Zwischen den Zahlen:Schlafassistent

Von wegen High-Tech: Wenn sie sich entspannen wollen, greifen Menschen am Liebsten auf ganz Alltägliches zurück - wie das monotone Brummen eines Motors oder die Umdrehungen einer Waschmaschine im Schleudergang.

Von Vivien Timmler

Kleinkinder können ganz schön wählerisch sein. Wenn das Objekt der Begierde der violette Schnuller und partout nicht der gelbe ist, nehmen Eltern das noch mit einem Seufzen hin. Doch beim Schlafen hört der Spaß auf. Beim Durchschlafen sowieso, von dieser Idee haben sich die meisten schon in den ersten Wochen nach der Geburt verabschiedet. Aber einschlafen, das sollte doch möglich sein.

Auch da sind viele Babys allerdings wählerisch. Sie wollen geschunkelt werden, ein wenig Hintergrundmusik dazu, gedimmte Lichtkulisse. Findige Eltern wissen, dass eine Autofahrt diese Ansprüche vereint. Also fahren sie allabendlich eine Runde um den Block. Der Haken an der Sache: Das Kind muss anschließend irgendwie ins Bett überführt werden.

Das brachte den Autobauer Ford auf eine Idee. Für einen Werbe-Gag in Spanien ließ er ein High-Tech-Babybett konzipieren, dass eine Autofahrt simuliert. Die Wiege ahmt nicht nur sanfte Kurven und das Ruckeln der Straße nach, sie gibt dazu noch monotone Motorengeräusche von sich. Ein LED-Lichtband über der Liegefläche imitiert zudem Laternen und vorbeiziehende Lichter des Straßenverkehrs. Und um den Nachwuchs vollends zu überlisten, lässt sich die automobile Schlafkoje per App an die jeweilige Familienkutsche anpassen - genau so, wie Baby es gewohnt ist.

Unmittelbar nach Ausstrahlung des Spots passierte, was passieren musste: Tausende übermüdete Eltern rannten den Ford-Autohäusern die Türen ein, um die Wiege für ihren Nachwuchs zu kaufen. Sie hatten Pech: Den "Max Motor Dreams", wie die Koje heißt, gab es nur für den Spot, er war jedoch nie in Serie gegangen. Ford will das nun nachholen.

Genau beobachten sollten diesen Vorgang die Haushaltsgerätehersteller. Im Dickicht der Video-Plattform Youtube findet man kleine Filmchen, die erstaunlich erfolgreich sind: Waschmaschinen-Videos. Minutenlang zeigen sie laufende Waschmaschinen, mal im Weichspülgang, mal auf Wolle-Stufe, mal mit Daunenjacken samt Tennisbällen befüllt. Die Waschmaschinen-Nerds scheinen eine durchaus beachtliche Community zu sein: Viele der Videos kommen auf Zehntausende Aufrufe.

Es muss also doch nicht immer das neueste "Follow me around" des Lieblings-Youtubers sein. Wer sich wirklich entspannen will, schaut sich das Alltäglichste des Alltäglichen an. Der TV-Sender RBB wusste das schon in den 1990er Jahren: Statt Testbild gab es nach Sendeschluss Zugfahrten aus Fahrerperspektive in Dauerschleife. Und die Schlaflosen schauten zu.

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