Gemischte Gefühle: Eifersucht:Das grüngeäugte Monster

Schon der Verdacht der Untreue kann bei Liebenden tödliche Tobsuchtsanfälle auslösen. Trotzdem gehen Wissenschaftler davon aus, dass das Gefühl evolutionär sinnvoll ist.

Werner Bartens

Es ist normal, manchmal das grüngeäugte Scheusal bei sich wohnen zu haben. So wird seit Shakespeare im Englischen die Eifersucht genannt, und wer sie nicht spürt, sollte sich mehr Sorgen machen als der aufbrausend Argwöhnische, der bei jedem fremden Blick auf seine Liebste sofort dem Tobsuchtsanfall nahe ist und den vermeintlichen Nebenbuhler am liebsten zum Duell herausfordern würde.

Othello

Shakespeares Othello steht für Eifersucht als überwältigendes Gefühl, das nicht mehr kontrolliert werden kann.

(Foto: Getty Images)

Das Gefühl gilt als so verbreitet, dass in jedem noch so dümmlich konstruierten "Tatort" die Kommissare einander verständnisvoll zunicken und die Auflösung des Falls nahe ist, sobald Eifersucht als Tatmotiv aufscheint.

Noch in den 1970er-Jahren erklärten Psychologen die Eifersucht allerdings zu einem krankhaften Wesenszug, der auf verminderten Selbstwertgefühlen beruhte oder als unerwünschte Nebenwirkung der kapitalistischen Gesellschaft galt, in der das ewige Konkurrenzstreben auch zum Kampf um den Partner und emotionalen Auswüchsen führen konnte.

Als überwältigendes Gefühl, das nicht mehr kontrolliert werden kann, ist die Eifersucht spätestens seit Othello bekannt. Der Liebhaber, der in rasender Wut seine Geliebte ermordet, ist ein oft wiederholtes Leitmotiv der Kulturgeschichte.

Dabei ist Eifersucht nicht nur etwas für Erwachsene. Kinder können schon mit sechs Monaten eifersüchtig auf angeblich bevorzugte Geschwister werden. Erwachsene kennen Eifersucht nicht nur auf menschliche Rivalen, sondern auch auf Arbeit oder Hobby des Partners.

Evolutionspsychologen haben in vielen Versuchen das Gefühl in seine Ursprünge und Bestandteile zerlegt. Für sie ist Eifersucht ein evolutionär sinnvolles Muster, das sich zeigt, wenn eine für wertvoll erachtete Partnerschaft und damit die Fortpflanzung bedroht ist. Besonders stark wird die Eifersucht, wenn sich Partner als unterschiedlich attraktiv empfinden. Wer schlechter dazustehen glaubt, ist empfindlicher, wenn vermeintliche oder echte Konkurrenz auftaucht. Für Max Frisch war Eifersucht daher "Angst vor dem Vergleich".

Männer und Frauen sind auf unterschiedliche Weise eifersüchtig, auch wenn Goethe das Gefühl einseitig den Frauen zuordnete, indem er "drei Klassen von Narren" unterschied: "Die Männer aus Hochmut, die Mädchen aus Liebe, die Frauen aus Eifersucht."

Dabei reagieren Männer besonders gereizt beim Verdacht auf sexuelle Untreue und sind eher bereit, die Beziehung zu beenden, wenn sich diese Vermutung bestätigt. Frauen sind hingegen eifersüchtig, wenn sie emotionale Untreue spüren, und bei diesem Tatbestand auch schneller bereit, sich zu trennen.

Aus evolutionärer Sicht wird der Unterschied damit erklärt, dass Frauen vor allem Interesse daran haben, dass ihr Partner als Versorger erhalten bleibt und ihnen daher nicht so wichtig ist, ob er anderswo seine Gene verteilt.

Diese steinzeitlichen Verhaltensmuster sind offenbar auch der Grund dafür, dass Männer eifersüchtiger auf Rivalen sind, die als umsichtige Versorger erscheinen. Hat der Nebenbuhler viel Geld, bereitet das Männern besonders viel Stress. Zudem zeigt die Eifersucht auf sexuelle Eskapaden der Frauen an, dass Männer dadurch verunsichert werden, ob sie tatsächlich der Vater des Kindes sind, das sie bisher für ihres hielten.

Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Frauen reagieren zwar empfindlicher auf erlebte oder vermutete emotionale Untreue, sie fürchten aber vor allem jene Konkurrentinnen, die besonders jugendlich und attraktiv wirken. Sie wissen dann, wo er mit seinen Blicken und Gedanken ist und machen sich verzweifelte Sorgen, wenn sie spüren, dass er nachlässiger ist und nicht mehr auf sie achtet und sie verwöhnt - sie vermuten ihn mit dem Kopf bei einer anderen.

Auf welche Signale Männer und Frauen reagieren, haben die Psychologen Achim Schützwohl und Stephanie Koch an der Universität Bielefeld gezeigt. Sie spielten 94 Studenten eine CD vor, auf der eine Beziehungsszene zu hören war. Neben 19 neutralen Sätzen kamen auch fünf Sätze vor, die als Hinweise für emotionale oder sexuelle Untreue gewertet werden konnten.

