Intelligenz:Zwei Teelöffel mehr Grips

Etliche Gene sind an der Ausbildung unserer Intelligenz beteiligt und die Umwelt spielt auch noch eine Rolle. Doch nun haben Wissenschaftler das bisher stärkste Intelligenz-Gen gefunden. Es macht Menschen um 1,3 IQ-Punkte schlauer.

Christina Berndt

Ein Intelligenz-Gen ist gefunden worden. Das kraftvollste seiner Art. Die Nachricht lässt staunen und weckt sogleich Befürchtungen: Wird es bald eine neue Selektion im Mutterleib geben, um möglichst intelligente Kinder zu bekommen? Doch Aufregung ist völlig unnötig. Denn das neu entdeckte Intelligenz-Gen hat zwar einen so großen Einfluss auf das geistige Leistungsvermögen seines Besitzers wie kein Gen zuvor (Nature Genetics, online).

Gehirn

Hängen Intelligenz und Hirngröße zusammen?  Ganz so einfach ist es nicht.

(Foto: iStockphoto)

Doch ob man die richtige Variante von dieser Erbanlage hat oder die falsche, das macht gerade mal einen Unterschied von 1,3 Punkten im Intelligenzquotienten (IQ) aus. Ein IQ von 100 Punkten ist Durchschnitt, alles zwischen 85 und 115 gilt als normal.

Der Fund des neuen Intelligenz-Gens belege nur noch einmal, dass es zwar erbliche Faktoren gibt, die sich auf die geistige Leistungsfähigkeit eines Menschen auswirken, kommentiert der Neuropsychologe Steven Pinker von der Harvard-Universität. Aber er zeige auch, dass Intelligenz offenbar auf einer großen Zahl von Genen mit jeweils kleinem Effekt beruht und nicht auf wenigen Genen mit durchschlagendem Effekt. Womöglich spielten Hunderte Erbfaktoren eine Rolle.

Die kognitive Leistungsfähigkeit hänge zu einem hohen Prozentsatz vom genetischen Erbe ab, sagt auch der Psychologe Ian Deary von der University of Edinburgh. So viel sei inzwischen sicher, die Umwelt spiele eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.

Doch dass es ein Mastergen für Intelligenz gibt, schließt auch Deary aus: Seit Jahren suchten Forscher nun danach, doch bislang hätten sie kaum Gene beschrieben, die überhaupt nennenswerten Einfluss auf die Intelligenz gesunder Individuen hätten.

So waren auch enorme Anstrengungen nötig, um die Mutation mit der 1,3-Punkte-Verstärkung zu finden. 207 Wissenschaftler aus zwölf Ländern haben sich dafür unter der Führung von Paul Thompson von der University of California in Los Angeles zusammengetan. Sie nahmen DNA-Proben von mehr als 20.000 Menschen und führten mit diesen eine sogenannte Genomweite Analyse durch: Pro Person untersuchten sie mit Hilfe eines DNA-Chips, der kaum größer ist als die Speicherkarte in einem Fotoapparat, eine Million Genabschnitte auf einmal. Außerdem schoben sie ihre Probanden noch in einen Kernspintomographen, um ihnen ins Gehirn zu blicken.

Dabei fanden sie zunächst einen auffälligen Zusammenhang zwischen der Größe des Gehirns und einem Gen namens HMGA2. Dieses Gen ist ein alter Bekannter. Vor Jahren schon zeigte sich, dass es die Körpergröße von Menschen beeinflusst. Doch nun erkannte das Konsortium der 207 Forscher: Wenn im HMGA2 eines Menschen eine einzige Base ausgetauscht ist, nämlich Thymin (T) gegen Cytosin (C), dann ist sein Gehirn um rund 0,6 Prozent größer, also um neun Kubikzentimeter. "C ist der gute Buchstabe", sagte Studienleiter Thompson dem Magazin New Scientist. "Er bedeutet einen Gewinn von etwa zwei Teelöffeln."

Die Forscher wollten mehr über HMGA2 wissen - und suchten bei 1642 Zwillingen aus Australien weiter. Diese hatten im Rahmen einer Studie schon einmal an einem IQ-Test teilgenommen, dessen Ergebnis nun mit den HMGA2-Mutationen verglichen werden konnte. Dabei zeigte sich jener Zuwachs von 1,3 IQ-Punkten für die C-Mutation.

Ein größeres Gehirn soll mehr Intelligenz bedeuten? Solche Überlegungen wurden jahrelang vor allem belächelt. Als skurril gelten inzwischen die Ambitionen des Hirnforschers Oskar Vogt, der Mitte der 1920er-Jahre das Gehirn Lenins auf der Suche nach Belegen für die Genialität des Sowjetführers zerschnitt. Lag Vogt also doch nicht falsch?

"Das Interessante an unserem Befund ist tatsächlich, dass hier ein Gen, das mit dem IQ assoziiert ist, direkt mit der Größe des Gehirns korreliert werden konnte", sagt der Psychiater Hans-Jörgen Grabe von der Universität Greifswald, einer der 207 Wissenschaftler.

Es sei gewiss ein Trugschluss, dass ein großes Gehirn generell für Intelligenz stehe: "Wenn man nur ein großes Gehirn hat, sagt das noch nichts über die Qualität der neuronalen Verschaltungen aus", so Grabe. Dennoch sei es plausibel, dass sich Intelligenz in Strukturen widerspiegele. Die Gene bestimmten schließlich auch alle Formgebung im Körper.

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