Ätna auf Sizilien:"Der Vulkan atmet"

Mount Etna spews volcanic ash during an eruption in Sicily

Der Ätna auf Sizilien ist der höchste Vulkan Europas - und äußerst lebendig

(Foto: REUTERS)

Mit umgebauten Mini-Helikoptern und UV-Kameras erforscht Andrew McGonigle Vulkane in Italien. Vulkanologen können so erstmals einen Blick in die Feuerschlote werfen - und sind auf ein rätselhaftes Phänomen gestoßen.

Von Christoph Behrens

Vulkane zu beobachten ist ein schwieriges Geschäft. Was geht in den Feuerbergen vor? Direkt hineinsehen können Forscher kaum. Deshalb achten Vulkanologen eher auf die Umgebung: Sie legen ein Netz von Seismometern um den Berg, wie Ärzte, die einen Patienten abtasten. Steigt Magma im Inneren des Vulkans auf - die Ouvertüre für einen Ausbruch - so erzittert das Erdreich in der nahen Umgebung, die feinfühligen Geräte schlagen aus. Oder die Forscher achten darauf, ob sich der Boden in Vulkannähe verformt, um Eruptionen vorauszuahnen.

Doch gäbe es nicht einen direkteren Weg der Vulkanschau? Andrew McGonigle von der Universität Sheffield in Großbritannien hatte dazu eine Idee: Vor einigen Jahren motzte der Schotte einen kleinen Hubschrauber auf und steuerte ihn in die Rauchfahnen der italienischen Vulkane Stromboli und Ätna. Ein kleiner Computer an Bord maß mit einem angeschlossenen Spektrometer die vulkanischen Ausdünstungen.

"Wir können die vulkanische Aktivität viel direkter beobachten, indem wir die aufsteigenden Gase messen", sagte McGonigle am Rande eines Treffens von Umweltpreisträgern in Freiburg zu Süddeutsche.de. "So sehen wir erstmals sehr schnelle Prozesse wie Explosionen."

So viel Treibhausgase wie tausende Autos

Doch immer noch müssen die Wissenschaftler ziemlich nah an die Krater heran, um den Hubschrauber zu steuern - eine nicht ungefährliche Sache. Deshalb experimentieren McGonigle und Kollegen von der Universität Palermo seit kurzem auch mit UV-Kameras, die sie auf die Vulkanschlote ausrichten. Ein recht einfaches Prinzip: Eine der Kameras nimmt Licht der Wellenlänge 310 Nanometer auf. Bei dieser Wellenlänge schlucken Vulkangase wie Schwefeldioxid die Helligkeit, es kommt also weniger Licht am Objektiv an. Eine zweite Kamera stellen die Forscher auf eine andere Wellenlänge ein, bei der die Sonnenstrahlen die Gase so gut wie ungehindert durchdringen. Mit der Differenz der beiden Werte können die Forscher abschätzen, welche Mengen Chemikalien aus den Schloten aufsteigen.

Dabei stellten die Forscher auf Sizilien zunächst fest, dass Vulkane ziemliche Stinker sein können. Alleine die zentralen Krater des Ätna pusten pro Sekunde 86 Kilogramm CO2 in die Atmosphäre - das ist so, als würden 17.000 7er BMWs mit 90 km/h im Kreis fahren.

Odem aus dem Erdinneren

Doch die Wissenschaftler sahen noch mehr: Die Gase am Ätna steigen nicht konstant auf, sondern eher in Wellenbewegungen. Alle 90 Sekunden spie der Berg eine unsichtbare Wolke Schwefeldioxid und Kohlendioxid - dann schwieg er wieder. "Es ist fast so, als würde der Vulkan atmen", sagt McGonigle. Was hinter dem Vulkanhauch steckt, ist unklar. Im Journal of Volcanology and Geothermal Research spekulieren die Forscher, dass Magmablasen aus dem Erdinneren sich ihren Weg durch die Schlote bahnen, an der Oberfläche platzen und die Gase freigeben.

"Interessant ist jetzt: Was passiert kurz vor einer großen Eruption?" sagt McGonigle. Er vermutet, der Atem des Vulkans könnte sich vor dem Ausbruch beschleunigen, wie bei einem Langstreckenläufer, der zum Endspurt ansetzt. "Wir möchten jetzt den Übergang zur Eruption sehen", sagt McGonigle. Er hofft, dass mithilfe der Technik Warnsysteme möglich werden, die Ausbrüche früher vorhersagen. Die Chancen, einen Ausbruch zu sehen und zu vermessen, stehen nicht schlecht: Der Ätna gilt als der aktivste Vulkan Europas.

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