Studentinnen konnten sich viel besser an Sätze erinnern, in denen geschildert wurde, dass er nichts mehr mit ihr unternehmen wollte, Streit mit ihr suchte, nicht darauf reagierte, wenn sie ihm ihre Liebe offenbarte, über eine bestimmte Frau nicht mehr reden wollte oder nervös wurde, wenn ein gewisser Frauenname fiel.

Studenten hingegen hatten ein besseres Gedächtnis für Sätze, in denen beschrieben wurde, dass ein Partner plötzlich ungewöhnlich zugewandt wurde, seinen Kleidungsstil änderte, nicht mehr so schnell sexuell erregt war, beim Sex gelangweilt wirkte oder gar keine Lust mehr auf Sex mit dem Partner hatte.

Manche Paarkonstellationen sind offenbar besonders anfällig für Eifersucht. Das Gefühl ist stärker bei Männern, die mit besonders attraktiven Frauen zusammen sind. Frauen sind hingegen eher eifersüchtig, wenn sie einen wohlhabenden Mann haben. Die Eifersucht der Männer steigt in der Zeit, in der die Partnerin ihren Eisprung hat - dann ist die monogame Fortpflanzung besonders bedroht.

"Der Schmerz ist so bitter, weil die Eitelkeit sich gegen ihn sträubt"

Allerdings wurde das evolutionäre Erklärungsmuster für die unterschiedliche Eifersucht von Mann und Frau in jüngster Zeit zunehmend hinterfragt. Seit der Steinzeit hat sich das Paarverhalten ein wenig verändert. Kenneth Levy und Kristin Kelly haben im Fachblatt Psychological Science (Bd.21, S.168, 2010) entdeckt, dass es vielmehr auf die Art der Beziehung ankommt, ob sexuelle oder emotionale Untreue mehr verletzt.

65 Prozent der Teilnehmer, die sich in ihrer Partnerschaft ihre Unabhängigkeit bewahrten, fanden sexuelle Untreue kränkender als emotionale - Männer wie Frauen. Unter jenen, die sich besonders eng an ihren Partner gebunden fühlten und für die Sicherheit in der Beziehung an erster Stelle stand, galt bei 77 Prozent der Probanden emotionale Untreue als der schlimmere Verrat.

Sogar die Größe spielt eine Rolle. Kleine Männer sind eifersüchtiger. Das haben Forscher aus Spanien und den Niederlanden 2008 in Evolution and Human Behaviour beschrieben, die mehr als 540 Frauen und Männer befragt hatten. Dabei zeigte sich, dass Männer unter 1,70 Meter extrem argwöhnisch waren.

Mit zunehmendem Körpermaß ließ die Eifersucht nach, und Männer über 1,90 Meter gingen entspannt mit den Gedanken an vermeintliche Rivalen um. Verständlich, denn große Männer haben die besseren Erfolgsaussichten bei Frauen und können daher Konkurrenz gelassen ertragen, während vertikal benachteiligte Männer mit aller Macht die Frau verteidigen, wenn sie mal eine erobert haben.

Unter Frauen gelten jene mit mittlerer Größe (zwischen 1,68 und 1,76 Meter) als besonders erfolgreich beim anderen Geschlecht; sie sind zudem am gesündesten und bekommen die meisten Kinder. Sie sind daher auch am wenigsten eifersüchtig - mit einer Ausnahme. Ist die Konkurrentin dominanter und kräftiger, werden auch mittelgroße Frauen eifersüchtig, weil sie - so die Erklärung von Evolutionspsychologen - ahnen, dass sie im direkten Kampf unterlegen wären.

Gegen wen negative Gefühle der Eifersucht gerichtet sind, ist nicht so leicht zu bestimmen wie die Gefühlsrichtung bei Liebe oder Hass. Für den Philosophen Spinoza beinhaltete Eifersucht zwei Gefühle - Hass auf den Partner und Neid auf den Rivalen.

Heute verstehen Wissenschaftler Eifersucht als ein komplexeres Gefühl mit unterschiedlichen Adressaten, bei dem Angst vor dem Verlust der Partnerschaft, Neid, Ärger, Trauer, Klammern, Selbstmitleid und soziale Demütigung hinzukommen, wenn sich der Partner abwendet. Kränkung ist auch dabei, Stendhal zufolge ist "der Schmerz der Eifersucht deshalb so bitter, weil die Eitelkeit sich gegen ihn sträubt".

Dass sich Eifersucht in erster Linie gegen die Konkurrenz richtet, ist bei Frauen stärker zu beobachten. In Versuchen mit Studenten, die sich vorstellen sollten, dass sich ihr Partner neu verliebte oder fremd ging, gaben 71 Prozent der Frauen an, primär eifersüchtige Gefühle gegenüber der Rivalin zu entwickeln. Männer richteten ihre negativen Gefühle in erster Linie gegen die Partnerin; nur 45 Prozent waren in Gedanken hauptsächlich mit dem Konkurrenten beschäftigt.

Dieser Beitrag beschließt die Serie Gemischte Gefühle. Die bisher erschienenen Texte finden Sie hier.

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