Weltklimagipfel in Doha:Auf den letzten Drücker

Wer bremst den Klimaschutz - und wer treibt ihn voran? Die EU beschäftigt sich lieber mit ihrer Finanzkrise, von den USA erwartet niemand mehr Fortschritte, Chinas Rolle ist völlig offen. Dabei muss sich auf der UN-Konferenz zeigen, ob die Staaten der Erde den globalen Temperaturanstieg überhaupt noch drosseln können.

Michael Bauchmüller

Ausgerechnet Katar. Kein anderer Staat der Erde hat einen höheren Ausstoß an Kohlendioxid pro Kopf als dieser. Kaum irgendwo sonst hängen Reichtum und Überfluss derart an Öl und Gas wie hier. "Der Klimawandel ist für uns eine doppelte Bestrafung", befand Katars Umweltminister Abdullah Mubarak al-Moudadi im jüngsten Bericht an das Klimasekretariat der Vereinten Nationen.

Einerseits leide das Land an den "physischen Folgen des Klimawandels", andererseits an deren Bekämpfung: Weil Katar so sehr vom Export fossiler Ressourcen abhänge, gebe es Angst "vor den Folgen einer Klimaschutzpolitik in den Abnehmerländern", warnte al-Moudadi. Mehr Klimaschutz - weniger Ölabsatz. Und damit weniger Reichtümer in den Scheichtümern.

Und ausgerechnet in Katars Hauptstadt Doha soll der Klimaschutz nun entscheidend vorankommen. Zwei Wochen lang verhandeln Klimadiplomaten und Minister aus fast 200 Ländern von diesem Montag an über den Fortgang im globalen Klimaschutz.

Es ist Klimakonferenz Nummer drei nach der gescheiterten Zusammenkunft von Kopenhagen. Und wahrscheinlich die, an der sich weisen wird, ob sich eine Begrenzung der Erderwärmung um höchstens zwei Grad überhaupt noch halten lässt. Die Lage ist vertrackt.

"Doha wird ein kritischer Moment"

Das beginnt schon mit dem Kyoto-Protokoll, bislang das einzige halbwegs bedeutsame Klimaschutz-Werkzeug der Staatengemeinschaft. 1997 hatten sich einige der größten Industrieländer verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen zu senken. Zwar blieb der größte Klimasünder, die USA, außen vor. Doch die anderen machten weiter.

Heute ist das Kyoto-Protokoll das Rückgrat des europäischen Emissionshandels. Nur laufen die verbindlichen Zusagen von 1997 in fünf Wochen aus. Mit anderen Worten: Auf den letzten Drücker werden sich die Staaten in Doha verständigen müssen, wie es mit dem Kyoto-Protokoll weitergeht. Vor allem Entwicklungsländer drängen auf die Fortsetzung. Es ist schließlich die einzige Verpflichtung, auf die sich die Industriestaaten überhaupt jemals eingelassen haben.

"Doha wird ein kritischer Moment", sagt Juan Hoffmaister, der für Bolivien in Katar verhandeln wird. "Alles wieder von vorne zu diskutieren, wäre unfair." Schließlich habe sich die Staatengemeinschaft schon bei der Klimakonferenz in Durban im vorigen Jahr geeinigt, das Kyoto-Protokoll fortzusetzen.

Ob es aber in Zukunft noch taugt, entscheidet sich in Doha. Hier werden die Europäer erklären müssen, warum sie sich nicht dazu durchringen, ihr bisheriges Klimaziel aufzustocken - sie haben die 20-Prozent-Minderung gegenüber dem Referenzjahr 1990 schon jetzt so gut wie erreicht. Außerdem sollen die riesigen Schlupflöcher des Kyoto-Protokolls verschwinden.

Die "heiße Luft" muss weg

Das gesteht vielen osteuropäischen Staaten Unmengen "heißer Luft" zu, was bedeutet: Viele der einstigen Ostblock-Länder haben ihre Klimaziele längst übererfüllt - aber nur weil ihre maroden Industrien einst drastisch schrumpften. Die entsprechenden Emissions-Gutschriften stehen auf den Klimakonten der Länder als dickes Plus; sie sind sogar international handelbar.

