Zukunft von Deutscher Bank:Angst vor den Investmentbankern

Postbankstreiks in NRW

Ende einer schwierigen Beziehung: Eine Postbank-Mitarbeiterin demonstriert am Freitag vor der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt.

(Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Die Deutsche Bank will schrittweise Aktien der Tochter Postbank verkaufen. Spätestens 2018 will der Konzern die Beteiligung komplett los sein.
  • Detaillierte Pläne wollen die Chefs der Deutschen Bank am Montag vorstellen.
  • Die Mitarbeiter der Postbank begrüßen einen Eigentümerwechsel - dennoch wollen sie ihren derzeitigen Streik fortsetzen. Einige Filialen werden geschlossen bleiben.
  • Kritiker monieren, dass sich durch den Verkauf der Postbank die Gewichte bei der Deutschen Bank in Richtung Investmentbank verschieben.

Von Harald Freiberger, Stephan Radomsky und Meike Schreiber, Frankfurt

Die Stimmung soll ziemlich gut gewesen sein, oben in der 34. Etage - ganz anders als unten, draußen vor der Tür. Am Freitag traf sich zunächst der Vorstand in den Zwillingstürmen der Deutschen Bank, um die Strategie für die nächsten Jahre festzulegen. Anschließend präsentierte er die Pläne dem Aufsichtsrat. Co-Chef Anshu Jain war dabei ganz heiter und gelöst, berichten Teilnehmer. Wohl deshalb, weil er schon wusste, dass es gut laufen würde für ihn.

Die Sitzung dauerte fast acht Stunden, um 23 Uhr dann das Ergebnis: Der Aufsichtsrat stimmt dem Vorschlag des Vorstands einstimmig zu. Der Kern ist die Trennung von der Postbank, in die man erst 2008 eingestiegen war. Die Filialen der Deutschen Bank bleiben im Konzern, sollen aber schrumpfen, ebenso wie das Investmentbanking. Genauso hatten es die Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen gewollt, sie können sich als Sieger dieses ereignisreichen Freitags fühlen. Details wollen sie am Montag präsentieren.

Wer aber sind die Verlierer? Was wird aus den knapp 15 000 Mitarbeitern der Postbank? Einige Hundert von ihnen hatten mittags vor der Zentrale protestiert und in ihre Trillerpfeifen geblasen, so laut, dass es bis in den 34. Stock zu hören war. Es geht ihnen um die stockenden Tarifverhandlungen, sie wollen 5,5 Prozent mehr Gehalt, vor allem aber eine Jobgarantie bis 2020. Auch die Unsicherheit vor der Zukunft hat sie hergetrieben. "Die Deutsche Bank wollte ja nie uns Mitarbeiter haben, sondern nur die Kunden", sagt eine Angestellte aus der Frankfurter Postbank-Verwaltung. "Es ist besser, wenn wir einen neuen Eigentümer bekommen - auch wenn man nicht weiß, was der vorhat."

Verdi-Chef Frank Bsirske brachte Arbeitnehmerlager auf Linie

Die Deutsche Bank hat bisher nur mitgeteilt, dass sie die Postbank "entkonsolidieren" will, das heißt ihren Anteil, derzeit 94 Prozent, zunächst unter 50 Prozent zu drücken. Passieren soll dies über einen Börsengang, der ab sofort vorbereitet wird. Von 2016 an dürften die Aktien dann schrittweise verkauft werden. Am Ende, wohl 2017 oder 2018, will die Deutsche Bank die Beteiligung ganz los sein. Auch für einen großen Investor ist sie nach wie vor offen. Genannt werden immer wieder die spanische Großbank Santander und die französische BNP Paribas.

Am Sonntag veröffentlichte das Institut die Ergebnisse des ersten Quartals 2015. Der Gewinn vor Steuern fiel zwar um zwölf Prozent auf 1,48 Milliarden Euro, doch es hatten 1,5 Milliarden Euro für Rechtsstreitigkeiten aufgewendet werden müssen, vor allem für den Libor-Skandal. 200 Millionen Euro Gewinn steuerte die demnächst "entkonsolidierte" Postbank bei.

Eine wichtige Rolle in der Aufsichtsratssitzung spielte die Gewerkschaft Verdi, die bei der Postbank traditionell stark ist. Sie rang lange mit sich, ob sie dem vorliegenden Modell zustimmen sollte. Am Ende entschied sie sich dafür, weil es aus ihrer Sicht die beste Lösung ist, um Jobs zu erhalten. Vor allem Verdi-Chef Frank Bsirske brachte das Arbeitnehmerlager auf Linie.

