Zwischen den Zahlen:Auf einmal weg

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos, dem Treffen der Wichtigen, Mächtigen, Reichen und Schönen herrscht in diesem Jahr eine besondere Art der Schwindsucht. Einige einst omnipräsente Teilnehmer machen sich diesmal rar.

Von Caspar Busse

1889 wurde in der Höhenluft von Davos das erste Tuberkulose-Sanatorium eröffnet. Wenige Jahre zuvor, am 24. März 1882, hatte der deutsche Mediziner und Biologe Robert Koch eine Sensation bekannt gegeben: Er hatte den Erreger der Tuberkulose entdeckt. Der 24. März ist seitdem der Welttuberkulosetag, um die noch immer so gefährliche Lungenkrankheit im Bewusstsein der Menschen zu halten. Auch Thomas Mann trug mit seinem Roman "Der Zauberberg" dazu bei, dass Davos und die Schwindsucht in den Köpfen präsent bleiben.

Eine gewisse Art von Schwindsucht ist diesmal auch beim alljährlichen Treffen der Wichtigen, Mächtigen, Reichen und Schönen in Davos, dem Weltwirtschaftsforum, zu beobachten. Interessant ist nämlich nicht nur, wer alles da ist, wer sich zur Schau stellt und für sich wirbt. Noch aufschlussreicher ist, wer alles nicht nach Davos gekommen ist. Kanzlerin Angela Merkel zum Beispiel, deren Anwesenheit in Berlin in diesen Tagen unerlässlich ist, glänzt mit Abwesenheit, sie hat zumindest Bundespräsident Joachim Gauck und einige Minister geschickt. Nicht sehr auffällig sind in diesem Jahr auch die Russen, sie sind irgendwie von der Bildfläche verschwunden. Da, wo russische Banken 2015 noch rauschende Feste gefeiert haben, herrscht jetzt gähnende Leere.

Oder Audi. Der Hersteller von Luxuslimousinen aus Ingolstadt war in den vergangenen Jahren nie knauserig. In einem überdimensionalen Glaswürfel vor dem Steigenberger-Hotel, dort, wo sich die Wichtigsten treffen, wurden glitzernde Fahrzeuge aus Deutschland ausgestellt. Audi-Chef Rupert Stadler und VW-Patriarch Ferdinand Piëch ließen es sich nicht nehmen, die Prominenz persönlich zu begrüßen und für die teuren Produkte zu begeistern. Und jetzt? Fehlanzeige. Immerhin: Noch immer stehen am Abend im allgegenwärtigen Davoser Stau die vielen dunklen Audi-Limousinen, die ihre kostbare Fracht herumkutschieren.

Kaum etwas zu sehen ist auch von der Deutschen Bank. Früher war Josef Ackermann omnipräsent, repräsentierte die deutsche Wirtschaft, schüttelte den ganzen Tag Hände. Heute muss man sich schon sehr genau auf die Suche nach seinem Nach-Nachfolger John Cryan machen. Er ist so unsichtbar wie inzwischen der Gewinn bei Deutschlands größtem Geldinstitut. Dann aber taucht er bei einer Podiumsdiskussion auf - und macht mit revolutionären Aussagen auf sich aufmerksam: "In zehn Jahren gibt es wahrscheinlich kein Bargeld mehr. Dafür gibt es keinen Bedarf, und es ist schrecklich ineffizient und teuer", glaubt der Brite.

Drei Stunden danach kamen neue schreckliche Nachrichten. Cryan verkündet den höchsten Jahresverlust der Geschichte der Bank. Offenbar will der Deutsche-Bank-Chef nicht nur das Bargeld abschaffen. Es ist eine Schwindsucht der besonderen Art.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: