Schweinegrippe: Angst vor der Pandemie:Verdacht in Hamburg erhärtet sich

In Deutschland werden mehrere Menschen mit Verdacht auf Schweinegrippe untersucht. Die Lage ist unübersichtlich, aber sicher ist: Die Krankheit breitet sich aus - in sieben Ländern wurde das neue Virus inzwischen nachgewiesen. Vor allem in den USA ist es auf dem Vormarsch.

In Deutschland gibt es weitere Verdachtsfälle auf Schweinegrippe. Ein Verdacht in Hamburg erhärtete sich am Dienstagabend. Nach Informationen der Financial Times Deutschland wurde bei einer jungen Frau im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) eine Infektion mit einem Grippevirus vom Typ H1N1 nachgewiesen. Zu diesem Typ gehört außer der Schweinegrippe allerdings auch die aktuell zirkulierende gewöhnliche Grippe. Welche Variante die Patientin hat, soll nach UKE-Angaben am Mittwochmittag feststehen.

Sicherheitscheck in Seoul: Passagiere werden mit einem Thermal-Scanner überprüft. Foto: AP

Für Kontakt mit Schweinegrippe-Patienten braucht das Pflegepersonal spezielle Schutzkleidung.

(Foto: Foto: AP)

Die Patientin war am Wochenende aus Mexiko eingetroffen. "Sie passt in das Raster", der Verdacht auf Schweinegrippe sei "hochgradig", sagte Stephan Günther, Leiter der Virologie des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin, das die Proben untersucht, der Zeitung.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung stammt ein weiterer der möglicherweise an der neuen Influenza Erkrankten aus Kulmbach in Bayern. Bei einem Verdachtsfall im Raum Donauwörth (Regierungsbezirk Schwaben) haben die Behörden nach einem Schnelltest Entwarnung gegeben.

Insgesamt ist die Lage unübersichtlich, denn nicht alle Betroffenen, Experten und Behörden definieren den Ausdruck "Verdachtsfall" auf die gleiche Weise. Rund 9000 Deutsche halten sich im Schnitt in Mexiko auf - und nach ihrer Rückkehr wollen viele auf Nummer sicher gehen. Längst nicht jeder Verdachtsfall, der gemeldet wird, ist ein Grund zur Sorge.

Gesundheitsstaatssekretär Klaus Theo Schröder betonte, es gebe derzeit keine konkrete Bedrohung der Bevölkerung in Deutschland. Auch wenn sich der Verdacht einer Infektion bestätigen sollte, würde es sich zunächst nur um Einzelfälle handeln, die schnell diagnostiziert und wohl auch erfolgreich behandelt werden könnten.

Die Sicherheitsvorkehrungen am Frankfurter Flughafen sind verschärft worden. Ärzte kontrollierten seit dem Morgen in jeder aus Mexiko und dem Südwesten Amerikas ankommenden Maschine die Passagiere, sagte der stellvertretende Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, Rene Gottschalk.

Unterdessen gab es in anderen Ländern weitere bestätigte Fälle. In Neuseeland sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums mindestens neun Studenten und ein Lehrer an der Schweinegrippe erkrankt. Damit erreichte die Schweinegrippe nach Europa auch Asien und die Pazifikregion.

Auch Israel hat den ersten Fall der Schweinegrippe bestätigt. Tests hätten ergeben, dass ein kürzlich aus Mexiko zurückgekehrter Mann infiziert sei, berichtete der Rundfunk. Der Mann befinde sich im Krankenhaus.

In Spanien wurde ein zweiter Fall bestätigt. Ein Patient in einem Krankenhaus in Valencia wurde positiv auf das Virus getestet, teilte Gesundheitsministerin Trinidad Jimenez mit. Der Zustand des Betroffenen sei aber nicht ernst. Den Angaben zufolge stand der Patient schon seit Montag mit 25 weiteren potenziell Erkrankten unter Beobachtung. Sie alle waren erst kürzlich von einer Reise aus Mexiko zurückgekehrt.

Und auch in Großbritannien wurden zwei Fälle der Schweinegrippe bestätigt. Bei zwei Patienten in Schottland sei der Erreger nachgewiesen worden, teilte die schottische Gesundheitsministerin Nicola Sturgeon am Montagabend in Edinburgh mit. Die beiden Patienten waren am Wochenende nach einer Mexikoreise in ein Krankenhaus gebracht worden und befanden sich seitdem auf einer Isolationsstation.

Österreichs Gesundheitsminister Alois Stöger erklärte, in einem Wiener Krankenhaus liege wahrscheinlich ein positiver Befund vor. Außerdem gebe es drei weitere Verdachtsfälle. Alle hätten kürzlich eine Reise nach Mexiko unternommen.

