Risikoprofile für die Liebe:Psychologen sagen das Eheglück vorher

Lässt sich absehen, ob ein Paar glücklich wird oder sich wieder trennt? Ja, sagen Fachleute. Man muss nur wissen, worauf es in Liebesbeziehungen ankommt.

Nikolas Westerhoff

Manche Ehen halten ewig, andere nur ein Jahr. Ein gutes Drittel aller Ehepaare wird irgendwann geschieden. Seit langem interessieren sich Psychologen dafür, warum manche Ehen scheitern und andere nicht.

hochzeit ehe scheidung

Heiraten ist einfach. Das Eheleben nicht .

(Foto: Foto: laif)

Ihr Ziel ist es, das Scheidungsrisiko von Paaren präzise vorherzusagen. "Wir kennen mittlerweile zahlreiche Faktoren, die eine Ehe gefährden", sagt Michael Wagner, Scheidungsforscher an der Universität Köln. Er hat 42 Ehe-Studien ausgewertet und errechnet, ob sich einzelne Merkmale wie Kinderlosigkeit, Heiratsalter, religiöse Bindung oder Erwerbstätigkeit der Ehefrau als Scheidungsrisiko entpuppten.

Wissenschaftler wie Michael Wagner sind moderne Auguren. Sie füttern sogenannte Regressionsmodelle mit Risikozahlen. Dann errechnen sie, welche Faktoren das "Ereignis Scheidung" besonders gut prognostizieren.

Risikofaktoren Miete und Seitensprung

Am Ende stehen Aussagen wie: Im Vergleich zu einem Pärchen, das zur Miete wohnt, senkt Wohneigentum das Scheidungsrisiko um 45 Prozent. Ein aufgedeckter Seitensprung erhöht es drastisch.

Ist die Frau voll berufstätig und gebildeter als der Mann, steigt das Scheidungsrisiko ebenfalls. Haben die Vermählten ein gemeinsames Kind oder wohnten vor der Hochzeit bereits länger als ein halbes Jahr zusammen, so sinkt das Risiko wieder.

"Es ist möglich, Risikoprofile zu erstellen", sagt Wagner. Leben Braut und Bräutigam in einer Millionenstadt, sind sie konfessionslos und bei der Trauung jünger als 21 Jahre, dann verleiht ihnen die Wissenschaft das Label "Hochrisiko-Ehe".

Je älter ein Pärchen dagegen ist, wenn es vor den Traualtar tritt, desto positiver fällt die Prognose aus. Jedes zusätzliche Lebensjahr senkt das Scheidungsrisiko von Männern um zwei und das von Frauen um sieben Prozent.

Die Rechenmodelle der Psychologen sind raffiniert. John Gottman, der große amerikanische Pionier der Scheidungsforschung behauptete, mit 91-prozentiger Sicherheit angeben zu können, ob sich ein Paar irgendwann trennen wird. Und Gottman ist nur einer von vielen, die glauben, über wissenschaftlich fundierte Prognosemodelle zu verfügen.

"Fasst man alle Scheidungsstudien der vergangenen Jahre zusammen, so kommt man auf eine korrekte Vorhersage in rund 80Prozent der Fälle", sagt der Psychologe Guy Bodenmann von der Université de Fribourg in der Schweiz. Seinem eigenen Modell attestiert Bodenmann sogar eine Trefferquote von 96 Prozent.

Zahlung aufs Beziehungskonto

Der Psychologe Wolfgang Lutz von der Universität Trier legte jüngst eine Publikation vor, in der er die Güte dieser Prognosemodelle anzweifelt (Zeitschrift für Psychologie, Bd.3, S.161, 2006).

"Unsere Simulationsstudien ergaben eine Rate richtiger Scheidungsvorhersagen zwischen 20 und 40 Prozent", sagt Lutz. Von zehn Scheidungen können Psychologen demnach etwa zwei bis vier Scheidungen korrekt vorhersagen. Das sei, so Lutz, immer noch ein gutes Ergebnis: "Die Vorhersagegenauigkeit ist zwar geringer als bisher angenommen. Dennoch sind viele Faktoren empirisch gesichert, die den Verlauf einer Ehe positiv oder negativ beeinflussen."

In einer Vielzahl von Untersuchungen ließ sich zeigen, dass die Scheidungswahrscheinlichkeit steigt, wenn Paare verächtlich miteinander reden, sich provozieren oder destruktiv Kritik üben. "Als eine der wichtigsten Vorhersagevariablen erwies sich ein dysfunktionaler Kommunikationsstil", sagt Bodenmann. Neuere Studien belegen, wie entscheidend die Kommunikationsdynamik ist. Wenn ein Partner sehr viel und der andere sehr wenig redet, dann sinkt die Ehe-Zufriedenheit. Auch das Verhältnis zwischen Lob und Kritik hängt eng mit der Überlebensdauer einer Ehe zusammen, wie der Psychologe John Gottman in Laborstudien zeigen konnte.

