feldern Maiskörner in verschiedenen Anbaumustern und Saatdichten verteilt, dazu in jeder Testparzelle auch Unkrautsamen. Auf der Siegerfläche standen die grünen Maispflanzen gleichmäßig verteilt und etwa zu zehnt auf einem Quadratmeter statt wie sonst zu acht. Nach einem Jahr wuchs fast 80 Prozent weniger Unkraut als in der Standard-Reihensaat, im zweiten Jahr waren es noch knapp 60 Prozent weniger. Die Maisernten fielen in beiden Jahren um 45 Prozent höher aus. In früheren Untersuchungen Weiners hat sich die Strategie auch mit Weizen auf dänischen Feldern bewährt, wenngleich der Krautwuchs dort nur um 30 Prozent reduziert werden konnte.

Ziel der Methode ist es vor allem, mit weniger chemischen Unkrautvernichtern auszukommen. Allein in Deutschland wurden 2012 dem Umweltbundesamt zufolge ungefähr 20 000 Tonnen und damit mehr Herbizide denn je verkauft. Sie verschmutzen Gewässer und schaden Tieren und Pflanzen. Auch haben mehrere Hundert Unkräuter mittlerweile Abwehrmechanismen entwickelt und sind gegen die meisten Wirkstoffe resistent. Bodenschonende Verfahren wie die Direktsaat, bei denen Landwirte komplett auf klassisches Pflügen verzichten, verschlimmern das Problem noch.

Knapp 40 Prozent der deutschen Felder wurden im Jahr 2010 bodenschonend beackert. Zwar erodieren diese Böden nicht so schnell, es gehen weniger Nährstoffe und Wasser verloren, und der Betrieb spart Zeit und Geld; doch auch das Unkraut profitiert, es kann ungestört Fuß fassen.

Hinzu kommen Monokulturen, die es Unkräutern ebenfalls leicht machen. Sie sind weit verbreitet: So wuchs in Niedersachsen 2010 auf fast der Hälfte aller Maisanbauflächen und einem Drittel aller Weizenfelder mehrmals nacheinander die gleiche Kulturpflanze, wie Forscher der Universität Göttingen 2013 im Journal of Plant Diseases and Protection berichteten.

Gelegentlich Erbsen oder Bohnen anzupflanzen, kann den Bedarf an Herbiziden reduzieren helfen

"Eine Trendumkehr ist dringend nötig", sagt Herwart Böhm vom Thünen-Institut in Westerau. Variantenreiche Fruchtwechsel könnten ebenso wie Weiners Saatmuster das Unkraut unterdrücken. Zum Teil schreibt die EU sie zwar bereits vor: Seit Januar müssen Landwirte mit größeren Betrieben mindestens zwei oder gar drei verschiedene Ackerfrüchte im Jahr anbauen. Aber auf bis zu drei Vierteln ihres Landes dürfen sie sich weiter auf eine Pflanze beschränken und auch über Jahre das Gleiche anbauen. "Idealerweise wechseln in einer Fruchtfolge Pflanzen, die zu unterschiedlichen Zeiten ausgesät werden, und verschiedene Kulturarten", sagt Böhm. Bauern könnten abwechseln zwischen Getreide, Blattfrüchten wie Raps oder Mais, Hackfrüchten wie Kartoffeln oder Zuckerrüben und Hülsenfrüchten, etwa Ackerbohnen, Erbsen oder Lupinen.

Landstraße zwischen Ackerflächen in Bayern, 2014

Stramm in Reih und Glied: Auf den meisten Äckern sieht es so ordentlich aus. Etwas Chaos wäre aber ganz hilfreich.

(Foto: Robert Haas)

Der dänische Forscher Weiner hofft, dass die Tage des Spritzens und Hackens gezählt sind und die Pflanzen sich bald allein gegen das Unkraut zur Wehr setzen können: "Wenn Saatmuster und Fruchtfolgen ideal auf die Wetter- und Bodenbedingungen vor Ort abgestimmt sind, könnte das gelingen", sagt er.