Die Alternative wäre gewesen, das Privatkundengeschäft komplett vom Konzern abzuspalten, also inklusive der Filialen der Deutschen Bank. Die Kernbank hätte dann nur noch als Investmentbank weiter existiert, die große Unternehmen und große Vermögen betreut. Von dieser radikalen Lösung, die vor allem die Investoren wünschten, waren Fitschen und Jain zuletzt abgerückt.

Das Arbeitnehmerlager stimmte dem Verkauf der Postbank zu, weil es fürchtete, dass eine komplette Abspaltung des Privatkundengeschäfts noch viel mehr Arbeitsplätze gekostet hätte. Deutsche Bank und Postbank wären dann wohl zusammengelegt worden. Die Folge wäre ein starker Abbau von Filialen und Stellen auf beiden Seiten gewesen. Nun hofft man, dass sich der Abbau im Rahmen hält. Bei der Deutschen Bank, heißt es, könnten ein Drittel der etwa 750 Niederlassungen und 5000 bis 7000 der insgesamt 48 000 Stellen wegfallen. Die Arbeitnehmerseite hofft, dass dies ohne betriebsbedingte Kündigungen möglich ist.

Und bei der Postbank? Verdi erwartet, dass die Jobgarantien bis 2020 nun sogar leichter gewährt werden könnten. Denn zuletzt war es vor allem der Eigentümer Deutsche Bank, der die Garantien verweigerte. Er sah sie als Hinderungsgrund für einen großen Investor, die Tochter zu kaufen. Dieses Argument fällt nun weg, da ein Börsengang angestrebt wird, kein Verkauf. Die Entscheidung der Deutschen Bank ändere aber nichts am Arbeitskampf bei der Postbank, hieß es am Sonntag von der Gewerkschaft Verdi. Es gehe bei dem Streik um eine Verlängerung des Kündigungsschutzes, und dazu liege kein neues Angebot auf dem Tisch.

Entsprechend müssen sich Postbank-, aber auch Postkunden in den kommenden Tagen weiter darauf einstellen, bei Hunderten Filialen vor verschlossenen Türen zu stehen. Grundsätzlich äußerten sich die Gewerkschafter am Wochenende aber vorsichtig positiv. "Das ist nicht die schlechteste der möglichen Optionen", sagte eine Verdi-Vertreterin.

Positiv findet es Verdi auch, dass "die Postbank an die gute Entwicklung der letzten Jahre anknüpfen kann, ohne künftig den Restriktionen einer besonders regulierten global agierenden Bank zu unterliegen". Man fürchtete, dass das teure Investmentbanking durch Einsparungen bei der Postbank finanziert worden wäre.

Investmentbanking wird zurückgefahren

Die Regulierung war der Hauptgrund, warum die Strategiewende überhaupt notwendig wurde. Die Aufseher drangen weltweit darauf, die Risiken der Bank mit mehr Eigenkapital zu unterlegen. Denn künftig sollen nicht wieder Steuerzahler die Rechnung begleichen, wenn die Geschäfte schiefgehen. Vor allem der Handel mit Aktien, Anleihen und Währungen wurde damit teurer.

Andere Großbanken wie Barclays oder UBS fuhren das Investmentbanking schon deutlich zurück. Jain dagegen hoffte, von deren Rückzug zu profitieren und wachsen zu können. Die Rechnung ging nicht auf, zumal auch die Minizinsen und teure Strafzahlungen die Gewinne belasten. All das drückte auf die Rendite der Deutschen Bank, sie sollte bei zwölf Prozent liegen, betrug zuletzt aber nicht einmal drei Prozent. Die Investoren drangen auf eine Wende - und das bedeutet vor allem Schrumpfen.

Auch im Investmentbanking sollen Geschäfte von bis zu 200 Milliarden Euro wegfallen, etwa ein Fünftel der gesamten Bilanzsumme. Trotzdem monieren Kritiker, dass sich durch den Verkauf der Postbank die Gewichte in Richtung Investmentbank verschieben.

Die alten Gräben haben sich durch die Scharmützel der vergangenen Wochen wieder vertieft. Da sind die vermeintlich bonussüchtigen Investmentbanker auf der einen Seite und die braven Privatkunden-Leute auf der anderen. Die Privatkunden-Sparte mit ihrem Chef Rainer Neske (siehe Text links) ist für Beobachter der eigentliche Verlierer des vergangenen Freitags. "Die Deutsche Bank wird durch die strategische Änderung noch weniger deutsch und künftig endgültig von London aus geführt", sagt ein Vertreter dieses Lagers. Er fürchtet, dass "die einst stolze Deutsche Bank als Investment-Boutique oder in den Armen einer internationalen Großbank endet".

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