Zwangssteuer für Bankkunden:Zypern könnte Kleinsparer verschonen

Was sind die Zypern-Vereinbarungen wert? Wegen der empörten Reaktionen könnte die Regierung des angeschlagenen Landes Kleinsparer weniger belasten als geplant - oder sie sogar ganz von der umstrittenen Zwangssteuer befreien. Wütende Reaktionen auf die Abgabe kommen nun auch aus Moskau.

Zyperns Präsident Nikos Anastasiades versucht, die Wut seiner Landsleute wegen der in Brüssel ausgehandelten Zwangsmaßnahmen zu dämpfen. Seine Regierung denkt mittlerweile sogar darüber nach, einen Freibetrag einzuführen, also Guthaben bis zu einer gewissen Höhe komplett von der neuen Abgabe auszunehmen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, derzufolge diese Grenze bei 20.000 Euro liegen könnte. Der Schritt wäre eine Reaktion auf den Aufschrei der Empörung in Zypern, aber auch international, nachdem auch Kleinsparer für die Rettung der Insel geschröpft werden sollten.

Anderen Überlegungen zufolge könnte die Sondersteuer Konten mit weniger als 100.000 Euro nur mit 3,0 statt wie geplant mit 6,7 Prozent belasten. Zum Ausgleich solle die Steuer für höhere Guthaben auf 12,5 Prozent steigen, bislang sind 9,9 Prozent vereinbart. Das Wall Street Journal berichtet unter Berufung auf eine Quelle, Guthaben bis zu 100.000 Euro sollten nach dem neuen Plan mit 3,0 Prozent belastet werden, Beträge über dieser Marke mit 10,0 Prozent und Konten mit mehr als 500.000 Euro mit 15,0 Prozent.

In der Nacht zum Samstag hatte sich Zypern, dessen im Vergleich zur Landesgröße riesiger Bankensektor kurz vor dem Kollaps steht, unter massivem Druck mit den übrigen Staaten der Euro-Zone geeinigt. Zehn Milliarden Euro erhält das Land als Notkredit. Dafür muss es neben Sparprogrammen und strikteren Regeln zur Geldwäsche auch Bankeinlagen besteuern - und zwar auch jene von Kleinsparern. Ein in der Geschichte der Euro-Zone einmaliger Vorgang, denn Guthaben bis zu 100.000 Euro sind eigentlich durch die europäische Einlagensicherung geschützt.

Wird die Last sozial fairer verteilt?

Wenn Kleinsparer verschont werden sollen, müssen Großanleger mehr zahlen. Denn 5,8 Milliarden Euro soll der Privatsektor zum Rettungspaket beisteuern, wurde in Brüssel beschlossen. Wie die Lasten verteilt werden, wenn Guthaben unter 100.000 Euro weniger belastet werden, zeigt dieser Rechner von Reuters. Werden sie ganz verschont, müssten die übrigen Guthaben mit rund 15 Prozent haften.

Demonstrators raise their arms in protest as Cypriot President Nicos Anastasiades's convoy drives to the parliament in Nicosia

Zyperns Präsident Nikos Anastasiades wird auf dem Weg in das zypriotische Parlament in der Hauptstadt Nicosia von wütenden Demonstranten empfangen

(Foto: REUTERS)

Vertreter der Troika signalisieren, dass es Spielraum beim Verhältnis der Beteiligungen gibt. "Es liegt in den Händen der Zyprer, über die Struktur zu entscheiden", sagte EZB-Direktor Jörg Asmussen am Montag. EU-Kommissar Olli Rehn sagte der Financial Times, die Kommission würde auch eine sozial fairere Verteilung unterstützen.

Doch auch wenn das Paket jetzt noch nachgebessert wird: Die Sparer sind massiv verunsichert. Wenn die Banken wieder öffnen, könnte es zu einem Sturm auf die Kreditinstitute kommen und massiv Kapital aus dem Land abfließen. Zudem wird befürchtet, dass auch griechische und italienische Sparer, deren Staaten ebenfalls hohe Schulden haben, ihr Geld aus den heimischen Banken abziehen. Zyperns Banken sollen bis Mittwochmorgen geschlossen bleiben.

Das zyprische Parlament muss die Einigung an diesem Montag aber noch absegnen. Eine Mehrheit für die Regierungspartei ist jedoch unsicher. Die Europäische Zentralbank als Vertreter der Geldgeber hat seit dem Wochenende Abgesandte im Land. Sie machen der zyprischen Regierung Druck, die Abstimmung so bald wie möglich abzuhalten.