"Eine geschickte Sortenwahl kann helfen"

Allerdings ist schon seit Jahrhunderten bekannt, dass Abwechslung den Boden fruchtbar hält und das Unkraut eindämmt. Trotzdem bauen viele Bauern nur wenige Kulturen an. Denn auf den Acker kommt, was möglichst viel Geld bringt. Zum Beispiel Mais, der als Energiepflanze für die Biogas-Produktion begehrt ist. Außerdem ist der Ertrag bei Weizen oder Mais deutlich größer als bei anderen Kulturen. Und die Schere geht weiter auf, weil Agrarkonzerne sich auf die Züchtung derjenigen Pflanzen konzentrieren, die weltweit massenhaft angebaut werden.

So bringen Weizen und Mais in Deutschland heute zwei- bis dreimal so hohe Erträge pro Hektar wie 1960. Dahinter bleiben beispielsweise Bohnen, Erbsen und andere Hülsenfrüchte immer weiter zurück. Entsprechend unattraktiv sind sie für Bauern: In den vergangenen zehn Jahren sind die Anbauflächen für Hülsenfrüchte um mehr als die Hälfte geschrumpft.

Mit einer Eiweißpflanzenstrategie will das Landwirtschaftsministerium die Forschung und Anbaumethoden auch für diese Kulturen voranbringen, damit Ertrag und Anbaufläche wieder steigen. Bohnen, Erbsen und ihre Verwandten haben neben der Unkrautbekämpfung schließlich noch andere Vorteile: Sie erhöhen den Nährstoffgehalt des Bodens, sparen Stickstoffdünger und Sojaimporte für Futtermittel.

Weizensorten mit waagerechten Blättern werfen mehr Schatten. Das hält Unkraut klein

Es gibt noch weitere einfache Wege, wucherndes Ackerkraut in Schach zu halten. "Wir haben einen ganzen Baukasten an Werkzeugen, man muss sich nur bedienen", sagt Böhm. Sehr wirkungsvoll sei es beispielsweise, verschiedene Kulturen gleichzeitig auf einem Acker anzubauen, etwa Hafer und Ackerbohnen. Man könne auch Klee oder Gräser aussäen, zusätzlich zur Hauptkultur oder zwischen Ernte und nächster Saat. Sie machen Unkräutern den Platz streitig, ohne die Erträge zu senken.

Landstraße zwischen Ackerflächen in Bayern, 2014

Stramm in Reih und Glied: Auf den meisten Äckern sieht es so ordentlich aus. Etwas Chaos wäre aber ganz hilfreich.

(Foto: Robert Haas)

"Eine geschickte Sortenwahl kann ebenfalls helfen", sagt der Thünen-Forscher. So werfen manche Weizen- oder Gerstesorten mit waagerechtem Blattwuchs mehr Schatten und wirken so dem Unkrautwuchs stärker entgegen als solche, deren Blätter eng am Halm nach oben wachsen. Auch Pflanzen, die in ihrer Jugend besonders schnell gedeihen, können sich besser gegen unerwünschtes Beikraut durchsetzen. Böhm und seine Kollegen plädieren deshalb schon seit Jahren dafür, einen Unkrautunterdrückungsindex in die Sortenlisten aufzunehmen.

Viele der Methoden zur Unkrautvorsorge werden im Ökolandbau längst eingesetzt, sie stammen noch aus Omas Trickkiste. Trotzdem gibt es immer noch Fortschritte. "Heute können wir die alten Methoden mit modernen Techniken verknüpfen", sagt er. Mit Maschinen, die mit GPS, Sensoren und Kameras bestückt sind, könne nicht nur das optimale Saatmuster ausgesät, sondern auch sehr gezielt restliches Unkraut gehackt werden. Vor allem im Gemüseanbau kommen solche Geräte schon zum Einsatz. Für alles andere müssten Landwirte jedoch erst investieren. "Ohne ökonomische Anreize wird sich so schnell nichts ändern", sagt Böhm.

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