Zwischen den Zahlen:Süße Träume

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Deutschland verpennt seine wirtschaftlichen Möglichkeiten. Und das alles, weil die Bundesbürger müde zur Arbeit gehen. Kein Witz, sondern eine wissenschaftliche Erkenntnis. Die Lösung: morgens einfach mal länger liegen bleiben.

Von Angelika Slavik

Echt jetzt. Der Rest Europas rollt ja heimlich immer ein bisschen mit den Augen, wenn es um Deutschland geht. Diese Pünktlichkeit! Diese Sparerei! Dieses Bruttosozialprodukt! Die Bundesrepublik ist der Streber des Kontinents. Da passt es natürlich gut, dass über die Bundeskanzlerin erzählt wird, sie komme mit fünf Stunden Nachtruhe locker aus. Acht Stunden schlafen? Pah!

Aber nicht nur Angela Merkel demonstriert ihre Leistungsbereitschaft durch geringstmögliche nächtliche Zeitverschwendung. Auch der Rest der Bevölkerung springt früh aus den Federn. Um 6.23 Uhr beginnen deutsche Tage im Durchschnitt, sagt die Statistik. Zu diesem Zeitpunkt haben die Menschen angeblich sieben Stunden und 45 Minuten geschlafen. Nur mal so zum Vergleich: Die Niederländer gönnen sich Tag für Tag fast eine halbe Stunde mehr Schlaf. Das sind jeden Monat 15 Stunden oder übers Jahr gerechnet: eine ganze Woche mehr im Bett.

Vorbildlich, diese deutsche Disziplin, möchte man da denken. Wissenschaftler aber urteilen wesentlich kritischer über die Schlafgewohnheiten der Nation. 57 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung entgingen Deutschland jedes Jahr, weil die Bundesbürger müde sind, besagt eine Studie der Nichtregierungsorganisation Rand Europe. Der Schaden entsteht unter anderem durch "Präsentismus": Die Leute erscheinen pünktlich, sind aber so müde, dass sie völlig ineffizient arbeiten.

Klar, die Gewohnheiten sind unterschiedlich. Auch wenn die Deutschen im Schnitt sieben Stunden und 45 Minuten schlafen, gibt es einen Teil der Bevölkerung, der jede Nacht weniger als sechs Stunden Ruhe bekommt. Ein Albtraum sei das, sagen die Wissenschaftler. Ungesund sowohl für die Menschen, als auch für die Volkswirtschaft. Weniger als sechs Stunden Schlaf bedeuteten ein höheres Risiko, früh zu sterben. Und sie führten zu längeren Ausfallzeiten. Krankenstandstage!

Muss man angesichts dieser Erkenntnisse nicht Maßnahmen ergreifen? Würden die Kurzschläfer ihre Schlafgewohnheiten wenigstens auf sechs bis sieben Stunden die Nacht erhöhen, könnte das allein 32 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung im Jahr mehr bedeuten, glauben die Wissenschaftler. Vielleicht sollte man künftig also morgens einfach mal liegen bleiben. Und wer dann ausgeschlafen gegen 14 Uhr zur Arbeit schlurft, darf sich sicher sein: Heute hat er mal wirklich was geleistet für sein Land.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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