Zumwinkel: Urteil im Prozess:Denn er wusste, was er tat

Glimpfliches Ende für Klaus Zumwinkel: Das Bochumer Gericht erspart dem ehemaligen Postchef eine Haftstrafe - und doch verurteilt es ihn mit deutlichen Worten.

Hans Leyendecker, Bochum

Kurz vor 14.35 Uhr am Montagnachmittag war die Stimmung auf der Anklagebank noch gelöst. Der Kölner Anwalt Rolf Schwedhelm plauschte fröhlich mit dem wegen Steuerhinterziehung angeklagten früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel. Dessen zweiter Verteidiger Hanns Feigen unterhielt sich munter mit der Staatsanwältin Daniela Wolters und dem Oberstaatsanwalt Gerrit Gabriel.

Zumwinkel: Urteil im Prozess: Klaus Zumwinkel verlässt den Gerichtssaal in Bochum - er kam mit einer Bewährungsstrafe davon.

Klaus Zumwinkel verlässt den Gerichtssaal in Bochum - er kam mit einer Bewährungsstrafe davon.

(Foto: Foto: AP)

Der Prozess schien aus Sicht Zumwinkels außerordentlich gut zu laufen. Eine Haftstrafe ohne Bewährung, das stand früh fest, würde es nicht geben. Auch der Strafverfolger Gabriel hatte sich in seinem Plädoyer gegen "populistische Rufe nach einer hohen Strafe" gewandt. Zwei Jahre Haft mit Bewährung hatte er beantragt, aber auf den Gerichtsfluren in Bochum war noch gegen Mittag von den meisten Experten gewettet worden, dass die 12. Große Wirtschaftsstrafkammer deutlich unter dieser Meßlatte liegen würde.

Interessiert an Bagatellen

Dann verkündete der Vorsitzende Richter Wolfgang Mittrup das Urteil: Doch zwei Jahre Haft mit Bewährung. Die Mienen auf der Anklagebank verfinsterten sich. Zumwinkel hatte plötzlich sehr schmale Lippen. Er hatte wohl mit einer etwas geringeren Strafe gerechnet.

Nach insgesamt dreieinhalb Stunden Verhandlung ging dann kurz vor 15 Uhr ein Prozess zu Ende, der nach dem Bemühen aller Beteiligten ganz normal sein sollte, aber doch nach speziellen Regeln ablief. In Bochum wurde eine Kulisse aufgebaut, um den Eindruck zu verhindern, hier handele es sich möglicherweise nicht um eine ganz gewöhnliche Hauptverhandlung. Das Gericht hatte selbst bei Bagatellen nachgehakt, wo es gar keiner Nachfrage mehr bedurfte.

Es war aber trotz aller Anstrengungen kein normaler Prozess, weil Zumwinkel kein normaler Angeklagter war und weil selbst die politische Öffentlichkeit in seinem Fall nie viel von der Unschuldsvermutung hielt. Fast wortgleich prangerten Verteidigung und Staatsanwaltschaft in ihren Plädoyers die "Vorverurteilung" des Angeklagten an. Staatsanwaltschaft und Verteidigung waren sich auch in unterschiedlichen Nuancierungen über die "Lebensleistung" Zumwinkels einig. "Er hat sich um dieses Land verdient gemacht", sagte Anwalt Feigen. Strafverfolger Gabriel sprach von einem "beeindruckenden Lebensweg" und ließ bei der Schilderungen der Ehrungen nicht einmal den "Bambi" aus.

Unselige Idee

Aber einen zusätzlichen Orden mochte auch die Staatsanwaltschaft Zumwinkel nicht verleihen: Dieser Ehrenmann sei vor 23 Jahren leider der "unseligen Idee verfallen" (Gabriel), dass er bereits versteuertes Geld nicht noch einmal versteuern wolle und habe deshalb heimlich in Liechtenstein eine Stiftung gegründet. Für die ohnehin karge Kommunikation zwischen den Vaduzer Bankleuten und dem deutschen Manager seien Codewörter vereinbart worden. Und damit sein Fahrer nicht erfuhr, mit wem sich Zumwinkel in der Steuerfeste traf, musste er seinen Chef in Grenznähe aussetzen.

"Zumwinkel wusste sehr genau, was er tat", sagte Gabriel. Der vermögende Angeklagte hätte das "nicht nötig gehabt". Das Wort "Gier" liege sehr nahe.

Feigen räumte alle Vorwürfe ein, wies aber auch sofort darauf hin, dass der Angeklagte nicht nur geständig gewesen sei, sondern die Steuerschuld in Höhe von knapp vier Millionen Euro gleich bezahlt habe. Auch habe Zumwinkel durch die Aufgaben aller seiner Ämter und Posten mittlerweile einen zweistelligen Millionenbetrag verloren, erklärte Feigen.

Gefährliches Urteil

Richter Mittrup blieb in seiner mündlichen Urteilsbegründung bei der Linie seiner Kammer: Bei Steuerhinterziehung in Höhe von knapp einer Million Euro sei nur dann von einer Haftstrafe ohne Bewährung abzusehen, wenn es - wie im Fall Zumwinkel - gewichtige Milderungsgründe gebe. Dazu gehöre das frühe Geständnis, die Lebensleistung, seine Vorverurteilung und die prompte Schadenwiedergutmachung. Belastend für ihn sei, dass er über zwei Jahrzehnte Steuern hinterzogen habe. Er sei früh vermögend gewesen. Das Streben nach "immer mehr Reichtum" durch Steuerhinterziehung sei "nicht zu erklären".

Staatsanwaltschaft und Verteidigung verzichteten noch im Gerichtssaal auf Rechtsmittel. Zwei Jahre Haft auf Bewährung sind für Zumwinkel nicht ganz ungefährlich. In Bonn läuft gegen ihn ein Verfahren wegen der Spitzelaffäre bei der Deutschen Telekom, deren Aufsichtsratsvorsitzender er war. Sollte sich herausstellen, dass er den Auftrag gegeben hat, undichte Stellen im Konzern mit allen Mitteln ausfindig zu machen, könnte ihm, theoretisch, eine weitere Bewährungsstrafe drohen. Er ist in der Angelegenheit noch nicht vernommen worden, und ließ durch einen Sprecher alle Vorwürfe bestreiten.

Falls die Staatsanwaltschaft aber zu einem anderen Ergebnis kommen sollte, könnte es für ihn angesichts der zwei Jahre von Bochum bei einer eventuellen Gesamtstrafe plötzlich doch noch eng werden.

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