Zum Tod von Klaus Zapf:Launiger Despot

Zum Tod von Klaus Zapf: Der Umzugsunternehmer Klaus Zapf ist im Alter von 62 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.

Der Umzugsunternehmer Klaus Zapf ist im Alter von 62 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.

(Foto: Imago Stock&People)

Bei ihm arbeitete die proletarische Elite: Im Alter von 62 Jahren ist der Berliner Umzugsunternehmer Klaus Zapf gestorben. Zum Tod eines liebenswürdigen Firmenpatrons, der sich bis zum Schluss treu geblieben ist.

Von Alexander Mühlauer

Am Kreuzberger Spreeufer gibt es eine Lenin-Statue. Klaus Zapf hat sie dort mal aufstellen lassen, in Kies gebettet, zwischen Kundenparkplatz und Kartonverkauf. Gelbe Container und Lastwagen stehen um den Lenin rum, es ist der Speditionshof von Zapf Umzüge, Köpenicker Straße 14, Berlin, 030-61061.

Von hier aus hat Klaus Zapf eines der größten Umzugsunternehmen Europas aufgebaut. Die gelben Lkws mit dem blauen Schriftzug kennt man auf Deutschlands Straßen. Einst trugen sie den linken Adelstitel "West-Berlins bestes Umzugskollektiv". Weit über 30 Jahre schleppte Klaus Zapf selbst das Zeug fremder Leute für wenig Lohn über viele Treppen von A nach B. "Beim Umzug erleb' ich die Leute beim Aufsteigen und Absteigen", sagte Zapf gerne. Oder: "Möbelpacken ist Strafarbeit." Auch so ein Zapf-Satz. Er sagte es, grinste und schob dann ganz ernst hinterher: "Vom Größenwahn wirst du hier jeden Tag geheilt."

Zapf war der Pragmatiker unter den Idealisten

Anfang der Siebzigerjahre zog Klaus Emil Heinrich Zapf aus dem nordbadischen Eppingen nach West-Berlin. Weil er nicht zur Bundeswehr wollte. Sein halbherziges Jurastudium, die durchzechten Nächte und seine Genussmittel finanzierte sich Zapf mit Wohnungsentrümpelungen. Er kaufte einen gebrauchten Ford Transit und begann, Keller auszuräumen. Zapfs drei Vornamen bürgten für die vermeintliche Firmentradition, die körperliche Gestalt eines Kneipiers weckte Vertrauen.

Und so wurde Zapf zum Etikett eines alternativen Umzugskollektivs von Dauerstudenten, angehenden Ärzten, Hausbesetzern und anderen Paradiesvögeln, die selbst dem Möbelschleppen noch ein politisches Ansinnen abringen konnten. "Zapf Umzüge - im Besitz der Belegschaft" stand auf den gelben Umzugswagen. Dazu das Firmenlogo, eine blaue Weltkugel mit dem Spruch "Mens agitat molem": "Der Geist bewegt die Masse."

Wer damals mit Zapf umzog (und nicht mit den Kapitalistenschweinen) konnte sein Gewissen beruhigen. Man war Teil der Masse. Kein Wunder, dass bei Zapf die Leute aus den Berliner Bezirken Dahlem und Zehlendorf, wo die Gutbetuchten der Stadt wohnen, damals mehr bezahlen mussten als Kunden im Wedding oder in Kreuzberg.

Irgendwann war das Modell der Beteiligungsgesellschaft am Ende. Es gab immer wieder Streit, um die politische Linie, um Löhne und Hierarchien. Am Ende blieb einer übrig: Klaus Zapf. Er war der Pragmatiker unter den Idealisten und Ideologen. Einzig das Prinzip der alternativen Selbstausbeutung habe er aus der Kollektivzeit hinübergerettet, warfen ihm ehemalige Weggefährten vor. Nur dass eben aus alternativ lukrativ geworden sei.

"Bei mir arbeitet die proletarische Elite"

Ende der Siebzigerjahre begann Klaus Zapf mit ersten Auslandsumzügen und baute die Abteilungen Europäischer Fernverkehr und Übersee auf. Dabei halfen ihm Betriebswirte und Diplomingenieure, die in der ersten Generation bei Zapf jobbten. Er betrieb dann das, was man heute Outsourcing nennt. Ehemalige studentische Möbelpacker gründeten nach ihrem Uni-Abschluss eigene Filialen in Stuttgart, Freiburg, Hamburg. So hielt Klaus Zapf seine Leute zusammen und konnte das sein, was er immer wollte: sein eigener Chef, der sich von niemandem etwas sagen lassen musste.

In der Öffentlichkeit inszenierte sich Zapf als ruppiger Boss mit langem Bart, mal großzügig, mal knallhart. Zapf war ein Firmenpatron mit der ihm eigenen Mischung aus Liebenswürdigkeit und launigem Despotismus. "Bei mir arbeitet die proletarische Elite", sagte er nicht ohne Stolz. Auf Aktionärsversammlungen war er als Berufskläger berüchtigt.

Ihn bewegte die Tristesse, auf die er traf

In den vergangenen zehn Jahren zog er sich immer mehr zurück. Früher, ja früher, war es anders, da saß er jeden Abend nach der Arbeit in seiner Stammkneipe "Diener" in Charlottenburg. Dort traf er Schauspieler, Maler, Journalisten und Rechtsanwälte. Er kannte sie alle, sie sind ja mit ihm umgezogen. Der Unternehmer Zapf zählte zu den Gästen, die dort ihren eigenen Bierkrug hatten.

Er erzählte dann gern von seinen Einblicken ins linksgroßbürgerliche Milieu des guten alten West-Berlin; vor allem bewegten ihn die Geschichten und die Tristesse, auf die er traf, wenn er vorbeikam, um aufzuschreiben, was für den Umzug zu tun war. "Die Probleme ziehen immer mit", sagte Zapf.

Auf die Frage, ob er ein Vorbild habe, antwortete er einmal nach drei Minuten Nachdenkzeit: O ja, die Hauptfigur aus dem Roman "August Weltumsegler" des norwegischen Nobelpreisträgers Knut Hamsun. Dazu muss man wissen: August ist ein rastloser Seefahrer und Aufschneider. Und doch der einzig wirklich gute Mensch, der nicht egoistisch denkt wie all die anderen. Den Unterschied zwischen Dichtung und Wahrheit nimmt er nicht so genau. "Der geht in die große Welt hinaus, hat verrückte Ideen. Doch nichts klappt so richtig. Da ist alles total schräg. Der persifliert das Ökonomische", freute sich Zapf diebisch, als er das einmal erzählte.

Nun, im Alter von 62 Jahren, ist Klaus Zapf an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.

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