Ethikrat zu Biosicherheit:Virologie mit Notbremse

Forschung am Vogelgrippe-Virus

In Ungarn hantiert ein Forscher mit einem Impfstoff gegen Vogelgrippe.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Wer mit gefährlichen Erregern forscht, muss künftig prüfen, ob seine Arbeit Terroristen nützt. Das fordert der Deutsche Ethikrat. Zudem soll eine gesetzlich verankerte Kommission Einspruchsrecht bekommen.

Von Christopher Schrader, Berlin

Die Freiheit, in Deutschland mit gefährlichen Krankheitserregern zu forschen und die Ergebnisse zu veröffentlichen, soll in besonderen Fällen eingeschränkt werden können. Das ist die Auffassung des Deutschen Ethikrats, wenn Projekte "Wissen, Produkte oder Technologien hervorbringen, die direkt von Dritten missbraucht werden können, um das Leben oder die Gesundheit von Menschen zu schädigen".

Für solche Experimente empfiehlt das Gremium, das am Mittwoch in Berlin ein Gutachten zur Biosicherheit an Forschungsministerin Johanna Wanka und Gesundheitsminister Hermann Gröhe (beide CDU) übergeben hat, ein mehrstufiges Verfahren. Forscher sollen ihre Vorhaben selbstverantwortlich prüfen, an einen Kodex gebunden werden, aber auch von einer gesetzlich verankerten Kommission für Biosicherheit beraten werden, die sich gegen die Finanzierung oder Veröffentlichung von Arbeiten aussprechen kann.

Der Ethikrat hat seine 300-seitige Stellungnahme auf eine Bitte der Bundesregierung aus dem Jahr 2012 hin vorgelegt. Damals hatten amerikanische und niederländische Wissenschaftler untersucht, wie sich die Virulenz von Vogelgrippe-Viren steigern ließe. Viele Beobachter warnten daraufhin vor der Gefahr, dass Bioterroristen die Erkenntnisse missbrauchen.

"Neue Gesetzgebung steht am Ende der Kette"

Bei der Vorstellung des Gutachtens hat Wanka solche Experimente im Prinzip verteidigt. Um Impfstoffe zu erforschen, müsse man auch gefährliche Mutationen der Erreger erzeugen und untersuchen. Sie begrüßte, dass der Ethikrat zunächst die Selbstverantwortung der Wissenschaftler stärken und Mechanismen dafür schaffen wolle. "Neue Gesetzgebung steht am Ende der Kette", sagte Wanka.

Allerdings ist eine gesetzlich verankerte Kommission für den Ethikrat integraler Bestandteil seiner Empfehlungen. Man wolle eine "Kultur der Verantwortung fördern", erklärte Silja Vöneky, Jura-Professorin an der Universität Freiburg, unter deren Federführung das Gutachten zustande kam. Aber es solle auch eine gesetzliche Pflicht für Wissenschaftler geben, sich von der Kommission über Risiken und Möglichkeiten, sie zu verringern, beraten zu lassen.

Das Gremium werde "große faktische Macht" haben, so Vöneky. Eine Minderheit im Ethikrat hatte sogar angeregt, in besonderen Fällen die Beweislast umzukehren. Wenn wie bei der Vogelgrippe die Ansteckungsgefahr von Erregern steigt, müsste der Forscher nachweisen, dass der Nutzen wahrscheinlich überwiegt, und eine Genehmigung für die Versuche einholen.

Zwei Kategorien von Projekten

Der Ethikrat hat zwei Kategorien von Projekten definiert, die für die Biosicherheit relevant sind. Stellen die Ergebnisse der Versuche keine direkte Gefahr dar, sollen die Forscher lediglich an den noch zu erarbeitenden nationalen Kodex gebunden sein.

Die gesetzliche Kommission wird nur bei Durc-Vorhaben befragt. Das Kunstwort steht für "Dual Use Research of Concern", also besorgniserregende Forschung, die nützlich wie schädlich verwendet werden kann. Dann könnte das Gremium auch verfügen, dass Forscher nur einen Teil ihrer Ergebnisse veröffentlichen dürfen, sagte die Vorsitzende des Ethikrats, die Kölner Medizin-Ethikerin Christiane Woopen.

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