Nutzung regenerativer Energien:Forscher an der Sonne

In Freiburg hat sich ein Fraunhofer-Institut zum weltweiten Vorreiter in Solartechnik entwickelt.

Thomas Bührke

Wo sonst als im Breisgau könnte dieses Institut stehen? Einen besseren Standort als die wohl sonnenreichste Region Deutschlands kann es für das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) kaum geben.

Solarenergie

Sonnenanbeter: Ein Arbeiter zwischen Solarmodulen

(Foto: Foto: dpa)

Am Samstag feiert das Institut sein 25-jähriges Bestehen, und es kann dabei auf eine sehr sonnige Karriere zurückblicken. Weltweit zählt es heute zu den führenden Solarforschungsinstituten.

Wer in diesen heißen Tagen das helle Gebäude betritt, den erstaunt die angenehme Kühle im Innern. Dabei läuft in den Büros keine einzige stromfressende Klimaanlage.

Moderne Architektur und ein ausgeklügeltes Belüftungssystem, das im Erdreich vorgekühlte Luft in das Gebäude strömen lässt, sorgen für angenehme Temperaturen. Tageslicht gelangt so in die Räume, dass sich diese im Sommer möglichst wenig erwärmen, Kunstlicht aber nicht benötigt wird. Und selbstverständlich bezieht das Institut einen Teil seines Strombedarfs aus Solarzellen, die rund ums Gebäude und auf dem Dach installiert sind.

Mit ihrem Institut demonstrieren die Freiburger Forscher, wie jeder Bauherr Energie sparen kann. Damit zeigt sich schon ein Kernelement, das den Erfolg des ISE ausmacht: Die Forschung wird effizient in die Praxis umgesetzt. So wurde schon vor 20 Jahren mit Hilfe des ISE der erste Berggasthof Europas mit Solarzellen ausgestattet, das Dach des Dreisamstadions vom SC Freiburg ist mit Solarzellen belegt, und 1992 bauten die ISE-Forscher ein energieautarkes Solarhaus.

Mittlerweile gibt es in Freiburg zwei ganze Stadtviertel, deren energiebewusste Bauweise vorbildlich ist. Hier kommen nicht nur Solaranlagen zum Einsatz, sondern auch moderne Baumaterialien und intelligente Kühl- und Wärmesysteme, in die Konzepte aus dem ISE eingeflossen sind.

Europarekord in Sachen Wirkungsgrad

Die Strahlkraft des Instituts auf die Region ist nicht zu übersehen. Die Internationale Vereinigung der Solarenergie hat sogar ihre Zentrale von Australien nach Freiburg verlegt. Und alljährlich findet hier die Intersolar statt, die weltgrößte Messe für Solartechnik. In der Nähe hat sich eine Fülle von Firmen angesiedelt, darunter 14 Ausgründungen aus dem ISE. Jüngster Ableger ist Concentrix Solar, wo man eine neue Art von Photovoltaikanlagen entwickelt.

Weit über 90 Prozent aller Solarzellen bestehen aus Silizium. Es gibt aber Halbleitermaterialien, die wesentlich höhere Wirkungsgrade ermöglichen. Dazu gehören Verbindungen aus Gallium, Germanium, Arsen und anderen Substanzen. Diese im Weltraum eingesetzten Solarzellen haben jedoch einen Nachteil: Sie sind sehr teuer. Deshalb haben die Forscher des ISE sehr kleine Solarzellen mit einer Kantenlänge von zwei Millimetern (wenig Material) gebaut und das Sonnenlicht mit Hilfe von Linsen konzentriert (hohe Lichtintensität). Heraus kam der Flatcon-Konzentrator.

Jedes Konzentrator-Modul besteht aus 48 dieser Mini-Solarzellen, die am Boden eines Glasgehäuses untergebracht sind. Im Glasdeckel darüber sind Fresnel-Linsen eingearbeitet, wie sie in vergrößerter Form bei Overhead-Projektoren verwendet werden. Jede dieser Linsen bündelt das Sonnenlicht auf eine Zelle und konzentriert dessen Intensität um das 500-Fache. Die am ISE entwickelte Zelle hat einen Wirkungsgrad von über 35 Prozent: Das ist Europarekord.

Eine Demonstrationsanlage mit tausend Watt Leistung ist kürzlich auf Zypern in Betrieb gegangen, eine weitere wird gerade in Ägypten gebaut. "Für große Installationen in sonnenreichen Ländern können wir mit der Konzentratortechnik die Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen senken", sagt Hansjörg Lerchenmüller, der seinen Job im ISE zugunsten des Spin-offs aufgegeben hat. Ab Mitte nächsten Jahres will Concentrix kommerzielle Anlagen verkaufen und dann die Produktionskapazität schnell auf einige Megawatt ausbauen.

Regenerative Energien sind im Aufschwung, Zukunftsängste unnötig

Zweifelsfrei wird aber die herkömmliche Silizium-Solarzelle in absehbarer Zukunft das Arbeitspferd der Branche bleiben. Die boomt derweil wie nie zuvor. Immer mehr Firmen drängen auf den Markt, haben aber meist nicht das Potenzial für eigene Forschung. Für viele ist das ISE Serviceeinrichtung der ersten Wahl. So entstand dort 2005 mit finanzieller Unterstützung des Bundesumweltministeriums das Photovoltaik-Technologie-Evaluationscenter, kurz PV-TEC.

"Auf 1200 Quadratmetern stehen hier die modernsten Anlagen", sagt Daniel Biro, der das PV-TEC mit aufgebaut hat. In Zusammenarbeit mit der Industrie sollen Wirkungsgrade gesteigert und Herstellungsprozesse optimiert werden. "In Deutschland entwickelt sich gerade ein ganz neuer Industriezweig, bei dem wir die Nase vorn haben", sagt Biro. Es versteht sich fast von selbst, dass das ISE für Solarzellen aus multikristallinem Silizium mit einem Wirkungsgrad von 20,3 Prozent den Weltrekord hält.

Zu den neueren Arbeitsgebieten des ISE gehören Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Schon 1998 machten die Freiburger mit einer Mini-Brennstoffzelle auf sich aufmerksam, die einmal Ersatz für Akkus in Handys oder Notebooks sein könnte. "Ganz so weit sind wir aber noch nicht", gesteht Abteilungsleiter Christopher Hebling. Er sieht jedoch gute Chancen für den Markteinstieg - etwa bei den neuen multifunktionalen Handys. Die benötigen immer mehr Leistung, welche die Akkus schnell in die Knie zwingt. Eine kleine Brennstoffzelle, die sich mit einer Gaskartusche überall aufladen ließe, könnte die Lösung sein.

Zukunftsängste muss am ISE also niemand haben. Das Institut profitiert vom Aufschwung der regenerativen Energien. In den vergangenen vier Jahren ist die Zahl der Mitarbeiter um ein Drittel gestiegen. Auch die Fraunhofer-Gesellschaft schaut zufrieden auf das ISE. Sie hat dessen neuen Focus, die Mikroenergietechnik, als eine von zwölf bedeutenden "Perspektiven für Zukunftsmärkte" ausgewählt.

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