Männer müssen loben

Ehen seien dann besonders stabil, so Gottman, wenn Lob und Kritik in einem Verhältnis von fünf zu eins stünden. Das heißt: Auf eine kritische Äußerung sollten fünf Komplimente folgen.

Besonders wichtig ist es, dass dieses 5:1-Prinzip vom Ehemann gewahrt wird. Denn zahlt die Frau weniger auf das "Beziehungskonto" ein als der Mann, wächst dadurch das Scheidungsrisiko nicht zwangsläufig, wie der Psychologe Thomas Bradbury von der University of Los Angeles herausgefunden hat.

Neben dem Interaktionsstil sind es drei weitere Faktoren, die den Verlauf einer Ehe maßgeblich steuern: der Glaube, dass die Partnerschaft hält, der Umgang mit Alltagsstress und die Ähnlichkeit des Paares. In einer Studie konnte Bodenmann nachweisen, dass Termindruck und Freizeitstress das Scheidungsrisiko signifikant erhöhen.

Von großer Bedeutung ist auch, ob Paare vor Beginn der Ehe glauben, gemeinsame Werte zu teilen, wie die Untersuchungen des Bochumer Sozialpsychologen Hans-Werner Bierhoff belegen. In Studien konnte gezeigt werden, dass Paare sich eher scheiden lassen, wenn sie in Rollen- und Moralvorstellungen nicht übereinstimmen.

Die Befunde lassen sich auf einen knappen Nenner bringen: Vor der Ehe ist die gefühlte Ähnlichkeit zwischen den Partnern entscheidend, während der Ehe dann die tatsächliche.

Psychologen sagen das Eheglück vorher

Sozial vererbte Risiken

Manche Ehe-Risiken sind sozial vererbt. Stammen Braut und Bräutigam aus Scheidungsfamilien, steht ihre Ehe unter einem schlechten Stern.

Nach den Erkenntnissen des US-Psychologen David Lykken gehen zirka 30 Prozent des Scheidungsrisikos auf Merkmale der Persönlichkeit zurück, die Kinder von ihren Eltern übernehmen. Neurotische Menschen, die sich als unsicher, nervös und emotional labil beschreiben, sind besonders von Scheidungen bedroht. Möglicherweise wird eine solche Eigenschaft von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben, wodurch sich deren Scheidungsrisiko gleichfalls erhöht.

Wissenschaftler zerlegen das Phänomen Ehe in Hunderte Variablen. Doch die Zahlen, die sie erhalten, dürfen nicht kausal interpretiert werden. So erhöht zwar ein Ehevertrag das Risiko für eine Scheidung beträchtlich - doch warum das so ist, verrät die Risikozahl nicht. Liegt es daran, dass die Eheleute ein Scheitern gedanklich vorwegnehmen oder ist einer der Partner von Natur aus besonders misstrauisch, geizig oder feindselig eingestellt? Misst der Faktor "Ehevertrag" vielleicht ein dahinter liegendes Persönlichkeitsmerkmal?

Ehen halten länger, wenn an der Hochzeitsfeier viele Gäste teilnehmen. Doch warum ist das so? Möglicherweise, weil sich das Paar durch die große Gästeschar verpflichtet fühlt, an seinem Ja-Wort möglichst lange festzuhalten. Vielleicht gibt es aber auch andere Ursachen, die bisher nicht erkannt wurden.

Training oder Therapie

"Ich rate dazu, etwas vorsichtiger mit Scheidungsprognosen umzugehen", sagt Lutz. Zumal bei Risiko-Ehepaaren sonst das Gefühl entstehen könnte, keine Chance zu haben. Prognosemodelle seien nur dann sinnvoll, wenn sie zu erklären vermögen, warum Ehen scheitern. Dazu sei aber immer auch das Gespräch nötig - etwa im Rahmen einer Paartherapie. "Prognosen", sagt Lutz, "dürfen nicht dazu verwendet werden, Paare zu stigmatisieren oder zu entmutigen."

Manche Risikofaktoren lassen sich kaum oder gar nicht verändern - zum Beispiel die Größe des Wohnortes, das Alter oder die Religionszugehörigkeit. "Doch ob eine Ehe glückt oder nicht, hängt auch von Faktoren ab, die beeinflussbar sind, etwa vom Kommunikationsverhalten oder von der partnerschaftlichen Unterstützung", sagt der Scheidungsforscher Bodenmann. "Und die Art und Weise, wie ich mit meinem Partner kommuniziere oder ihm in Stress-Situationen beistehe, kann ich trainieren", so Bodenmann. Eine schlechte Prognose müsse deshalb nicht zwangsläufig das Ehe-Aus bedeuten.

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