Zwischen den Zahlen:Helau!

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Für Karnevalsumzüge ist es nie zu spät. Was sollte sonst mit den ollen Kamellen geschehen? Und: Karneval ist wie die Solarindustrie.

Von Michael Kuntz

Zeitungstexte sollen ja erstens immer gleich am Anfang verraten, worum es geht und zweitens auch meinungsstark sein. Also erstens: Es geht hier um die beiden abgesagten Faschingsumzüge am Rosenmontag in Mainz und Düsseldorf. Und zweitens: Man muss entschieden dagegen sein, dass Narrenumzüge ausfallen. Helau! - Aber warum eigentlich?

Gewichtige wirtschaftliche Gründe lassen sich dafür anführen, dass Fröhlichkeit ihren Platz im Leben behalten sollte, gerade in Zeiten, die nicht immer schrecklich lustig sind. Etwa 3000 Unternehmen mit 40 000 Mitarbeitern setzen pro Jahr zwei Milliarden Euro karnevalsmäßig um - es ist genug, damit sie davon ganzjährig leben können. Und es ist ungefähr so viel, wie das gesamte Geschäftsvolumen der deutschen Solarindustrie. Diese Zahlen übrigens hat nicht ein Irgendwer auf irgendeiner Facebook-Seite zum Besten gegeben oder unter einem Pseudonym getweetet, nein, sie stammen vom wissenschaftlichen Institut der deutschen Wirtschaft IW. Wobei in diesem Falle vielleicht weniger dessen Nähe zu den Arbeitgebern eine Rolle spielt, sondern mehr sein Sitz in Köln, dem Zentrum des rheinischen Karnevals.

Zur offiziellen Wirtschaftskraft des Karnevals kommt nach IW-Erkenntnissen noch die unerforschte Schattenwirtschaft. Bedeutet: Die verkauften Bierdosen am Straßenrand beispielsweise. Selber trinken geht bei den Mengen eher nicht, die sich an 900 000 Besucher in Düsseldorf und 500 000 Narren in Mainz verkaufen lassen. Aber nicht nur die fliegenden Händler bleiben auf ihren Waren sitzen. Wer seinen Imbiss-Stand schon aufgebaut hatte, der hatte Kosten, aber keinen Umsatz. Raffiniert: Das Comité Düsseldorfer Carneval hat sich gegen einen Ausfall des Jecken-Zuges versichert, zum ersten Mal überhaupt. Übrigens bei der für anders gelagerte lustige Treffen berühmten Ergo-Versicherung.

Bei abschweifenden, längeren oder langweiligen Zeitungsbeiträgen empfiehlt es sich, den Leserinnen und Lesern am Ende noch einmal deutlich die Meinung zu sagen, die sie unterwegs vielleicht wieder aus dem Blick verloren haben: Karnevalsumzüge dürfen nicht ausfallen, bereits aus wirtschaftlichen Gründen. Die Mainzer, sie zögern noch. Jedoch: Die Düsseldorfer haben es begriffen und holen ihren Narrenumzug nun am 13. März nach. Bis dahin dürfte die Mindesthaltbarkeit der Kamellen schon noch reichen. Helau.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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