Zusteller als Pflegehelfer:Wenn der Postmann nach dem Rechten schaut

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Der Briefträger bringt die Post - und vielleicht auch freundliche Worte. (Foto: dpa)
  • Im Mai startet in Bremen das Pilotprojekt "Post Persönlich", für das die Stadt mit der Deutschen Post und anderen Partnern kooperiert.
  • Geplant ist, dass die Zusteller zunächst in einem Stadtteil bei interessierten Senioren klingeln und fragen, wie es ihnen geht.
  • Zu den Aufgaben soll es auch gehören, die Menschen über die Dienstleistungen von Wohlfahrtsvereinen zu informieren.

Von Felicitas Wilke, München

"Please Mister Postman", flehen die Beatles den Briefträger in ihrem gleichnamigen Song aus dem Jahr 1963 an, er möge "bitte, bitte" noch einmal in seiner Tasche nachschauen, ob nicht doch ein Brief für sie dabei sei.

Auch viele ältere Menschen kennen das Gefühl, dass sich nur selten jemand bei ihnen meldet. Der Partner und die Freunde sind oftmals schon verstorben, die Kinder weit weg. In Bremen sollen bald Briefzusteller bei älteren Menschen nach dem Rechten sehen. Auch dann, wenn sie keine Post für sie haben. Im Mai startet dort das Pilotprojekt "Post Persönlich", für das die Stadt mit der Deutschen Post und anderen Partnern kooperiert.

Geplant ist, dass die Zusteller zunächst in einem Stadtteil bei interessierten Senioren klingeln und fragen, wie es ihnen geht. Zu den Aufgaben soll es auch gehören, die Menschen über die Dienstleistungen von Wohlfahrtsvereinen zu informieren. Brauchen sie Unterstützung, rufen die Briefträger den Johanniter-Hausnotruf an, benötigen sie Bargeld, bringen die Post-Mitarbeiter einen bei der Sparkasse vorbestellten Betrag vorbei. Dann ziehen sie weiter. Das Projekt soll den Rentnern dabei helfen, länger in ihrem Zuhause wohnen bleiben zu können - und sicherstellen, dass regelmäßig jemand nach ihnen schaut.

Neues Geschäftsfeld

Umsonst wird die Post die Dienstleistung nicht anbieten, vielmehr sieht sie darin ein mögliches neues Geschäftsfeld. Wie viel die Senioren dafür bezahlen sollen, möchte das Unternehmen erst in den kommenden Tagen bekannt geben. Vor knapp vier Jahren hatte die Post im Ruhrgebiet schon einmal einen ähnlichen Dienst angeboten und damals rund 40 Euro im Monat in Rechnung gestellt - zu viel, wie sich zeigen sollte. Das Angebot wurde nach einiger Zeit wieder eingestellt, weil es nicht genügend Menschen genutzt hatten.

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Der Beruf des Briefzustellers gilt ohnehin schon als ein Job, in dem die Beschäftigten unter Zeitdruck stehen. Dennoch halten Arbeitnehmervertreter das Bremer Pilotprojekt grundsätzlich für keine schlechte Idee. "Wir begrüßen es, dass die Post in Zeiten rückläufiger Briefsendungen die Tätigkeit der Zusteller vernünftig ergänzt", sagt Heiko Gehlken, Betriebsrat bei der Post in Bremen und ehrenamtlicher Funktionär bei der Gewerkschaft Verdi. Die Zusteller kommen ohnehin bei den Menschen vorbei, argumentiert er, warum sollten sie nicht auch nach dem Rechten sehen? Allerdings müsste man den Mitarbeitern dann auch mehr Zeit einräumen, um ihre Routen zu schaffen. "Es ist wichtig, dass die Touren dann auch großzügiger bemessen werden", sagt Gehlken. Die Deutsche Post stellt klar, dass man das Projekt "nicht auf dem Rücken der Zusteller" austragen werde. Weil das Unternehmen die Dienstleistung vorerst nur in einem Stadtteil ausprobiert, stellt sie keine neuen Mitarbeiter ein und ändert erst einmal nichts an den bisherigen Arbeitsabläufen. Man wolle zunächst erste Erfahrungen sammeln, heißt es bei der Post.

Bleibt die Frage, was es den älteren Menschen bringt, wenn der Briefzusteller regelmäßig nach ihnen schaut. "Prinzipiell ist es eine gute Sache, wenn die Post ein Auge darauf hat, wie sie die Situation von Rentnern verbessern kann", sagt Benedikt Dederichs vom Sozialverband Deutschland. Nur: Das Angebot müsse nicht nur bezahlbar sein, sondern die Zusteller müssten auch die Kapazitäten bekommen, sich für ihr Gegenüber Zeit zu nehmen. "Wenn man das ernsthaft betreiben möchte, dann reicht es nicht, sich nur kurz nach dem Befinden zu erkundigen", findet Dederichs.

"Post persönlich" gehört zu einer Reihe von Angeboten der Stadt Bremen für ihre älteren Bewohner. Der Wissenschaftler Herbert Kubicek von der Universität Bremen wird das Pilotprojekt, das bis Ende 2019 dauern soll, im Anschluss auswerten und der Frage nachgehen, welche Dienstleistungen die Senioren tatsächlich nutzen und gebrauchen können. Dann wird sich zeigen, ob es für die Menschen immer ein Grund zur Freude ist, wenn der Postbote klingelt. Selbst wenn er keinen Brief im Gepäck hat.

© SZ vom 10.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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