Ehec-Krise:Selbstgezogene Sprossen: Gefahr auf der Fensterbank

Auch selbstgezüchtete Sprossen und Keimlinge könnten eine Ehec-Erkrankung auslösen, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung - denn möglicherweise lauert der Erreger im Saatgut. Diesen Schluss zieht das Institut aus der Erkrankung einer Familie in Niedersachsen.

Der Nachweis brachte zunächst Erleichterung in der Ehec-Krise: Sprossen des Biohofs im niedersächsischen Bienenbüttel sind die Träger des Darmkeims, der bereits mindestens 35 Menschenleben forderte. Dennoch bleiben noch etliche Fragen offen.

Nicht geklärt ist, wie die Erreger an die Sprossen gelangten. Eine Theorie geht von den Mitarbeiterinnen des Biohofs aus, die mit Ehec infiziert sind. Denkbar ist, dass die Frauen aufgrund einer anderen Quelle zu Ehec-Trägern wurden, die Keime dann in den Betrieb schleppten und Pflanzen oder Wasser verseuchten. Einige Experten vermuten als Ursprung Tiere, die in der Regel Ehec-Bakterien im Darm haben. Helge Karch vom Universitätsklinikum Münster hält jedoch dagegen: "Der sich jetzt ausbreitende Erreger ist bislang nur beim Menschen nachgewiesen worden".

Auch das Saatgut, mit dem der Gartenbaubetrieb arbeitet, könnte Quell der Infektionen sein. Nach Angaben von Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) stammt es aus vielen Ländern weltweit. Möglicherweise wurden die Samen im Ausland infiziert und der Erreger blieb in den anwachsenden Sprossen.

Der Verdacht, dass Saatgut Träger der Erreger sein könnte, erhärtete sich mit der aktuellen Erkrankung einer niedersächsischen Familie, die Sprossen selbst gezogen hatte. Der Darm-Erreger sei aber noch nicht in den Samen nachgewiesen worden, teilte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit. Um sicher zu gehen, sollten Verbraucher vorerst keine selbstgezogenen Sprossen und Keimlinge verzehren, warnte die Behörde. Zu Hause Sprossen zu ziehen, ist weit verbreitet. Entsprechende Aufzuchtschälchen sind in vielen Läden erhältlich. Doch "wenn bereits die Samen mit Keimen belastet sind, dann schützt auch die Einhaltung von Küchenhygieneregeln nicht vor einer Ehec-Erkrankung", warnte BfR-Präsident Andreas Hensel.

Unklar ist auch, ob Sprossen oder ihr Saatgut die einzigen Ehec-Träger sind. Dafür spricht, dass mehrere Spuren von infizierten Patienten zu dem Hof in Niedersachsen führen. Dagegen spricht, dass bei den Befragungen des Robert-Koch-Instituts einige Patienten angaben, keine Sprossen gegessen zu haben. Möglich ist aber auch, dass sie sich nicht mehr daran erinnern können.

Noch wissen die Behörden auch nicht, welche Sprossen Auslöser der Infektionen waren; sie haben aber erste Hinweise. Neun Mitarbeiterinnen des Betriebes in Bienenbüttel seien gezielt nach ihrem Sprossenverzehr befragt worden, teilte Gesundheitsministerin Aygül Özkan (CDU) mit. Demnach hätten fünf erkrankte oder positiv getestete Mitarbeiterinnen bevorzugt die Sprossenarten Brokkoli, Knoblauch und Bockshorn gegessen. Vier gesunde Beschäftigte hätten bevorzugt die Sorten Alfalfa und Würzige Mischung verzehrt.

Zahl der Neuerkrankungen geht zurück

Seit dem Ehec-Ausbruch und der besonders gefährlichen Komplikation HUS sind in Deutschland mindestens 35 Menschen an der Darminfektion und deren Folgen gestorben. Die Zahl der Neuerkrankungen gehe seit einigen Tagen aber deutlich zurück, teilte das RKI am Montag weiter mit. Ob dies auf eine Änderung der Essgewohnheiten oder ein Versiegen der Infektionsquelle zurückgehe, lasse sich nicht sagen. Seit Anfang Mai wurden dem Institut über 3200 Krankheitsfälle gemeldet. Die Behörden warnen derzeit noch vor dem Verzehr jeder Art von gekauften oder selbst gezogenen rohen Sprossen.

Wer nicht ganz auf die Keimlinge verzichten will, sollte sie beim Zubereiten gut abkochen, rät die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wie die meisten Erreger von Lebensmittelinfektionen, ließen sich Ehec-Bakterien durch Erhitzen abtöten. Dafür müsse im Inneren der Sprosse mindestens zwei Minuten lang eine Temperatur von 70 Grad erreicht werden. Praktisch bedeute das, dass Verbraucher die Sprossen am besten zehn Minuten lang entsprechend heiß kochen oder braten.

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