Vogelgrippe:Wissenschaftler stoppen Arbeit am Supervirus

Aus Angst vor Bioterror will die US-Regierung, dass Forscher Teile ihrer Studien zum H5N1-Virus geheim halten. Das hat eine intensive Debatte ausgelöst. Nun wollen die betroffenen Wissenschaftler den Behörden Zeit geben, den Streit in Ruhe zu lösen.

Die Sorge, dass ein im Labor entwickeltes Supervirus in die falschen Hände geraten könnte, hat eine Reihe von Grippeforschern zu einem freiwilligen Stopp ihrer Arbeit veranlasst.

H5N1

Wissenschaftler haben eine besonders gefährliche Variante des Vogelgrippevirus hergestellt. Das macht vielen Menschen Angst.

(Foto: CDC/Cynthia Goldsmith/Jackie Katz)

60 Tage lang wollen sie auf weitere Experimente mit der neuen Variante des Vogelgrippe-Erregers H5N1 verzichten, um Gesundheitspolitikern Zeit zum Beschluss verschärfter Sicherheitsmaßnahmen zu geben.

Die USA und andere Länder fürchten, dass Terroristen mit dem gefährlichen und hochansteckenden Virus Biowaffen bauen könnten. Washington hatte deshalb im Dezember an Forscher und Fachjournale appelliert, die Daten des Erregers unter Verschluss zu halten - und so eine Debatte über die Freiheit der Forschung ausgelöst.

Auslöser der Diskussion waren Arbeiten von Forschern der Erasmus-Universität Rotterdam und der University of Wisconsin-Madison. Die Wissenschaftler hatten untersucht, auf welchen Wegen Vogelgrippeviren hochansteckend werden könnten. Bislang sind die Erreger zwar tödlich, aber sie werden kaum von Mensch zu Mensch übertragen.

Das amerikanische Gesundheitsministerium hatte aufgrund einer Empfehlung des unabhängigen Expertengremiums NSABB die Fachzeitungen Science und Nature gebeten, nur die Schlussfolgerungen der Wissenschaftler zu veröffentlichen, aber keine Details ihrer Arbeit. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Terroristen auf der Grundlage der Forschung Biowaffen herstellen könnten.

"Wir sehen ein, dass wir und andere Wissenschaftler die Vorteile unserer wichtigen Untersuchungen klar darlegen und Maßnahmen zur Reduzierung möglicher Risiken vorschlagen müssen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Grippeforscher.

Die Fachjournale Nature und Science veröffentlichten das von 39 H5N1-Experten signierte Dokument. Darin fordern die Unterzeichner ein internationales Forum zur Debatte über die Gefahren des Erregers und angemessene Gegenmaßnahmen. Initiiert wurde das Moratorium von Ron Fouchier von der Universität in Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka von der University in Madison, deren Arbeit die Diskussion ausgelöst hat.

"Es ist schade, dass es so weit gekommen ist", erklärte Fouchier auf der Homepage des Fachmagazins Science. "Aber ich denke, dass es der richtige Schritt ist."

Nach Angaben der Journale will die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Experten und Behörden zu einer Konferenz Ende Februar in Genf einladen. Der größte internationale Wissenschaftlerverband AAAS (American Association for the Advancement of Science) werde das Thema bei seiner Jahresversammlung Mitte Februar im kanadischen Vancouver ebenfalls in Vorträgen und Seminaren erörtern, hieß es.

Die NSABB hatte die Wissenschaftler mit der Einschätzung überrascht, dass die Risiken der Studien größer seien als der Nutzen, sagte Fouchier Science. "Viele Menschen sagen nun: Dann sollte man diese Forschung nicht machen." Allerdings habe man unter den Forschern eine andere Meinung. "Die NSABB sollte die Risiken genauer erklären", fordert Fouchier. "Wie viel Bioterrorismus haben wir in der Vergangenheit denn gesehen?"

Terroristen, so erklärte der Niederländer, könnten das Supervirus nicht herstellen. Und Staaten, die es könnten, bräuchten keine Informationen der Grippeforscher. Auf der anderen Seite sei deren Arbeit wichtig im Kampf gegen die Krankheitserreger.

Es gibt allerdings auch Wissenschaftler, die eine Pause von 60 Tagen nicht für ausreichend halten. So sagte Richard Ebright von der Rutgers University in Piscataway, New Jersey, laut Science, das Moratorium sei "reine PR" und enthalte falsche Behauptungen zur Sicherheit der Forschung in den Grippe-Labors.

Auch John Steinbruner von der University of Maryland, College Park, erklärte dem Fachmagazin, er halte die Pause für zu kurz, um Regierungen die Gelegenheit zu geben, auf die Situation zu reagieren.

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