Putin verurteilt Zypern-Abgabe

Anastasiades versprach den Sparern im Gegenzug für die Sondersteuer Anteile an den zyprischen Banken - die allerdings derzeit nicht sehr viel wert sein dürften. Am Sonntag stellte er Sparern, die ihr Geld trotz der unsicheren Situation noch zwei Jahre im Land ließen, auch eine Beteiligung an den Erdgasvorkommen der Insel in Aussicht. Bis zu 400 Milliarden Euro könnte der Rohstoff unter dem Meer vor der Insel möglicherweise wert sein - mehr als fünfzig Mal so viel wie der Betrag, den die Regierung sich jetzt von den Anlegern holt. Allerdings hat die Ausbeutung der Vorkommen noch gar nicht begonnen und wird Jahre dauern. Zudem ist noch nicht klar, wie viel sich genau damit tatsächlich verdienen lässt.

Unklar bleibt, auf wen die umstrittene Entscheidung zurückgeht, die Steuer von 6,75 Prozent auch auf Bankeinlagen von Kleinsparern unter 100.000 Euro anzuwenden. Anastasiades präsentiert sich im Land, als hätte ihm der Druck der Geldgeber keine Wahl gelassen. Auch Offizielle, die an den Verhandlungen in der Nacht vom Freitag beteiligt waren, beschreiben, dass Frankreich, Deutschland und die EZB Zypern erpressten und offen mit dem Euro-Rauswurf gedroht hätten. Anastasiades soll den Geldgebern der Financial Times zufolge gesagt haben: "Sie versuchen, uns zu zerstören. Selbst wenn ich dem zustimme, bekomme ich es nicht durchs Parlament."

Glaubt man Bundesfinanzminister Schäuble, waren es jedoch Anastasiades und seine Regierung selbst, die sich weigerten, reichere Kontoinhaber massiver zu besteuern. "Das war die zyprische Regierung, auch die Europäische Kommission und die EZB, die haben sich für diese Lösung entschieden und das müssen sie nun dem zyprischen Volk auch erklären." Kritisiert worden war, dass Schäuble die Beteiligung der Kleinsparer abgesegnet habe, obwohl Bundeskanzlerin Merkel der zyprischen Regierung versichert habe, dies werde nicht passieren. Vor allem in Deutschland war immer eine Beteiligung reicher Anleger auf Zypern gefordert worden. Obwohl es keine verlässlichen Zahlen gibt, gehen Beobachter davon aus, dass viele reiche Russen die Insel nutzen, um ihr Schwarzgeld zu waschen.

Banken in Zypern zahlten enorm hohe Zinsen

Nominal sind die Abschläge auch für Kleinsparer hoch - doch angesichts der in Zypern üblichen hohen Zinsen stellt sich die Sache immerhin schon etwas besser dar. Zyperns Banken haben Sparern zuletzt im Schnitt fast 4,5 Prozent Zinsen gezahlt, zeigen Daten der EZB, viel mehr als derzeit in Deutschland üblich: Hierzulande gibt es 0,5 Prozent.

In Moskau gab es am Morgen ein Sondertreffen zum Thema Zypern. Ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin nannte die Zwangsabgabe "unfair, unprofessionell und gefährlich". Auf zyprischen Konten liegen Milliarden von russischen Staatsbürgern und Unternehmen. Schätzungen, um wie viel Geld es genau geht, gehen weit auseinander. Wie viel davon Schwarzgeld ist, ebenfalls. Ausländische Einlagen sind etwa so hoch wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt des Staates.

Die Festlegung auf 9,9 Prozent für jene mit mehr als 100.000 Euro - wozu sowohl zyprischer Rentner als auch russische Geschäftsmänner zählen dürften - wirkt, als habe man einen zweistelligen Zinsbetrag um jeden Preis vermeiden wollen. Kritiker fragen sich, ob die Zyprer reiche Ausländer nicht verschrecken wollen, um langfristig weiter als Steuerparadies attraktiv zu sein.

Anleger an den Finanzmärkten reagierten nervös auf die Entwicklungen in Europa. Der japanische Leitindex Nikkei gab am frühen Montag fast drei Prozent nach, das ist der stärkste Kursrückgang seit zehn Monaten. Der deutsche Leitindex Dax verlor zum Start mehr als ein Prozent. Anleger zweifeln auch vermehrt am Euro: Der Kurs der Gemeinschaftswährung zum Dollar ging im Vergleich zum Freitag um mehr als einen Cent zurück.

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