2010 - Jahr der biologischen Vielfalt:Der Mensch greift Raum

Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht, Tierarten sterben aus, Pflanzen verschwinden für immer. Schuld ist meist der Mensch. Doch die Rettung des Arten-Reichtums liegt in seinem Interesse.

Barbara Galaktionow

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Biodiversität, Artenschutz, Reuters

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Biologischer Reichtum - mehr als Artenvielfalt

Die Vereinten Nationen haben 2010 zum Jahr der Biodiversität ausgerufen. Denn die biologische Vielfalt schwindet rapide. Dabei geht es nicht nur um Tier- und Pflanzenarten. Der Begriff der Biodiversität umfasst auch die Fülle an Ökosystemen und Landschaften, in denen die Spezies leben, sowie die genetische Vielfalt innerhalb einzelner Arten. Im Manu National Park in Peru mit seinen Ara-Papageien und Hunderten anderer Tier- und Pflanzenarten ist ein solcher ökologischer Reichtum in seinen Verflechtungen und Wechselwirkungen noch zu finden.

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Biodiversität, Artenschutz, Rene Ries/WWF

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Millionen Spezies

Wie viele Arten auf der Erde existieren, darüber gibt es nur grobe - und äußert unterschiedliche - Annahmen. Gemeinhin werden zwischen zehn und 20 Millionen Spezies angenommen. Extremschätzungen schwanken zwischen drei und mehr als hundert Millionen Arten. Etwa zwei Millionen Tier- und Pflanzenarten sind derzeit wissenschaftlich beschrieben. Immer wieder werden bislang unbekannte Spezies entdeckt, wie Gumprechts Grüne Grubenotter vor etwa einem Jahr in Thailand.

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Rapide Ausrottung

Allen Neuentdeckungen zum Trotz hat die Gesamtzahl der Arten in den vergangenen Jahrzehnten bereits erheblich abgenommen. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN, die als weltweit gültiger Maßstab für die Artengefährdung gilt, sind rund 870 Fälle von ausgestorbenen Arten seit dem 16. Jahrhundert nachgewiesen - die wahre Zahl liegt jedoch vermutlich weit darüber. Bedenklich stimmt vor allem eines: Im Laufe der Erdgeschichte sind zwar immer wieder Arten ausgestorben, doch hat das Tempo, mit dem sich dies inzwischen vollzieht, dramatisch zugenommen.

Der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) zufolge sterben Spezies schon jetzt mit 1000-facher Geschwindigkeit der natürlichen Rate aus. Lag die Aussterberate für Vögel und Säugetiere der Naturschutzorganisation WWF zufolge in den Jahren von 1600 bis 1700 bei einer Art pro Jahrzehnt, so werden heutzutage bis zu 130 Arten ausgelöscht - und zwar täglich. Auch der hier abgebildete Sumatra-Tiger ist vom Aussterben bedroht. Die CBD ist seit ihrer Verabschiedung auf der UN-Konferenz in Rio de Janeiro im Jahr 1992 das zentrale weltweite Abkommen zum Erhalt der biologischen Vielfalt.

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Biodiversität, Artenschutz, dpa

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Gefährdete Tiere

Auf der aktuellen Roten Liste der IUCN werden etwa 17.000 der etwa 48.000 bisher untersuchten Tier- und Pflanzenarten als bedroht verzeichnet. Fast ein Zehntel davon steht akut vor dem Aus. Das bedrohteste aller Ökosysteme sind Gewässer: Fast 37 Prozent aller Süßwasserfische sind gefährdet, wie der Europäische Aal, für den Wissenschaftler ein absolutes Fangverbot fordern. Auch verschiedene Salzwasserarten gelten in der Wildnis als gefährdet, so zum Beispiel der Kabeljau.

Über im Meer lebende Spezies kann die IUCN nach eigenem Bekunden jedoch nur wenige Aussagen treffen, da dieser Lebensraum bislang noch unzureichend erfasst worden sei. Als besonders gefährdet gelten auch Amphibien und Reptilien, bei denen jeweils etwa ein Drittel der Arten vom Aussterben bedroht ist. 22 Prozent aller bekannten Säugetierarten sowie "nur" 12 Prozent der von der IUCN erfassten Vogelarten stehen ebenfalls auf der Roten Liste.

