Zwischen den Zahlen:Des Guten Feind

Erinnern Sie sich noch? Disketten für den Computer? Oder diese kleinen, silbernen Scheiben namens DVD? Wer braucht denn so was noch? Die Erfahrung zeigt: Technische Erfindungen sind in der Regel nicht für die Ewigkeit.

Von Helmut Martin-Jung

Wer viel mit der Eisenbahn fährt, gerade auf den Fernstrecken, weiß: Das Bistro ist eigentlich der beste Platz zum Reisen. Geschäftiges Geklapper, das irgendwie beruhigend wirkt. Am Stehtisch ist Platz genug für ein Buch und ein Bier, wahlweise einen dünnwandigen Becher Kaffee, und wer will, kann sich auch in kurzweilige Gespräche verwickeln lassen. Das ist viel wert, gerade wenn man sonst - wie so oft - in ein Abteil geraten ist, in dem sich mehrere Laut-Telefonierer, ein Junggesellenabschied und zwei Kinderwagenfamilien ballen, die natürlich alle ihr Revier abstecken wollen. Seid doch leise, will man in solchen Fällen rufen, um sein Revier zu markieren, macht es aber natürlich nicht. Stattdessen wünscht man sich Kopfhörer herbei, die man aber liegen gelassen hat daheim. Ohropax gingen auch. Oder vielleicht so eine dicke russische Mütze, deren Fell so flauschig und dicht ist, dass kein Ton durchdringt und man sogar den Kopf für ein Nickerchen gut gepolstert nach vorne kippen lassen kann. Aber nichts von alldem führt die Deutsche Bahn mit.

Deren Schweizer Kollegen, genauer gesagt die Rhätische Bahn, sind da weiter. Auch hier gibt es diese Snackwägelchenfahrer, die von vorn nach hinten und retour laufen. Aber in Graubünden haben sie nicht nur "Kaffee, Mineral, Bier" aufgeladen - sondern auch, tatsächlich, Schnuller. In rot natürlich, ausweislich der Beschreibung frei von Bisphenol A-Rückständen und mit praktischer Schraubverpackung. Der Traum eines jeden dünnhäutigen Misanthropen. Schnell verteilt, würde in kürzester Zeit das Gebrabbel der Handymenschen, Junggesellen und Brautjungfern verstummen, das des quengeligen Nachwuchses sowieso, nur das Schmatzen wäre vielleicht noch ein wenig störend. Aber das müsste man wohl hinnehmen, als Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel.

Nun gibt es allerdings ein Problem: die Monopolsituation. Die Schweizer machen das vor: 17 Franken kostet ein einzelnes dieser Hilfsmittel, also derzeit ziemlich genau 16 Euro. Oder umgerechnet: ungefähr zwei Schweizer Bahnbiere. So ein Schnuller könnte im Zweifel also richtig teuer werden, selbst wenn man deutsche Bahnbiere als Maßstab nimmt. Kopfhörer habe er indes nicht im Sortiment, sagt der freundliche Snackwägelchenmann: Sie wissen schon, wegen der möglichen Ruhestörung.

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