Zoff wegen Opel-Hilfe:"Herr Brüderle sagt die Unwahrheit"

Opel - und kein Ende des Streits: SPD und FDP wettern über die Kanzlerin und an Wirtschaftsminister Brüderle scheiden sich die Geister. Für die einen ist er ein Held, für die anderen ein Lügner.

Gesundheitspolitik, Bundespräsidentenwahl, Steuerpolitik - kaum ein Thema, bei dem Union und FDP nicht aneinandergeraten. Nun drängt sich auch das Thema Opel zwischen die Partner der Regierungskoalition. Denn die FDP-Spitze hat den neuen Vorstoß von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für Opel-Hilfen kritisiert. "Angela Merkels Bekenntnis zum Sparpaket einerseits und ihre Zusage an General Motors andererseits - das passt schlecht", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner zu Spiegel Online. Der Ball liege bei Merkel: "Sie muss sehen, wie sie das nun zusammenbringt."

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Opel-Logo an einem alten Opel Caravan: Seit mehr als eineinhalb Jahren wird über Staatshilfen für den Autohersteller gestritten - und eine Beilegung der Differenzen ist immer noch nicht absehbar.

(Foto: afp)

Unverständnis äußerte auch FDP-Fraktionsvize Patrick Döring: "Ich finde die Reaktion der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten schwer begreiflich."

Die Entscheidung von Wirtschafsminister Rainer Brüderle (FDP) gegen Staatsbürgschaften sei richtig. "Dass die Kanzlerin und die Länder mit Opel-Standorten - die übrigens alle zu den Nehmer-Ländern im Länderfinanzausgleich gehören - jetzt auf Umwegen doch noch Steuergeld bereitstellen wollen, hat in meinen Augen mit einer verantwortungsvollen Wirtschaftspolitik wenig zu tun."

"Ohne jede Not"

Für Opel mit seiner Mutter General Motors dürften nicht andere Kriterien gelten als für andere Unternehmen, die sich um Staatshilfe aus dem Deutschlandfonds bemühten.

Döring wies darauf hin, dass Opel-Chef Nick Reilly erklärt habe, es werde auch ohne Bürgschaften der Regierung keine wesentlichen Änderungen am Sanierungskonzept und keine Werksschließungen in Deutschland geben.

"Damit ist doch offensichtlich, dass die Amerikaner die ganze Zeit geblufft haben, um an billiges Geld zu kommen", sagte Döring. "Nachdem die Karten jetzt offen auf dem Tisch liegen und alle Welt sehen kann, dass es auch ohne staatliche Hilfen geht, ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die Kanzlerin sich jetzt noch einschaltet und General Motors ohne jede Not und Notwendigkeit zu Staatsbürgschaften verhelfen will."

Kurz nachdem Brüderle am Mittwoch Hilfen für Opel aus dem Deutschlandfonds abgelehnt hatte, hatte Merkel erklärt, über Opel sei noch nicht das letzte Wort gesprochen. Darüber hinaus kündigte die Kanzlerin an, mit den Ministerpräsidenten der Opel-Standortländer am Donnerstagnachmittag über Möglichkeiten zur Hilfe zu beraten.

"Sachgerecht und völlig richtig"

Schützenhilfe erhielt Döring von dem Autoexperten Wolfgang Meinig, der das Nein von Brüderle zu den Opel-Staatsbürgschaften als "sachgerecht und völlig richtig" bezeichnete.

"Die amerikanische Opel-Mutter GM versucht nämlich, sich unter Vorgabe falscher Gründe Zinsvorteile mit Hilfe einer Staatsbürgschaft zu erschleichen", sagte der Leiter der Forschungsstelle Automobilwirtschaft FAW in Bamberg. Das sei umso gravierender, als General Motors ein US-amerikanisch-kanadischer Staatsbetrieb sei. "Solange aber Opel zu GM gehört und nicht 'losgelassen' wird, wird die Öffentlichkeit stets zu hören bekommen: Opel geht es schlecht."

Meinig wirft dem US-Konzern vor, mittels konzerninterner Verrechnungstaktiken seine Zahlen wie schon in der Vergangenheit immer so zu rechnen, dass die Mutter gut dasteht und die deutsche Tochter dahinsiecht. "Unser FDP-Wirtschaftsminister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass GM mindestens über einen zweistelligen Milliardenbetrag an liquiden Mitteln verfügt und Opel aus eigener Kraft sanieren kann. Dieses Sachargument muss dem Machtbewusstsein der Kanzlerin weichen."

"Das ist etwas besonderes"

Nichtsdestotrotz setzte sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) nach wie vor für eine staatliche Hilfe für Opel ein. Rüttgers, in dessen Bundesland ein großes Opel-Werk liegt, forderte eine gemeinsame Lösung von Bund und Ländern. "Wir werden jetzt mit der Kanzlerin darüber reden, ob diese gemeinsame Haltung aufgegeben wird, oder ob es eine gemeinsame Lösung gibt."

Die NRW-Landesregierung habe bereits Kompromissvorschläge vorgelegt. Mögliche Bürgschaften für den Autobauer könnten zeitlich befristet sein. Das Kernproblem bei Opel sei, dass das Unternehmen keinen Zugang zu Krediten habe. "Das ist etwas Besonderes und muss geändert werden", sagte Rüttgers.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der ebenfalls ein Opel-Standortland vertritt, kritisierte den "Politpoker" um Opel heftig. "So kann man nicht mit den Menschen, die betroffen sind, umgehen", sagte er im Deutschlandradio. Es sei "einer Bundesregierung nicht würdig", an einem Tag eine Ablehnung zu verkünden und gleichzeitig für den Folgetag ein Gespräch über Hilfen für Opel zu vereinbaren.