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Bedrohte Pflanzenwelt

Dramatisch sieht es im Bereich der Pflanzen aus: 70 Prozent der Arten sieht die IUCN als gefährdet an. Auch die in Peru und Bolivien ansässige, außergewöhnlich aussehende Puya Raimondii steht auf der Roten Liste. Die größte Bromelie der Welt kann bis zu zwölf Metern hoch werden und produziert nur einmal in 80 Jahren Samen - kurz bevor sie stirbt. Nun könnten Klimaveränderungen ihrem letzten Aufblühen ein Ende setzen. Bei der Erfassung der Pflanzenarten räumt die IUCN allerdings noch große Lücken ein. Insgesamt seien mehr als 12.000 Pflanzenarten auf der Roten Liste verzeichnet, doch weniger als 1000 von ihnen seien umfassend untersucht.

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Zerstörer Mensch

Die biologische Vielfalt der Welt hat vor allem einen Feind: den Menschen. Er zerstört Ökosysteme und natürliche Lebensräume. Durch Ausdehnung seiner Gebiete, Landwirtschaft, aber auch Umweltverschmutzung und als Verursacher der Klimaerwärmung zerstört oder zerstückelt er die Lebensräume vieler Arten drastisch und schnell. Der größte Teil der Vernichtung findet der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen zufolge in den Schwellenländern statt - doch die Industrienationen sind durch Ausbeutung der Rohstoffe dieser Länder und den Kauf daraus hergestellter Produkte direkt oder indirekt an dieser Zerstörung beteiligt.

Der Mensch holzt den Regenwald ab, jagt Treibhausgase in die Luft und verschmutzt die Ozeane. Viele Meeresbewohner krepieren elendig, weil sie den Plastikmüll des Menschen, der sich auch in gigantischen Giftstrudeln sammelt, mit Nahrung verwechseln. Darüberhinaus werden viele Tierarten durch exzessive Jagd und die modernen Methoden der Fischerei an den Rand der Ausrottung gebracht - oder sogar darüber hinaus.

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Biodiversität, Artenschutz, dpa

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Notwendiger Schutz - auch aus Eigennutz

Die biologische Verarmung seiner Umwelt kann dem Menschen nicht egal sein. Denn mit der Vielfalt schwinden nicht nur Erholungsräume oder Nahrungsquellen, sondern auch die materiellen Grundlagen zur Entwicklung von Medikamenten und potentielle Energiequellen. Viel Wertvolles stirbt aus, bevor der Homo sapiens dessen Wert überhaupt erkannt hat. Hinzu kommt: Erst das Zusammenspiel verschiedener Komponenten macht den Planeten bewohnbar für alle Arten, also auch den Menschen.

"Biodiversität ist die Basis allen Lebens auf der Erde", sagt Neville Ash, der bei der IUCN den Bereich Ökosystem-Management leitet. Wenn einzelne Pflanzen oder Tiere verschwinden, können ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten - die Folgen sind nicht absehbar. Was passiert zum Beispiel, wenn Bienen und andere Insekten nicht mehr von Blüte zu Blüte fliegen und so die Pflanzen nicht mehr auf natürliche Weise bestäuben - und sei es nur in einzelnen Gebieten? Der Mensch kann einen solchen Ausfall nicht ersetzen.

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Biodiversität, Artenschutz, dpa

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Konsequenter Schutz

Die UN wollen mit der Ausrufung des Biodiversitäts-Jahres das Bewusstsein für die Bedeutung des Bio-Reichtums stärken. Das ist auch ganz im Sinne der Umweltschutzorganisationen, die hoffen, ihren Forderungen in diesem Jahr vor allem in der Politik endlich mehr Nachdruck verleihen zu können. Denn trotz mancher Erfolge wie zum Beispiel der Wiederansiedlung des Luchses in Deutschland, wurde der große Plan bislang verfehlt: "Wir haben das EU-Ziel, den Artentod bis 2010 zu stoppen, nicht erreicht - und das liegt an der Untätigkeit der Regierungen", kritisierte Ulrike Fokken von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Ausweisung von Naturschutzgebieten und konsequente Berücksichtigung des Artenschutzes bei Bauprojekten, lauten einige der zentralen Forderungen der Naturschützer auf nationaler Ebene. International wollen sie unter anderem durch Handelsverbote für einen besseren Schutz der Regenwälder sorgen. Und grundsätzlich wollen sie erreichen, dass die biologische Vielfalt nicht auf die leichte Schulter genommen wird. Denn, wie WWF-Sprecher Jörn Ehlers sagte: "Das Artensterben ist eine genauso große Bedrohung wie der Klimawandel."

Foto: dpa Text: sueddeutsche.de

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