Klimawandel:Arktis schmilzt im Rekordtempo

In diesem Jahr wird das arktische Meereis so weit zurückgehen wie noch nie zuvor. Verglichen mit dem bisherigen Negativrekord ist die Eiskappe noch einmal kräftig geschmolzen - und hat eine Fläche von der Größe Deutschlands und Frankreichs verloren.

Christopher Schrader

Die Kurven sehen aus, als würde ein Apfel mit lauter Birnen verglichen. Als ziehe ein gedopter Läufer einem Feld ehrlicher Sportler davon. Die Kurven zeigen die Entwicklung des arktischen Meereises. Es schwankt mit den Jahreszeiten, hat im März seine größte Ausdehnung und reicht dann gewöhnlich bis an die Küsten Sibiriens und Kanadas.

Im September hingegen, wenn die Schmelzsaison endet, ist die Eiskappe jedes Mal am kleinsten. Dieses Jahr, das ist seit drei Wochen klar, wird es einen neuen Negativrekord geben. Grafisch aufgetragen, so wie es mehrere Webseiten täglich aktualisiert anbieten, enteilt die fallende Flächenangabe für 2012 den Kurven aller früheren Jahre in ungeahnte Tiefen.

Der per Satellit 1979 bis 2000 ermittelte Durchschnittswert für das Minimum Mitte September liegt bei 7,5 Millionen Quadratkilometern. Im Jahr 2007 hatte so etwas wie eine neue Zeitrechnung begonnen: Die Fläche schrumpfte damals auf knapp 4,2 Millionen Quadratkilometer. Der Rekord galt fast fünf Jahre, die Ausdehnung blieb in jedem September weit unter dem alten Mittelwert. Doch in diesem Jahr hat die Flächenangabe schon Ende August den Minimalwert von 2007 unterschritten.

Inzwischen liegt sie dem amerikanischen Datenzentrum für Schnee und Eis zufolge unter 3,4 Millionen Quadratkilometern. Die Eiskappe hat also gegenüber dem vorigen Negativrekord fast die Fläche Deutschlands und Frankreichs verloren. Und gegenüber dem Durchschnitt bis zum Jahr 2000 die Fläche Indiens und Pakistans.

Über die Ursachen diskutieren Klimaforscher noch. Eine wichtige ist die allgemeine Erwärmung der Arktis durch den Klimawandel, der sich hoch im Norden dreimal so stark auswirkt wie im Mittel der Erde. Zwar war der Sommer 2012 am Pol nicht besonders warm. Dafür hat Anfang August ein Sturm in der Region das Eis zersplittern lassen, sodass die isolierten Schollen schneller abschmolzen.

Zudem ist das Wasser wärmer als gewöhnlich. Dafür kann der Sturm mitverantwortlich sein, wenn er den Ozean stärker als sonst üblich durchmischt hat. Hier zeigt sich aber womöglich auch eine positive Rückkopplung, die Klimaforscher fürchten. Wenn das Eis verschwindet, das viel Sonnenlicht ins All zurückwirft, fallen die Strahlen auf dunkles Wasser und werden absorbiert. Und wenn sich das arktische Meer deswegen erwärmt, schmilzt das Eis darauf umso schneller.

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