Konferenz zum Artenschutzabkommen:Die Sünde, Verbotenes zu begehren

Tiger

Tiger werden trotz Verboten noch immer zu Tausenden getötet und illegal gehandelt - und halten somit eine milliardenschwere Wilderei-Industrie in Gang. 

(Foto: REUTERS)

So verdienstvoll die Idee des Artenschutzabkommens ist, so machtlos hat es sich immer wieder erwiesen. Denn ein wirksamer Artenschutz hat mächtige Gegner, allen voran einflussreiche Lobbys. Und: die Gier der Menschen.

Von Katrin Blawat

Der Ozelot? Kaum mehr der Rede wert. Nilkrokodile? Stehen nicht mehr im Zentrum des Interesses. Die Primaten? Viele von ihnen sind in den Hintergrund gerückt, wenn es um Verbote im internationalen Artenhandel geht. Und selbst Wale werden auf der am Sonntag beginnenden 16. Konferenz des Washingtoner Artenschutzabkommens (Cites) kein wichtiges Gesprächsthema sein. Den Beständen dieser Tiere geht es vielleicht noch nicht rosig - aber ihre schlimmsten Zeiten haben sie überwunden. Und das sei zum großen Teil auch Cites zu verdanken, sagt Volker Homes vom WWF.

Für ihn steht außer Frage: Das seit 40 Jahren bestehende Artenschutzabkommen hat für den Erhalt vieler Tiere Großes geleistet und Schlimmes verhindert. Sogar für all die Elefanten, Nashörner und Tiger gelte das, die trotz Verboten noch immer zu Tausenden getötet und illegal gehandelt werden und eine milliardenschwere Wilderei-Industrie in Gang halten. "Ohne das Abkommen ging es diesen Tieren noch viel schlechter", sagt er.

Durch das Lob klingt allerdings auch ein lautes Aber hindurch. So verdienstvoll die Idee des Abkommens und seine Beschlüsse sind, so machtlos haben sie sich immer wieder erwiesen. Denn ein wirksamer Artenschutz hat mächtige Gegner, allen voran einflussreiche Lobbys. Die könnten, zum Beispiel durch Vertreter aus China, Japan und Indonesien, in diesem Jahr zum Beispiel den Schutz mehrerer Hai-Arten blockieren, befürchtet Volker Homes.

"Das Abkommen hat auch gravierende Probleme", sagt der WWF-Experte. "Die entscheidende Frage ist: Schafft Cites es, die wirtschaftlich wirklich relevanten Arten zu schützen?" Dazu zählen derzeit nicht nur die bekannten großen drei - Elefant, Nashorn, Tiger - sondern, neben den Haien, auch verschiedene Holzarten wie Palisander und Rosenhölzer.

Sorgen macht den Experten dabei nicht nur, ob sich die Vertragsstaaten auf Beschlüsse einigen können, sondern vor allem, ob diese in der Praxis auch Folgen haben. "Oft hapert es an der Umsetzung des Abkommens", sagt der Berliner Wissenschaftler Leinfelder. Denn so streng die Regelungen auch sein mögen, so leicht lassen sie sich in vielen Fällen umgehen.

Begehrt ist, was selten und teuer ist

Zum Beispiel, wenn es um Dokumente für Arten geht, deren Handel nicht komplett verboten ist, sondern nur eingeschränkt. Für sie brauchen die Händler oft Export- und Importgenehmigungen. Damit die Papiere ausgestellt werden - auch an den Cites-Regelungen vorbei - fließen wohl nicht selten Bestechungsgelder, vermuten Experten. Zudem dürfen laut Cites von manchen Spezies zwar keine in der Wildnis gefangenen Exemplare verkauft werden, wohl aber ihre in Gefangenschaft gezüchteten Artgenossen. Dabei braucht es schon einen sehr starken Glauben an das Gute in der Welt, will man darauf vertrauen, dass all diese Herkunftsnachweise der Wahrheit entsprechen.

Kritik an Cites gibt es allerdings auch jenseits solcher Betrügereien. So argumentieren etwa Biologen, das Abkommen könnte in einigen Fällen sogar kontraproduktiv sein. Stehe ein Tier erst einmal auf den Cites-Listen, besiegele das offiziell seinen Seltenheitsstatus. "Das bringt die Art paradoxerweise noch mehr in Gefahr - weil sie dann begehrenswerter erscheint", stellte zum Beispiel ein Team um den französischen Ökologen Franck Courchamp vor einigen Jahren fest. Begehrt ist, was selten und teuer ist - in diesem Punkt funktioniert der Handel mit Tiger, Schildkröte und Hai nicht anders als der mit Gemälden oder Wein.

Macht Cites also womöglich alles nur noch schlimmer? "Nein", sagt der Biologe Vincent Nijman von der Oxford Brookes University entschieden. Möglicherweise habe das Cites-Label zwar einzelne Arten in den Augen illegaler Händler noch wertvoller gemacht. Aber das gelte sicher nicht für die große Mehrheit der Spezies.

Auch Volker Homes hält die möglicherweise paradoxen Folgen eines offiziellen Schutzstatus für kein großes Problem. "Mag sein, dass skrupellose Sammler noch mehr für einzelne Amphibien oder Reptilien zu zahlen bereit sind, wenn sie erst einmal auf den Cites-Listen stehen", sagt er. "Aber das sollte uns nicht davon abhalten, diese Listen weiter auszubauen." So geht es bei der Debatte um Cites um mehr. Im Kern dreht sich alles um die alte Frage, wie sich die Gier des Menschen am besten regulieren lässt: durch Verbote, egal ob es um den Konsum von Alkohol, Drogen oder Rhinozeroshorn geht? Oder doch eher durch die kontrollierte Freigabe des begehrten Guts?

Für letzteres plädiert in einer aktuellen Veröffentlichung Franck Courchamp zusammen mit Kollegen, um den Nashörnern zu helfen. "Die einzige verbleibende Option ist der sorgfältig kontrollierte Handel mit Rhinozeroshorn, das von lebenden Tieren gewonnen wird", schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift Science. Ähnliches hat vergangenes Jahr auch Südafrikas Umweltministerin ins Spiel gebracht und vorgeschlagen, die Nashörner könnten extra zu diesem Zweck auf Farmen gehalten werden, um ihr Horn zu ernten.

Derzeit zumindest findet die Idee jedoch keine breite Unterstützung. "Davon halten wir gar nichts", sagt WWF-Experte Homes. Und Vincent Nijman aus Oxford reagiert auf den Vorschlag gar mit einer entschiedenen Verteidigung des Artenschutzabkommens. "Es ist leicht, Cites zu kritisieren", sagt der gebürtige Niederländer. "Doch vor allem im Vergleich mit manch anderen Konventionen ist das Abkommen keineswegs zahnlos. Es funktioniert - wenn auch mit Einschränkungen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: