Zwischen den Zahlen:Schnarch-Öl

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Umfragen fördern oft erstaunliche Erkenntnisse zutage - etwa, dass Männer mehr Geld für Fernseher ausgeben als Frauen. Aber braucht man das?

Von Lea Hampel

Mit abstrusen Thesen und den diese belegenden Zahlen ist es oft wie mit Henne und Ei: Was zuerst da war, ist selten klar. Sicher ist: Wo das eine steht, ist das andere nicht weit. Für nahezu jeden Unsinn gibt es Zahlen, die ihn beweisen, ebenso wie für das Gegenteil. Leider allerdings sind Umfragen und Studien längst kein Monopol mehr von Wissenschaftlern und Parteien, sondern auch bei Unternehmen beliebt: Mit Zahlen lässt sich trefflich die eigene Strategie untermauern - und Aufmerksamkeit schaffen.

Das Problem an diesen Umfragen liegt ebenso auf der Hand: Die Ergebnisse sind ebenso erwartbar wie irrelevant. Wer rechnet schon damit, dass Hamburger-Ketten veröffentlichen, zu viel Fleisch mit Brötchen schade der Linie?

Angesichts dieser Überlegungen ist die vom Portal Check24 veröffentlichte Meldung, dass Männer mehr Geld für Fernseher ausgeben (555 Euro) als Frauen (430 Euro), wenig überraschend. Das Ergebnis ist eines von vielen, die eine Auswertung von Kundendaten im sechsstelligen Bereich aus fast zwei Jahren zu Tage gefördert hat. Eine weitere bahnbrechende Erkenntnis: An Sonntagen wird besonders gern online eingekauft, an Freitagen dagegen kaum.

Und doch lassen sich aus diesen Daten interessante Details destillieren. Obwohl die Menschen in Südwestdeutschland als putz- und sparfreudig gelten, liegen sie mit ihren Ausgaben für elektrische Haushaltsgeräte wie Staubsauger im Mittelfeld: 363,63 Euro gaben Menschen aus Baden-Württemberg in dem untersuchten Zeitraum für solche Produkte aus, zwar mehr als der Saarländer, der 316,96 Euro investierte, aber weit ab von der Spitze: 397,31 Euro haben die Brandenburger ausgegeben.

Interessant sind vor allem die Fragen, die sich daraus ergeben: Warum shoppen die Hamburger in der Nacht zwischen null und sechs Uhr häufiger als der Rest der Republik? Warum kaufen Saarländer häufiger am Vormittag ein als Kunden in anderen Bundesländern? Wieso geben Brandenburger besonders viel Geld für Haushaltsgeräte aus? Und warum investieren Frauen insgesamt weniger in Technik, machen aber eine Ausnahme bei Computern, Notebooks und Tablets?

Zwar könnten Antworten darauf so manches Klischee zwischen Geschlechtern und Bundesländern widerlegen und zum bundesdeutschen Frieden beitragen. Doch diese Auflösungen liefert die Auswertung nicht. Wie auch? Dazu müsste die Kundin auf dem Portal anklicken, warum sie etwas tut. Beispielsweise gäbe es ein Häkchen: Ich shoppe, weil mein Mann schnarcht und ich nicht schlafen kann. Oder: Mit dem teuren Computer lässt sich besser angeben.

Bei aller Rede vom gläsernen Kunden wäre das dann doch zu viel verlangt. Also bleibt, zumindest wenn man der Unterhaltsamkeit Vorzug gibt, zu hoffen, dass die Technik so weiter reift, dass durch die Auswertung aller Kundendaten künftig ablesbar wird, ob nach dem Staubsauger auf der nächsten Website ein Anti-Schnarch-Öl erworben wurde. Bis es so weit ist, kann man sich weiter schräge Thesen ausdenken, etwa für nächtliche Kaufwut. Irgendwo gibt es bestimmt die passende Studie. Deren Auswertung könnte beginnen mit: "Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden . . ."

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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