Zetsche vs. Grässlin:Warum der Daimler-Chef verloren hat

Daimler-Boss Dieter Zetsche bekommt kein Schmerzensgeld von Daimler-Kritiker Jürgen Grässlin - die Persönlichkeitsrechte seien nicht schwerwiegend genug verletzt, so das Landgericht Hamburg.

Andreas Ellinger

Ob der Verdacht Jürgen Grässlins zutrifft, dass Dieter Zetsche im Jahr 2002 als Zeuge vor Gericht falsche Angaben gemacht hat, spielte für das Urteil des Landgerichts Hamburg keine Rolle: Seine Aussagen seien kein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Daimler-Chefs. Das müsste aber der Fall sein, wenn es zu einer Geldentschädigung kommen soll. Erst müssten andere rechtliche Möglichkeiten genutzt werden - zum Beispiel weitere Ordnungsgelder, sofern Grässlin erneut gegen Aussage-Verbote verstoßen sollte, heißt es in der jetzt veröffentlichten schriftlichen Begründung.

Jürgen Grässlin ist Autor von Büchern wie "Das Daimler-Desaster". In einem Fernseh-Interview hatte er Zetsche der "offensichtlichen Falschdarstellung" in einem Gerichtsprozess bezichtigt, der mit einem Fehlurteil geendet habe. Der damalige Angeklagte Gerhard Schweinle, ein Spediteur, saß zweieinhalb Jahre zu Unrecht in Haft. Er machte Manager Zetsche im selben Fernsehbeitrag dafür mitverantwortlich. Das sah auch Grässlin so.

An sachlicher Diskussion interessiert

Das Hamburger Landgericht stellte nun dazu fest: "Dem Beklagten ist immerhin zu Gute zu halten, dass er in den Äußerungen Schweinles eine Bestätigung seiner Vorwürfe findet", dass die Stuttgarter Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Zetsche aufgenommen habe. In der Urteilsbegründung heißt es weiter: "Der Beklagte greift den Kläger nicht auf persönlicher Ebene, sondern rein sachlich an. [...] Es ist offensichtlich, dass der Beklagte den Kläger nicht wegen seiner Person angreift, sondern, weil er von der Richtigkeit der Vorwürfe überzeugt ist."

Grässlin hat immer wieder betont, dass er an einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Daimler AG interessiert ist und er um seine grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit kämpfen werde - notfalls bis in die höchste gerichtliche Instanz. Neben Zetsche haben ihn der Konzern und der Ex-Vorstandsvorsitzende Jürgen E. Schrempp wegen Interview-Aussagen beklagt.

Im Fall Zetsche haben Berliner Gerichte dem Daimler-Kritiker untersagt, seinen Verdacht zu wiederholen, dass der Manager im Prozess gegen Spediteur Schweinle falsche Angaben gemacht haben könnte. Nach einer einstweiligen Verfügung hatte Grässlin versäumt, entsprechende Äußerungen von seiner Homepage zu entfernen - das kostete ihn ein Ordnungsgeld von 1000 Euro.

Nach einer Verhandlung in dieser Angelegenheit vor dem Berliner Amtsgericht befragte ein Journalist den Beklagten zu seinen Vorwürfen gegen Zetsche. Grässlin antwortete, er sei sich sicher, dass er Recht habe. Seines Erachtens müssten strafrechtliche Ermittlungen gegen führende Daimler-Manager eingeleitet werden. Das hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gemacht. Doch Anfang 2007 musste Grässlin für seine Aussagen noch 1500 Euro Ordnungsgeld bezahlen. Das Landgericht Berlin hatte ihm zwar die "Wahrnehmung berechtigter Interessen" bescheinigt - das Kammergericht Berlin sah in zweiter Instanz jedoch einen fahrlässigen Verstoß gegen das Äußerungsverbot.

Grässlin musste zahlen

Ein drittes Ordnungsgeld - dieses Mal in Höhe von 2500 Euro - musste Grässlin bezahlen, weil er auf seiner Internetseite eine Pressemitteilung der "Kritischen Aktionäre Daimler-Chrysler" veröffentlicht hatte. Darin wurde auf Strafanzeigen hingewiesen, die Grässlin gegen Zetsche und andere Mercedes-Mitarbeiter gestellt hatte. Und es war zu lesen, das neue Beweismittel vorlägen, die den Verdacht nahe legen würden, dass Zetsche vor Gericht falsch ausgesagt habe. Grässlin ist Sprecher dieser "Kritischen Aktionäre". Er sagt aber, die Pressemitteilung sei nicht von ihm verfasst worden. Das Landgericht Berlin sah in dieser Sache keinen Verstoß gegen das Aussageverbot Grässlins - das Kammergericht wiederum einen "fahrlässigen Verstoß". Die Anzeige, um die es in dieser Pressemitteilung ging, war übrigens jene, die letztendlich zu den staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Dieter Zetsche geführt hat.

Der Daimler-Boss ist der Meinung, Grässlin habe massiv und hartnäckig höchst ehrenrührige Falschbehauptungen über ihn verbreitet. Das Landgericht Hamburg widersprach in seinem Urteil, mit dem es Zetsches Klage auf Schmerzensgeld abgewiesen hat: "Die in diesem Zusammenhang festgestellte Hartnäckigkeit kann sich allenfalls auf eine hartnäckige Unvorsichtigkeit beziehen." Für eine Geldentschädigung reiche das nicht aus. Abgesehen davon sei Zetsche als "Vorstandsvorsitzender eines der größten deutschen Unternehmen in einer derart exponierten Stellung tätig, dass er sich Kritik an seinem beruflichen und - soweit damit zusammenhängend - auch persönlichen Handeln in weitaus höherem Maß gefallen lassen muss, als dies andere müssen".

Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht Zetsche auferlegt. Ob er das Urteil akzeptiert oder in die nächste Instanz geht, ist noch offen.

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