Stockholm:Medizin-Nobelpreis für neue Therapien gegen Parasiteninfektionen und Malaria

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Dank ihrer Arbeit lassen sich Krankheiten besser bekämpfen: William C. Campbell, Satoshi Omura und Youyou Tu erhalten den Nobelpreis für Medizin - der Löwenanteil geht an die Frau.

Der Medizin-Nobelpreis geht in diesem Jahr an drei Wissenschaftler für die Erforschung von Malaria, Flussblindheit und Elefantiasis. Die eine Hälfte erhält die Chinesin Youyou Tu. Die zweite Hälfte teilen sich der gebürtige Ire William C. Campbell und der Japaner Satoshi Omura.

Von Parasiten verursachte Krankheiten träfen vor allem die ärmsten Menschen der Welt, hieß es in der Mitteilung des Karolinska-Instituts. "Die diesjährigen Nobelpreisträger haben Therapien entwickelt, die die Behandlung einiger der verheerendsten Parasitenkrankheiten revolutioniert haben." Der Preis wird am 10. Dezember in Stockholm überreicht.

Wirkstoff gegen Malaria

Die chinesische Pharmazeutin Youyou Tu ebnete den Weg zum heutigen Malaria-Standardmedikament Artemisinin. Ihrem Team gelang es, den entscheidenden Wirkstoff aus der Heilpflanze Einjähriger Beifuß (Artemisia annua) zu extrahieren. Aus dieser Entdeckung resultierten neue Medikamente, die die bis dahin vorherrschende Substanz Chloroquin ablösten, wogegen Malaria-Parasiten resistent geworden waren. Tu ist erst die zwölfte Frau, die mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde.

Noch immer gibt es laut Weltgesundheitsorganisation WHO fast 200 Millionen Malaria-Infektionen im Jahr. Fast eine halbe Million Menschen werden aktuellen Schätzungen zufolge bis Jahresende an der Tropenkrankheit sterben. Experten macht vor allem Sorge, dass sich die Geschichte wiederholt. Mittlerweile sind auch gegen Artemisinin Resistenzen aufgetreten. In fünf Staaten Südostasiens sind derartige Unempfindlichkeiten dokumentiert worden. Tropenmediziner fürchten ein Übergreifen nach Afrika, wo heute 80 Prozent aller Malaria-Fälle auftreten.

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Von Berit Uhlmann

Parasiteninfektionen wie Elefantiasis und Flussblindheit

Campbell und Omura haben das Medikament Avermectin entdeckt, aus dessen Weiterentwicklungen wirksame Mittel gegen Flussblindheit und Elefantiasis gewonnen wurden. Auch Medikamente gegen andere Parasitenerkrankungen basieren auf diesem Wirkstoff. Die Flussblindheit führt zu einer Entzündung der Augen-Hornhaut und damit zum Verlust der Sehkraft. Elephantiasis äußert sich in einer starken Schwellung der Extremitäten; die Opfer - mehr als 100 Millionen weltweit - leiden häufig unter Stigmatisierung.

Omura kultivierte Bakterien, die die Fähigkeit haben, andere Mikroorganismen zu bekämpfen. Campbell untersuchte anschließend diese Sammlung von Streptomyces und fand heraus, dass eine der Komponenten - Avermectin - in den Kulturen wirksam gegen Parasiten war. Sie wurde später zum Wirkstoff Ivermectin weiterentwickelt.

Die Preisträger

  • Youyou Tu wurde 1930 in China geboren. Sie beendete ihr Pharmaziestudium an der Medizinischen Universität von Peking im Jahr 1955 und begann 1965 eine Lehre an der Chinesischen Akademie für Traditionelle Chinesische Medizin, seit 2000 als leitende Professorin. Ihre Forschungsergebnisse für den Malaria-Wirkstoff Artemisinin veröffentlichte sie im Jahr 1981. Tu ist erst die zwölfte Frau, die mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, und die erste Chinesin überhaupt.
  • William C. Campbell wurde 1930 in Ramelton, Irland, geboren. Er studierte an der Universität von Dublin und promovierte im Jahr 1957 an der Universität von Wisconsin. Anschließend arbeitete er unter anderem für das Merck-Insitut für Therapeutische Forschung. Heute ist Campbell emeritierter wissenschaftlicher Mitarbeiter der Drew-Universität in Madison, New Jersey.
  • Satoshi Omura ist der jüngste der diesjährigen Nobelpreisträger. Er wurde im Jahr 1935 in der Präfektur Yamanashi in Japan geboren. Seinen Doktortitel in Pharmazie erhielt er 1968 von der Universität Tokio, einen weiteren Titel in Chemie nur zwei Jahre später von der Naturwissenschaftlichen Universität Tokio. Im Jahr 1975 trat Omura eine Professur an der Kitasato-Universität an. Die Ehre des Medizin-Nobelpreises nahm Omura mit großer Bescheidenheit auf: "Ich dachte 'Darf ich es wirklich sein‽' Denn vieles habe ich ja von den Mikroorganismen gelernt. Es wäre angemessen, wenn man ihnen den Preis verleihen könnte", sagte der 80-Jährige am Montagabend dem japanischen Fernsehsender NHK.

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Von Kathrin Zinkant

Die Nobelpreise werden seit 1901 vergeben. Die Dotierung stieg von anfangs 150 800 auf 10 Millionen Schwedische Kronen. Seit 2012 beträgt das Preisgeld nur noch 8 Millionen Kronen (878 000 Euro), um eine "dauerhafte finanzielle Stabilität" zu gewährleisten. Finanz- und Wirtschaftskrise hatten das Kapitalvermögen der Stiftung gemindert.

Vergangenes Jahr ging der Medizin-Nobelpreis an das norwegische Ehepaar May-Britt und Edvard Moser sowie John O'Keefe aus den USA. Sie fanden im Gehirn grundlegende Strukturen unseres Orientierungssinns. Die Wissenschaftler entdeckten zwei Zelltypen, die Lebewesen ermöglichen, die eigene Position sowie Wege im Gelände zu bestimmen und so eine Art Karte der Umgebung zu erstellen. Dieses "innere GPS" zeige, dass es eine zelluläre Grundlage für höhere kognitive Funktionen gebe, begründete das Nobelpreiskomitee seine Wahl.

Am Dienstag wird der Physik-Nobelpreis vergeben, am Mittwoch der Preis für Chemie, der Literatur-Nobelpreisträger wird am Donnerstag gekürt. Zum Abschluss der Nobelpreis-Woche wird am Freitag in Oslo außerdem der Träger des Friedensnobelpreises verkündet. Der Preis für Wirtschaftswissenschaften hingegen ist formal kein Nobelpreis, der im Testament von Alfred Nobel gefordert wurde. Er wird seit 1968 von der schwedischen Zentralbank gestiftet und in diesem Jahr am Montag nach den fünf traditionellen Auszeichnungen bekannt gegeben.

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