Was aber passiert mit dieser "hot air", wenn 2013 die neue Episode des Kyoto-Protokolls beginnt? Streit zieht auf. Denn Russland, die Ukraine, aber auch das EU-Land Polen wollen daran nichts ändern: Sie wollen die Emissionsrechte längst untergegangener Fabriken weiter auf dem internationalen Kohlenstoffmarkt feilbieten.

"Wenn die 'hot air' drinbleibt, dann ist das Kyoto-Protokoll ad absurdum geführt", sagt Martin Kaiser, Klimaexperte bei Greenpeace. "Länder wie Russland und Polen können den gesamten Klimaschutz unterminieren." Getragen wird das Kyoto-Protokoll künftig ohnehin nur noch von der EU, Australien, der Schweiz und Norwegen. Nur sie wollen abermals feste Klima-Pflichten eingehen.

Gedacht ist die Kyoto-Verlängerung ohnehin nur für den Übergang. Denn in Durban vereinbarten die Staaten im vorigen Jahr, ein neues Abkommen bis spätestens 2015 auszuhandeln. Nur fehlt so etwas wie ein konkreter Arbeitsplan für die verbleibenden drei Jahre, er soll in Doha erstellt werden, ebenso wie ein neuer Verhandlungsrahmen.

Bisher verhandelten die Staaten in unterschiedlichen Foren teils parallel zu denselben Themen. Das gilt es zusammenzuführen. Auch ist unklar, wie sich die wachsende Lücke zwischen den Klimazielen einzelner Staaten und den Notwendigkeiten des Klimaschutzes überbrücken lassen. Denn die Verpflichtungen, die verschiedene Länder nach der Klimakonferenz in Kopenhagen abgaben, reichen nicht aus, um einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern.

Politische Ausgangslage: diffus

"Die Regierungen müssen dringend festlegen, wie sie zu anspruchsvolleren Zielen kommen können", verlangt Christiana Figueres, Chefin des UN-Klimasekretariats. Ähnlich bei den Finanzen: Zwar versprachen die Staaten den Entwicklungsländern schon in Kopenhagen Milliarden, damit diese mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen. Wie sie aber das Geld von 2013 an zusammenbringen wollen, blieb offen.

Die politische Ausgangslage ist diffus. Die EU, lange Jahre Antreiberin in der Klimapolitik, ist verstrickt in ihre Finanzkrise. Polen bremst konsequent alle Bemühungen Brüssels, wieder zum Vorreiter zu werden. Die deutsche Bundesregierung, ehedem Vorreiterin, streitet darüber, wie weit Klimaschutz gehen darf.

Von der Haltung der Europäer allerdings hängt auch ab, ob es noch einmal zu einem breiten Bündnis wie im vorigen Jahr in Südafrika kommen wird: Damals bildete die EU spontan eine Allianz mit Inselstaaten und Entwicklungsländern - und verhalf der Konferenz so zum Erfolg.

Völlig offen ist auch, wie sich die neue chinesische Führung beim Klimaschutz verhält. Zuletzt hatte China wichtige Fortschritte zumindest nicht mehr blockiert, das allein war ein Fortschritt. Die Erwartungen an die USA im Klimaschutz sind auch nach der Wiederwahl Barack Obamas gering. Schon warnen Klimadiplomaten vor "fliehenden Kräften" in der Staatengemeinschaft, die ihre Zusagen aus dem vorigen Jahr gern tilgen würden.

Und das alles ausgerechnet im Ölstaat Katar? Umweltschützer sind dennoch optimistisch: Mit seiner vergleichsweise aufgeschlossenen Regierung könne Katar sogar notorische Bremser wie Saudi-Arabien unter Druck setzen. "Für ein gutes Ergebnis", sagt Wael Hmaidan, Chef des Klimagruppen-Netzwerks CAN, "könnte Katar am Ende sogar die entscheidende Rolle spielen."

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