Zinsen:Kommt das böse Erwachen auf dem Immobilienmarkt?

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Wer bauen will, profitiert von den niedrigen Zinsen. Die Bundesbank warnt allerdings vor teuren Anschlussfinanzierungen.

(Foto: imago/CHROMORANGE)
  • Ohne die niedrigen Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) hätte es in Deutschland keinen derartigen Bauboom gegeben.
  • Mittlerweile erzeugt die lockere Geldpolitik allerdings Gefahren. Es drohen Preisblasen.
  • Menschen, die ein Haus oder eine Wohnung finanzieren, könnten zudem große Probleme bekommen, wenn die Zinsen wieder steigen.

Von Harald Freiberger, Thomas Öchsner und Markus Zydra

Frankfurt/München - Europa muss noch eine ganze Weile mit den niedrigen Zinsen leben. "Auf Basis der heutigen Daten sehe ich wenig Chancen, dass die Zinsen in diesem Jahr noch angehoben werden", sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag. Das waren ungewöhnlich deutliche Worte. Über den Zeitpunkt einer möglichen Zinserhöhung hatte sich Draghi bislang kaum ausgelassen.

Damit scheint sicher, dass die Notenbank den Leitzins frühestens 2019 erhöhen wird. Der Boom auf dem deutschen Immobilienmarkt dürfte damit weitergehen. Seit 2016 liegt der Leitzins in der Euro-Zone bei null Prozent. Darüber hinaus kauft die EZB Staats- und Firmenanleihen im Wert von 2,7 Billionen Euro, was die Marktzinsen auch für Hauskredite niedrig hält. Dieses Kaufprogramm läuft noch mindestens bis September. Die Leitzinsen, so Draghi, würden erst "eine ganze Weile nach Ende des Kaufprogramms" angehoben.

Die lockere Geldpolitik der EZB hat Europas Wirtschaft einen Wachstumsschub gebracht. Die neue Stärke spiegelt sich an den Devisenmärkten. Der Euro notierte am Donnerstag mit 1,25 US-Dollar auf dem höchsten Stand seit drei Jahren. Draghi nannte den jüngsten Anstieg "eine Quelle der Unsicherheit". Mittlerweile erzeugt die lockere Geldpolitik auch neue Gefahren. Es drohen Preisblasen. So treibt Draghis Nullzinspolitik Anleger an die Börsen, weil Anleihen kaum mehr etwas abwerfen. Der Deutsche Aktienindex (Dax) notiert mit 13 400 Punkten nahe an seinem Rekordstand. Und auf dem deutschen Immobilienmarkt steigen die Preise seit Jahren in einem atemberaubenden Tempo.

Denn von den niedrigen Zinsen profitieren alle, die bauen oder modernisieren wollen und dafür ein Hypothekendarlehen benötigen. Bei einer Laufzeit von zehn Jahren liegt nach Angaben des Verbraucherportals biallo.de der durchschnittliche nominale Zinssatz bei 1,34 Prozent, bei einer Laufzeit von 15 Jahren sind es 1,81 Prozent. Dass es für private Bankkunden und gewerbliche Investoren Geld so günstig gibt, treibt auch die Geschäfte auf dem Bau an. Zahlreiche Handwerker haben so viele Aufträge, dass sie mit der Arbeit nicht mehr hinterherkommen. Die Bauindustrie erwartet in diesem Jahr einen Umsatz von gut 117 Milliarden Euro - das sind vier Prozent mehr als 2017. Nach Angaben des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie ist das Umsatzplus aber vor allem auf höhere Baupreise zurückzuführen. Diese dürften 2018 um 3,5 Prozent zulegen.

Die Bundesbank warnt Bankkunden regelmäßig davor, allzu sorglos zu sein

Der Bauboom setzt sich also fort, wenn auch wohl etwas gebremster als zuletzt. Die Zahl der Baugenehmigungen ist bereits rückläufig. 2016 wurden 278 000 Wohnungen neu in Deutschland errichtet. 2017 dürften es um die 300 000 gewesen sein, 2018 könnten es 320 000 werden. Aber kann das immer so weitergehen? Und wie sicher sind die Baufinanzierungen überhaupt?