"Hierzu ist keine Bank bereit"

Die Mitarbeiter bei Opel bangten schon seit mehr als einem Jahr um ihre Arbeitsplätze. "Und dann einen solchen Politpoker hinzulegen innerhalb der Bundesregierung, das ist schlicht und einfach unzumutbar."

Scharfe Kritik musste Brüderle hingegen von Opel-Betriebsratschef Klaus Franz einstecken, der den Wirtschaftsminister der Lüge bezichtigte. "Wider besseres Wissen sagt Herr Brüderle die Unwahrheit", so Franz in Rüsselsheim.

Brüderle hatte seine Ablehnung der Bundesbürgschaften für den angeschlagenen Autohersteller unter anderem damit begründet, dass Opel keine Bank gefunden habe, die die Kreditrisiken übernehmen wolle. Franz wies diese Darstellung zurück: "Seit mehreren Wochen hat Opel/Vauxhall unterschriebene Verträge mit der Deutschen Bank und der Barclays Bank. Das ist Herrn Brüderle bekannt." Es gebe kein Problem mit den Finanzinstituten.

Brüderle konterte, die General-Motors-Tochter Opel habe zwar ein Bankenkonsortium gefunden. Die Institute seien zur Kreditvergabe aber nur bereit gewesen, wenn sie von jeglichem Risiko befreit worden wären. Üblicherweise müssten Banken mindestens zehn Prozent des Risikos selber tragen. "Hierzu ist keine Bank bereit", fügte Brüderle hinzu. Die Debatte hatte Spekulationen ausgelöst, die Kreditinstitute könnten das Ausfallrisiko bei Opel als zu hoch einschätzen. Die Deutsche Bank wollte sich nicht dazu äußern.

Ganz anders als Döring beurteilte der SPD-Wirtschaftspolitiker Garrelt Duin die Bereitschaft der Kanzlerin zu dem Spitzengespräch mit den Minsterpräsidenten der Opel-Länder. Der frühere SPD-Landesvorsitzende in Niedersachsen warf Merkel schwere Versäumnisse vor, weil sie diese Beratungen erst jetzt aufnehme. "Warum findet das Spitzengespräch erst jetzt statt und nicht schon im März?", bemängelte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Das hätte man alles schon viel früher machen können

Das Treffen hätte nach vor der Entscheidung über Bundeshilfen laufen müssen und nicht danach. Wenn man über Alternativen spreche, wie Opel aus anderen Fördertöpfen finanziell geholfen werden könnte, "dann hätte man das alles schon viel früher machen können", sagte Duin.

Dass Merkel nach dem Nein zu Bundeshilfen durch Brüderle ein Spitzengespräch mit den Regierungschefs der Opel-Länder ansetze, zeige, dass sie den Ressortchef in Wahrheit nicht brauche. Merkel wolle sich nun offenbar als Wahrerin von Arbeitnehmer- und Standortinteressen präsentieren, vermutete Duin.

"Das ist jetzt Sache der Kanzlerin - der Wirtschaftsminister ist aus dem Rennen." Die SPD trete weiterhin für Hilfen an Opel ein, um Arbeitsplätze abzusichern. Im Spitzengespräch bei Merkel könnte es nach Duins Worten auch darum gehen, ob die Bundesländer nach dem Nein von Brüderle ihre eigenen Opel-Finanzhilfen nun aufstocken. Er hält eine Größenordnung der Länder von insgesamt gut 500 Millionen Euro für vorstellbar.

Europäische Förderbanken im Gespräch

Für den verbleibenden Teil bis zu dem von dem Autohersteller nun ins Auge gefassten Betrag von 800 Millionen Euro aus Deutschland könnten Förderprogramme zur Kohlendioxid-Minderung, zur Elektromobilität und andere geprüft werden.

Ministerpräsident Beck hielt auch Finanzierungsformen über europäische Förderbanken für denkbar. Europäische Hilfen könnte die Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxemburg bewilligen. Ein Sprecher sagte, Opel könne etwa Kredite aus dem Fonds für umweltfreundlichere Autos bekommen - dafür seien ein "konkretes Projekt" und eine staatliche Bürgschaft nötig.

Die Obergrenze pro Unternehmen und Jahr betrage 400 Millionen Euro. Aus dem Fonds im Umfang von rund 4,5 Milliarden Euro wurden laut Sprecher im vergangenen Jahr etwa Projekte von BMW, Daimler, Renault, Fiat oder Saab gefördert. Eine andere Möglichkeit sei ein Darlehen aus dem Förderprogramm für strukturschwache Regionen - hier käme aber nur Thüringen in Frage, sagte der EIB-Sprecher.

Thüringen hatte kürzlich im Alleingang beschlossen, Opel seinen Anteil an den Bürgschaften zu gewähren. Beck sagte im Deutschlandradio, er sei bereit, den rheinland-pfälzischen Beitrag zu erbringen. Auch der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) schloss Landeshilfen nicht aus. Die hessischen Richtlinien seien andere als die des Deutschlandfonds, sagte er im Hessischen Rundfunk.

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