Die Zahl der Grippetoten in Mexiko ist nach Angaben der Regierung in den vergangenen Tagen langsamer angestiegen. Gesundheitsminister José Ángel Córdova sagte, vermutlich seien 152 Menschen an der Grippe gestorben. Bei 25 wurde das neue, mutierte Schweinegrippevirus H1N1 nachgewiesen, teilte die Regierung mit. Die Regierung ordnete an, die Schulen im ganzen Land zu schließen.

In den USA stieg die Zahl der bestätigten Schweinegrippefälle auf 64, wie die US-Gesundheitsbehörde CDC mitteilte. Besonders betroffen ist nach wie vor New York: Hier stieg die Zahl der Erkrankungen von zuletzt 28 auf 45 an. Die Zahl der Verdachtsfälle ist weit höher: Allein an der Schule, an der die Infektion in der Millionenmetropole erstmals ausbrach, seien Hunderte von Kindern krank gewesen, sagte Bürgermeister Michael Bloomberg am Dienstag. Auch viele Lehrer und Familienmitglieder hätten sich angesteckt. Das habe eine schriftliche Befragung an dem Privatgymnasium ergeben. Allerdings werde nicht jeder Einzelfall getestet. Künftig wolle man sich auf die schweren Fälle konzentrieren.

In Kalifornien gibt es inzwischen zehn Fälle, in Texas sechs, in Kansas zwei und in Ohio einen Fall. US-Präsident Barack Obama sprach von einem Grund zur Besorgnis, jedoch keinem Grund, Alarm zu schlagen. Im Bundesstaat Kalifornien rief Gouverneur Arnold Schwarzenegger den Notstand aus, betonte aber, es bestehe kein Anlass zu Alarmismus. In Kanada erhöhte sich die Zahl der bestätigten Infektionen auf acht.

US-Präsident Barack Obama beantragte beim Kongress zusätzliche 1,5 Milliarden Dollar (1,1 Milliarden Euro) für die Bekämpfung der Schweinegrippe in den USA. Das Geld soll vor allem dazu benutzt werden, die Produktion und Lagerung von Grippe-Impfstoff und anderen Medikamenten zu beschleunigen, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses.

In Australien stieg die Zahl der Verdachtsfälle sprunghaft auf 45 an. In allen australischen Bundesstaaten mit Ausnahme eines einzigen Bundesstaats wurden Fälle bekannt, wie die Behörden am Dienstag mitteilten.

WHO setzt Alarmstufe herauf

WHO erhöht Alarmstufe

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erhöhte wegen des verschärften Risikos für eine weltweite Ausbreitung der Krankheit die Alarmstufe. Von sofort an gelte Alarmstufe vier statt bisher Alarmstufe drei, sagte der amtierende WHO-Generaldirektor für Gesundheitssicherheit und Umwelt, Keiji Fukuda, am Montagabend in Genf nach einer Sondersitzung einer Expertengruppe.

Alarmstufe vier heißt, dass ein neues Grippevirus von Tieren auch Menschen infizieren kann und von Mensch zu Mensch übertragen wird. Bei der höchsten Stufe sechs wird von einer weltweiten Ausbreitung des Virus, also von einer Pandemie, ausgegangen.

Die Verschärfung betrifft das mutierte Schweinegrippevirus vom Typ H1N1. Die Behörden in den einzelnen Ländern sind angewiesen, eng mit der WHO zusammenzuarbeiten, damit die weitere Ausbreitung verhindert wird. Die WHO empfiehlt derzeit keine Reisebeschränkungen oder gar das Schließen von Grenzen, erklärte die Organisation auf ihrer Website.

Wenn möglich sollten aber Reisen in gefährdete Gebiete vermieden werden. Es gehe grundsätzlich keine Gefahr vom Genuss gekochten Schweinefleisches und Produkten aus Schweinefleisch aus, hieß es weiter.

Unterdessen schließt auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt eine weltweite Ausbreitung der in Mexiko aufgetretenen Schweinegrippe nicht aus. Der Bild-Zeitung sagte die Ministerin: "Dieses Risiko kann heute niemand genau kalkulieren. Es kann eine weltweite Grippewelle geben. Ich mache mir Sorgen, hoffe aber, dass meine Sorgen grundlos bleiben."

Die SPD-Politikerin fügte hinzu: "Wir sind gut vorbereitet. Bund und Länder, Ärzte, Krankenhäuser und Rettungsdienste wissen genau, was sie im Ernstfall zu tun haben. Es gibt einen ausgearbeiteten Pandemie-Plan, der auch funktioniert, wie die Abstimmung der letzten Tage zeigt."

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