Die Bundesbank warnt Bankkunden regelmäßig davor, allzu sorglos zu sein und gibt zu bedenken, dass die Zinsen wieder steigen könnten und eine Anschlussfinanzierung dann teurer wird. Auch Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ-Bank, sagt: "Nicht jede Immobilienfinanzierung ist wetterfest." Wenn nach Ablauf der Zinsbindungsfrist höhere Zinsen fällig würden, dabei aber nur rund ein Zehntel der Schuld abgetragen sei, könnte das für viele schwierig werden. "Zudem führt die relativ niedrige Tilgung zu langen Kreditlaufzeiten von 35 und mehr Jahren", warnt Bielmeier.

Immobilien-Käufer in Großstädten gehen teils hohe Risiken ein

Deutschland ist jedoch von amerikanischen Verhältnissen weit entfernt. Im Zuge der Finanzkrise brach in den USA bei vielen Privathaushalten die von vorneherein wacklige Baufinanzierung zusammen. Hierzulande ist "weder eine explosive Ausweitung der Kreditvergabe zu beobachten, die auf spekulative Immobilienkäufe in gesamtwirtschaftlich alarmierendem Umfang schließen ließe. Noch ist zu erkennen, dass die Finanzierungen von den Kreditkonditionen her risikoreicher geworden sind", heißt es einer Analyse der Staatsbank KfW. Der Befund lege aber nahe, dass Immobilienpreise unter anderem "in Berlin, München, Frankfurt und Stuttgart spekulativ überhöht sind. Investoren, die zu diesen Preisen kaufen, weil sie auf stärker steigende Mieten setzen, gehen ein hohes Risiko bei relativ geringer Mietrendite ein", merkt die KfW an. Trotzdem kommt die Bank zu dem Schluss: "Eine bundesweite Immobilienblase mit gesamtwirtschaftlichen Risiken liegt bisher nicht vor."

Der Wohnimmobilienmarkt ist wichtig für die Finanzstabilität, denn Häuser- und Wohnungsfinanzierungen machen die Hälfte aller Kredite deutscher Banken an den Privatsektor aus. Es gibt auch Daten, die Anlass zur Sorge geben. Dazu zählt die Tatsache, dass die Marge der Banken bei Baufinanzierungen deutlich schrumpft. Sie verdienten zuletzt 0,72 Prozentpunkte an einem vergebenen Kredit; im Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre waren es 0,93 Punkte.

Das liegt vor allem am zunehmenden Wettbewerb: Weil Baufinanzierungen eine der wenigen Sparten sind, in denen Geldhäuser noch gut verdienen, stürzen sie sich darauf. "Die Folge ist aber, dass in den Krediten keine hohen Risikokosten mehr eingepreist sind", sagt der Bankenexperte Peter Barkow. Mit der Marge müssen Banken nämlich auch Vorsorge für künftig ausfallende Kredite leisten. "Man kann sich fragen, ob die Marge reicht, wenn die Zinsen steigen, die Immobilienpreise möglicherweise fallen und es verstärkt zu Kreditausfällen kommt", sagt Barkow.

Positiv ist dagegen, dass die Bedingungen, zu denen Banken Baukredite vergeben, nicht aufgeweicht wurden. Die Beleihungswerte sind seit 2009 im Durchschnitt sogar von 80 auf 75 Prozent gesunken. Das bedeutet, dass Kunden jetzt mehr Eigenkapital mitbringen müssen, wenn sie einen Baukredit abschließen wollen - 25 statt vorher 20 Prozent. Das macht einen Baukredit sicherer. Dasselbe gilt für die Tilgungsrate, die seit 2009 von durchschnittlich 1,5 auf 2,5 Prozent gestiegen ist. Viele Bankkunden haben die gesparten Zinskosten in eine höhere Tilgung umgemünzt. Damit werden die Kredite schneller abbezahlt, was das System ebenfalls stabilisiert.

Unterm Strich wechseln sich auf dem Baukreditmarkt Licht und Schatten ab. "Wir sehen noch keine Alarmsignale, aber die Lage hat sich im vergangenen Jahr wegen des für deutsche Verhältnisse atemberaubenden Kreditwachstums schon angespannt", sagt Barkow.

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