Zypern-Krise:Was, wenn auch Plan B schiefgeht?

Langsam werden die Unterhändler nervös: Die Regierung in Nikosia muss irgendwie sieben Milliarden Euro auf den Tisch legen - "praktisch sofort", wie EU-Diplomaten sagen. Eine unvorstellbare Summe. Ist es also denkbar, dass Zypern den Euro zurückgibt?

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Am Tag nach der Absage des zyprischen Parlaments an das umstrittene Hilfsprogramm waren in Brüssel alle angespannt und nervös. Olli Rehn ließ sich im Pressesaal entschuldigen. Der für Wirtschaft und Währung zuständige EU-Kommissar sei unabkömmlich, er stehe "in ständigem Kontakt" mit zyprischen Behörden, Zentralbankern und Kollegen aus den Euro-Ländern, erklärte ein Kommissionssprecher.

Keine Zeit also, um Fragen der Reporter zum Plan B für Zypern zu beantworten. Nervös waren auch die Unterhändler der Euro-Gruppe, die sich schon am Morgen getroffen hatten. Sie stehen nach drei Jahren beinahe schon routinierter Euro-Krisen-Rettungspolitik vor einem Novum: Erstmals hat ein nationales Parlament ein mühsam ausgehandeltes Hilfsprogramm abgelehnt - ein Fall, auf den keiner der Beteiligten vorbereitet war.

Am Nachmittag verlautete dann aus der EU-Kommission, man sei bereit, in "den nächsten Stunden und Tagen" einen Plan B aus Nikosia zu beraten. Ziel sei es, noch in dieser Woche eine Einigung über ein Hilfsprogramm zu erzielen. Zugleich erklärte die Behörde schriftlich, der Plan B, also der alternative Vorschlag aus Nikosia, sei nur akzeptabel, wenn er die Schuldentragfähigkeit des Landes garantiere und die "damit verbundenen finanziellen Parameter" garantiere. Mit anderen Worten: Viel Spielraum bleibt den Zyprern nicht.

Wie verhindert man, dass die Bürger ihr Geld außer Landes bringen?

Die internationalen Kreditgeber werden ihre angebotene Summe von zehn Milliarden Euro nicht erhöhen. Und da Zypern insgesamt 17 Milliarden Euro benötigt, muss die Differenz von dem Land selbst aufgebracht werden. EU-Diplomaten warnten am Mittwoch davor zu glauben, der von den Zyprern erwartete neue Vorschlag könne grundsätzlich anders aussehen als der abgelehnte. Die Regierung in Nikosia müsse die benötigten sieben Milliarden "zügig, praktisch sofort" auf den Tisch legen. Dafür gebe es "nicht so viele Optionen", hieß es in diplomatischen Kreisen.

Zugleich warnten hohe Beamte vor überzogenen Hoffnungen auf weitere substanzielle Kredithilfen aus Moskau. Es sei dem früheren kommunistischen Präsidenten Dimitris Christofias nicht gelungen, bessere Konditionen auszuhandeln. "Warum soll es jetzt dem konservativen Regierungschef gelingen?", fragte ein Beamter.

In Brüssel und Frankfurt waren die Verantwortlichen aber nicht nur mit dem Warten auf Plan B aus Nikosia beschäftigt, sondern auch mit der Frage, unter welchen Umständen die Banken in Nikosia wieder geöffnet werden könnten. Auf dem Tisch lagen verschiedene Möglichkeiten, um zu verhindern, dass Bürger sofort ihr Erspartes außer Landes schaffen. Besonders problematisch: Eigentlich gibt es im europäischen Binnenmarkt keine Kapitalverkehrskontrollen. Im Falle Zypern scheinen sie allerdings nötig zu sein. Wie lassen sich die Regeln des Binnenmarktes und nötige Kapitalverkehrssperren vereinbaren?

Durch die Brüsseler Flure waberte am Mittwoch auch eine ganz andere Option. Was passiert, wenn es keine Vereinbarung zwischen Zypern und den Euro-Ländern geben wird? Wenn sich die Unterhändler der Insel weigern, innerhalb weniger Tage die sieben Milliarden Euro auf den Tisch zu legen? Das ist tatsächlich eine riesige Herausforderung, denn es bedeutet nichts anderes, als dass Zypern ein Drittel seines Bruttosozialproduktes einsparen müsste - eine unvorstellbare Summe. Wäre es also möglich, dass Zypern den Euro zurückgibt und wieder eine eigene Währung einführt? Ein hoher EU-Diplomat bezeichnete es als "sehr unwahrscheinlich", dass Zypern den Euro abgibt.

Angst vor dem Dominoeffekt

Zunächst müsste Zypern dafür die Europäische Union verlassen. Das ist nach dem Lissabon-Vertrag möglich. Darin heißt es, ein Land, das die EU verlassen wolle, könne dazu Austrittskonditionen verhandeln. EU-Diplomaten interpretieren dies so: "Theoretisch könnte Zypern nach solchen Verhandlungen an einem Tag aus der EU austreten und den Euro abgeben, und am nächsten Tag wieder über ein besonderes Verfahren in die EU eintreten."

Dass diese Variante blanke Theorie bleiben dürfte, liegt daran, dass Zypern einen Dominoeffekt auslösen könnte. Zuerst wäre Griechenland betroffen. Die Banken beider Länder sind eng miteinander verflochten, viele Unternehmen kooperieren. Heikel ist, dass sich in Griechenland die Krise gerade zurückmeldet. Die Europäische Kommission musste letzte Woche vermelden, dass die Troika, die sich von den Fortschritten beim Reformieren und Sparen in Athen überzeugen wollte, ihre Mission wegen noch nicht erfüllter Auflagen abbrechen musste. "Zusätzliche technische Arbeit" sei nötig, um die Auflagen auch umzusetzen, heißt es in einer Stellungnahme.

Die Experten der internationalen Kreditgeber Griechenlands werden Anfang April erneut nach Athen fahren, um die Umsetzung zu prüfen - und eine weitere Kredittranche freizugeben. Werde die Krise Zyperns nicht gelöst, sei auch das griechische Hilfsprogramm gefährdet, darüber ist man sich in der EU-Kommission einig. Über Auswirkungen auf andere Krisenländer wollte am Mittwoch niemand reden beim Warten auf das Eintreffen von Plan B aus Nikosia.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: